BVVG-Kaufverträge nach EALG / AusglLeistG – Entscheidung des Kammergerichts zu Beteiligungsklauseln im Zusammenhang mit windenergetischer Nutzung
« NewsübersichtDas mit Spannung erwartete Berufungsurteil des Kammergerichts zu dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 24.02.2015 (Az. 19 O 207/14) liegt nun mit Entscheidungsgründen vor (Urteil vom 21.12.2016, Az. 28 U 7/15). Das Urteil bestätigt im Wesentlichen die erstinstanzliche Entscheidung und eröffnet zugleich eine „Hintertür“ für die BVVG Bodenverwertungs- und –verwaltungs GmbH (BVVG), die möglicherweise erhebliche Auswirkungen haben wird. Aufgrund Revisionseinlegung wird der Bundesgerichtshof (BGH) im Ergebnis entscheiden. Das Verfahren ist am BGH unter dem Az. V ZR 12/17 anhängig.
Das Urteil des Kammergerichts ist aktuell für Verhandlungsführungen mit der BVVG im Zusammenhang mit Entschädigungsklauseln für Erneuerbare-Energien-Projekte von erheblicher Relevanz.
Zugleich ist angesichts der Entscheidung zu empfehlen, Rückforderungsansprüche gegen die BVVG zu prüfen, soweit Entschädigungszahlungen aufgrund von Klauseln geleistet wurden, deren Unwirksamkeit das Kammergericht nunmehr bestätigt hat.
Im Einzelnen:
1. Der Fall
Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 26.08.2005 von der BVVG insgesamt 71,01 ha landwirtschaftliche Fläche vergünstigt nach § 3 Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG). In dem Vertrag war geregelt, dass die Flächen während einer Bindungsfrist von 15 Jahren landwirtschaftlich genutzt werden müssen und ansonsten der BVVG ein Rücktrittsrecht zusteht. Zudem enthielt der Vertrag die Vereinbarung, dass – falls während der Bindungsfrist kaufgegenständliche Flächen zur Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) etc. genutzt werden – die Zustimmung der BVVG erforderlich ist und dass der Grundstückseigentümer nur dann einen Anspruch auf Zustimmung hat, wenn er
- die BVVG vor Abschluss eines entsprechenden Vertrages informiert, sie in die Verhandlungen einbezieht und
- sich verpflichtet, an die BVVG einen Betrag i.H.v. 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der WEA kapitalisierten Entschädigungsbetrages zu zahlen und ihr die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die die BVVG zur Ermittlung dieses Betrages benötigt; die Zahlung wird einen Monat nach Abschluss des entsprechenden Grundstücksnutzungs-/Überlassungsvertrages fällig.
Darüber hinaus war in dem Vertrag geregelt, dass die BVVG von dem Vertrag zurücktreten kann, wenn wesentliche Teile der Gesamtfläche während der Bindungsfrist nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden und dass sie die Flächen zum Verkaufspreis zurückkaufen kann, wenn die Flächen vor Ablauf der Bindungsfrist für einen der in § 1 Abs. 2 S. 4-6 FlErwV genannten Zwecke nutzbar werden.
Der Kläger wollte nun drei WEA auf den erworbenen Flächen aufstellen lassen, wofür 0,9711 ha und damit 1,41 % der Gesamtfläche benötigt werden sollten. Er forderte die BVVG auf zu erklären, dass sie wegen der Unwesentlichkeit dieses Flächenanteils keine Forderungen aus dem Kaufvertrag gegen ihn geltend machen werde, was die BVVG ablehnte.
Der Kläger erhob daraufhin Klage zum Landgericht Berlin, darauf gerichtet, dass festgestellt werde, dass er gegenüber der BVVG nicht verpflichtet sei, sie in den Abschluss des avisierten WEA-Grundstücksnutzungsvertrages einzubeziehen, ihr die relevanten Unterlagen zur Ermittlung des o.g. Entschädigungsbetrages zur Verfügung zu stellen und den Entschädigungsbetrag an die BVVG zu zahlen. Zur Begründung stützte sich die Klage darauf, dass die diesbezüglichen Regelungen in dem BVVG-Kaufvertrag unwirksam seien.
2. Die Entscheidung des Landgerichts Berlin
Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Es hat sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen, wonach alle o.g. Regelungen in dem BVVG-Kaufvertrag, die Gegenstand der Feststellungsklage waren, nicht in der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) vorgesehen seien und damit der Klauselkontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterzogen werden können – mit dem Ergebnis, dass sie unwirksam seien, da sie der Inhaltskontrolle des § 307 BGB nicht standhalten.
Das Gericht führte aus, dass der Grundstückseigentümer in mehrfacher Hinsicht durch die streitgegenständlichen Vertragsregelungen unangemessen benachteiligt werde – und zwar dadurch, dass er die auf die gesamte WEA-Nutzungsvertragsdauer kapitalisierte Entschädigungszahlung nach Abschluss des WEA-Grundstücksnutzungsvertrages als Einmalbetrag an die BVVG zahlen müsse, wohingegen er selbst üblicherweise von dem WEA-Betreiber Entschädigungszahlungen jährlich verteilt auf einen Zeitraum zwischen 20 und 30 Jahren erhalte, und dass die BVVG hierdurch gleichzeitig Zahlungen erhalte, die die Grundstücksnutzung weit nach Ablauf der Bindungsfrist betreffen, obwohl der Grundstückseigentümer nach dem Willen des Gesetzgebers – eigentlich – nach Ablauf der Bindungsfrist frei über sein Grundstück verfügen können solle.
