EEG 2021 beschlossen – Windenergieanlagen nicht im öffentlichen Interesse?
« NewsübersichtWieder einmal bestätigte sich das „Strucksches Gesetz“. Die Wortprägung des ehemaligen SPD-Fraktionschef Peter Struck besagt, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist.
So verhält es sich auch mit dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz, welches am 17.12.2020 im Bundestag beschlossen wurde und am 01.01.2021 in Kraft treten soll. Im letzten Moment wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien der im Regierungsentwurf noch enthaltene § 1 Abs. 5 EEG gestrichen. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD müssen sich die Frage gefallen lassen ob sie von allen guten Geistern verlassen worden sind.
Denn in diesem Absatz hieß es: „Die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien liegt im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit“
Jetzt könnte man meinen diese Feststellung wäre lapidar. So zumindest liest sich die Begründung der Streichung:
„Die hohe Bedeutung des Klimaschutzes und des damit verbundenen Ausbaus erneuerbarer Energien findet sich darüber hinaus im Völker- und Europarecht.
Mit Bezug auf den Artenschutz ist es bereits heute möglich, Ausnahmen vom Artenschutz unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit zuzulassen. Dies hat die Umweltministerkonferenz in ihrer Sitzung am 15. Mai 2020 festgestellt. Auch die Europäische Kommission hat festgestellt, dass die zuständigen Behörden eine Ausnahmeregelung im Interesse der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses genehmigen können, wenn es keine anderweitigen zufriedenstellenden Lösungen gibt und die Ausnahme nicht im Widerspruch zu den Zielen der Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie stehen (Mitteilung der Kommission vom 18.11.2020, C(2020) 7730 final.“
- Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, BT-Drs. 19/25326 v. 16.12.2020, S. 11 -
Doch so einfach ist es nicht. Mit dieser ausdrücklichen gesetzlich fixierten Feststellung wäre der Windkraft mehr geholfen als mit dem gerade in Kraft getretenen „Investitionsonsbeschleunigungsgesetz“.
Hierzu berichteten wir bereits am 09.12.2020: Investitionsbeschleunigungsgesetz tritt in Kraft
Warum das so ist? Weil in der Praxis immer wieder bestritten wird, dass die Errichtung von Windenergieanlagen im öffentlichen Interesse liegt und/oder diese der öffentlichen Sicherheit dienen. Dazu genügt ein Blick in die Entscheidungen vom VG Gießen, Urt. v. 22.01.2020 (1 K 6019/18.GI) und vom VG Wiesbaden, Urt. v. 24.07.2020 (4 K 2962/16.WI). In den beiden Entscheidungen ging es jeweils um die Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände des § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 und 5 BNatSchG. Diese sehen die Zulassung einer Ausnahme im Interesse „der öffentlichen Sicherheit oder aus „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ vor, wenn eines der Zugriffverbote aus § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht ist. In beiden Entscheidungen machten die Gerichte jeweils mehrseitige Ausführungen dazu, ob diese Ausnahmebestimmungen Anwendung findet und kommen jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Hierzu bereits am 06.11.2020: Immer wieder artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung – Diesmal VG Wiesbaden, Urt. v. 24.07.2020 (4 K 2962/16.WI) und am 10.06.2020: Europarechtskonformität der artenschutzrechtlichen Ausnahme vom Tötungsverbot zugunsten von Windenergieanlagen
Bereits hier zeigt sich also, dass das öffentliche Interesse an der Nutzung der Windenergie bei weitem nicht so selbstverständlich ist, wie es die Koalitionäre behaupten – von der Einordnung als im Interesse der öffentlichen Sicherheit ganz zu schweigen.
Aber nicht nur bei den genannten Ausnahmetatbeständen des Naturschutzrechtes stellt sich diese Frage, sondern auch bei nahezu allen anderen Rechtsmaterien, sei es bei der Frage, wie viel Vorrang- und Eignungsgebiete bei der Neuaufstellung eines Regionalplanes ausgewiesen werden müssen oder im Rahmen von luftverkehrsrechtlichen Streitigkeiten. Das öffentliche Interesse an der Windenergienutzung spielt bei jeder einzelnen gerichtlichen oder behördlichen Abwägung eine Rolle.
Seit Jahren vertreten wir, mit enormen Auffand, dass sich die hohe Bedeutung der Windenergie aus dem Völkerrecht und den europarechtlichen Vorgaben ergibt. Das EEG und auch die völker- und europarechtlichen sind abwägungsrelevante Belange, die von den Behörden auch bei der Abwägung mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen sind. Doch leider zeigt sich in unserer anwaltlichen Praxis immer wieder, dass diese Belange mit einen einfachen „ja, aber …“ weggewogen werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Formulierung des § 1 Abs. 5 EEG nicht mehr als lapidar dar, sondern wäre ein großer Fortschritt gewesen. Der Gesetzgeber muss sich also die Frage gefallen lassen, ob ihm diese Zusammenhänge unklar waren – dann hat er schlampig gearbeitet – oder ob die Zusammenhäng bekannt waren, er aber andere Interessen höher gewichtet hat. So oder so: Für die Windenergiebranche und die gesamten Erneuerbaren Energien ist die Streichung ein Schlag ins Gesicht.