Die BVVG hat gegen dieses Urteil Berufung zum Kammergericht eingelegt. Der Kläger hat sich der Berufung angeschlossen und im Wege der Anschlussberufung seinerseits beantragt, das Kammergericht möge weitergehend feststellen, dass die BVVG wegen der – weiterhin beabsichtigten windenergetischen Nutzung der Teilfläche wie oben angegeben – weder zum Rücktritt von dem BVVG-Kaufvertrag noch zum Wiederkauf berechtigt sei.
3. Die Entscheidung des Kammergerichts
Das Kammergericht hat die Berufung der BVVG zurückgewiesen und sich bezüglich der Begründung komplett der Rechtsansicht des Landgerichts angeschlossen:
Die Klausel im BVVG-Kaufvertrag zur Einbeziehung der BVVG in die Vertragsverhandlungen zwischen Grundstückseigentümer und WEA-Planer und zur Herausgabe der vertragsrelevanten Unterlagen bezeichnet das Gericht dabei als schweren Eingriff in die Privatautonomie der Verhandlungspartner, da die BVVG sich hierdurch als Dritter eine Vertragsgestaltungsmacht anmaße, die mit dem Grundgedanken der FlErwV – nämlich dass die BVVG bei Verstößen gegen die Zweckbindung der Flächen während der Bindungsfrist zum Rücktritt / zum Wiederkauf berechtigt sein soll – schlicht nicht in Einklang zu bringen sei.
Darauf aufbauend, bestätigt das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil auch bezüglich der Unwirksamkeit der Klausel zur Zahlung der Einmal-Entschädigung. In diesem Zusammenhang hebt das Gericht hervor, dass Grundgedanke des § 12 Abs. 3 FlErwV sei, dass eine Zustimmung der BVVG zu Verfügungen über das Grundstück generell zu erteilen ist, wenn die Zweckbindung nicht gefährdet wird; hiervon weiche die Vertragsregelung, die die Erteilung der Zustimmung von den o.g. zusätzlichen Bedingungen abhängig mache, wesentlich zum Nachteil des Grundstückseigentümers ab.
Zur Anschlussberufung des Klägers: Diesbezüglich hat das Gericht antragsgemäß festgestellt, dass der BVVG kein Rücktrittsrecht zusteht, da die für die windenergetische Nutzung vorgesehene Teilfläche – wie ausgeführt weniger als 1,5 % der Gesamtfläche – nicht „wesentlich“ ist. Zum Wiederkaufsrecht hat das Kammergericht hingegen festgestellt, dass – da insoweit die Vertragsklausel wortgleich mit § 12 Abs. 4 FlErwV war – die BVVG zum Rückkauf zum Verkaufspreis berechtigt sei, sobald „die Errichtung der Windenergieanlagen auf diesen Flächen rechtlich möglich geworden ist“, wobei es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankomme, wie groß der für die WEA benötigte Flächenanteil sei. Ergänzend führt das Gericht am Ende seiner Entscheidung aus, dass das Rückkaufrecht „jedenfalls im verhältnismäßigen Rahmen“ ausgeübt werden könne und lässt damit offen, ob in einem Fall wie dem vorliegenden das Rückkaufrecht sich nur auf die für die windenergetische Nutzung benötigte Fläche beziehen würde.
Abschließend erwähnt sei, dass das Gericht sich per obiter dictum auf den – aus Sicht der Unterzeichnerin unzutreffenden – Standpunkt stellt, dass bereits die Ausweisung einer Windfläche im Regionalplan § 1 Abs. 2 S. 4-6 FlErwV unterfalle (und damit das Wiederkaufsrecht der BVVG auslösen könne).
4. Empfehlungen zum Umgang mit dem Urteil des Kammergerichts
Bis zur Entscheidung des BGH sollte bei Verhandlungen mit der BVVG zu Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit Erneuerbare-Energien-Anlagen auf EALG-Flächen darauf geachtet werden, dass Regelungen, deren Unwirksamkeit durch das Kammergericht festgestellt wurde, abgelehnt bzw. nur unter Vorbehalt akzeptiert werden.
Bereits abgeschlossene BVVG-Kaufverträge nach dem EALG / AusglLeistG – insbesondere wenn hieraus bereits Entschädigungszahlungen an die BVVG geleistet wurden – sollten sorgfältig daraufhin geprüft werden, ob bzw. inwieweit sie aufgrund der Kammergerichtsentscheidung als unwirksam anzusehen sind und welche Ansprüche sich hieraus ergeben.
Bei der Prüfung, ob bereits geleistete Entschädigungszahlungen von der BVVG zurückgefordert werden können, wird ein besonderes Augenmerk auf die Verjährungsproblematik zu richten sein. Die regelmäßige Verjährungsfrist hierfür beträgt drei Jahre. Allerdings ist denkbar, dass der Beginn der Verjährung – ähnlich wie in der BGH-Rechtsprechung aus dem Jahre 2014 zu Kreditbearbeitungsentgelten geschehen – auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Kammergerichtsentscheidung verlagert wird, sodass auch Rückforderungsansprüche zu Zahlungen, die vor mehr als drei Jahren an die BVVG geleistet wurden, noch durchgesetzt werden könnten.