Verwaltungsgerichtliche EE-Verfahren – Bundesregierung beschließt Beschleunigung
« NewsübersichtLangwierige Verfahren über Erneuerbare-Energie-Vorhaben bei den Verwaltungsgerichten blockieren die Energiewende. Weitere Gesetzesänderungen sollen jetzt Abhilfe schaffen!
Die Bundesregierung hat am 30.11.2022 einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich beschlossen, über den nun zeitnah im Bundestag abgestimmt werden soll. Der Gesetzesentwurf bezieht sich auf die Beschleunigung bedeutsamer Infrastrukturvorhaben, worunter gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3a VwGO auch Windenergieanlagen (WEA) zählen.
Die wesentlichen Änderungen im Überblick:
Verschiedene Maßnahmen sollen zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer vor den Verwaltungsgerichten führen. Der Entwurf sieht insbesondere folgende neue Regelungen vor:
- Vorrang- und Beschleunigungsgebot, § 87c Abs. 1 VwGO: Dadurch kann etwa ein Verfahren über den Bau einer WEA gegenüber einem anderen Verfahren bei der Anberaumung eines Termins bevorzugt werden.
- Schnellere Terminierung vor Gericht, § 87c Abs. 2 VwGO: Spätestens zwei Monate nach Eingang der Klageerwiderung soll die Erörterung des Sach- und Streitstandes stattfinden („früher erster Termin“).
- Harte Präklusionsvorschrif, § 87b Abs. 4 VwGO: Zur Straffung des Verfahrens sind Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer gerichtlich gesetzten Frist vorgebracht werden, unter Umständen zurückzuweisen.
§ 80c VwGO neu: Änderungen im einstweiligen Rechtsschutz
Darüber hinaus soll durch den neuen § 80c VwGO auch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes effizienter gestaltet werden, damit mit der Umsetzung wichtiger Bauprojekte schneller begonnen werden kann:
- Erschwerung des einstweiligen Rechtsschutzes gegen WEA: Mängel des angegriffenen Genehmigungsbescheids können danach durch das Gericht außer Acht gelassen werden, wenn offensichtlich ist, dass dieser in absehbarer Zeit behoben sein wird.
- Abwägungsgebot von Reversibilität und öffentlichem Interesse: Zudem sollen die Gerichte im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung die Reversibilität von Maßnahmen berücksichtigen. Dabei haben sie die Bedeutung von Infrastrukturmaßnahmen besonders zu berücksichtigen, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen.
Problem: Verfahrensfehler nach dem § 4 UmwRG ausgenommen
Vorneweg: Mit dem Gesetzentwurf benennt das BMJ viele wichtige Stellschrauben, die einer schnellen Durchsetzung von Erneuerbaren Energie-Vorhaben bislang im Wege stehen.
Der Entwurf weist allerdings einen erheblichen Fehler auf: Im ersten Referentenentwurf des Gesetzes, den wir in unserem Beitrag vom 19.09.2022 vorgestellt haben, bestand noch Unklarheit darüber, ob von der neuen Vorschrift des § 80c VwGO auch verfahrensfehlerhafte Verfahren nach dem UVPG erfasst werden und damit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes außer Acht gelassen werden können. Jetzt die Enttäuschung: Der hinzugefügte § 80c Abs. 2 S. 4 VwGO („Satz 1 gilt nicht für Verfahrensfehler gemäß § 4 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz“) des aktuellen Regierungsentwurfs nimmt gerade diese Verfahrensfehler ausdrücklich von der Regelung aus.
So kann im einstweiligen Rechtsschutz weiterhin das Fehlen einer erforderlichen UVP(-Vorprüfung) bzw. die fehlerhafte Durchführung derselben gerügt werden. Auch fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligungen im Zusammenhang mit der UVP(-Vorprüfung) können nach wie vor geltend gemacht werden. Ärgerlich ist das deshalb, weil dies die Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz unnötig in die Länge zieht. Zusätzlich stellt die Geltendmachung von Einwendungen nach § 4 UmwRG mit den größten Anwendungsbereich in einstweiligen Rechtsschutzverfahren dar. Damit steht zu befürchten, dass § 80c Abs. 2 S. 1 VwGO seinen beabsichtigten Zweck und damit seinen Mehrwert für die erhoffte Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren verliert.
In Anbetracht der Tatsache, dass das UmwRG selbst Heilungsmöglichkeiten vorsieht, wäre es konsequent, diese Heilungsmöglichkeiten auch im Rahmen der VwGO-Änderung zu berücksichtigen.
Umsetzung überhaupt möglich?
Der Entwurf zielt in Gänze auf Beschleunigung ab, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Dazu sollen WEA-Verfahren früh terminiert und bevorzugt behandelt werden. Soweit die Theorie. Indes: Es steht zu befürchten, dass die OVGs diese Aufgabe personell nicht stemmen können. Denn die Vorbereitung auf einen Erörterungstermin oder eine mündliche Verhandlung ist für das Gericht sehr aufwendig und nimmt Zeit in Anspruch (teils mehrere Wochen). Ob die Gerichte dem bei der zu erwartenden Vielzahl von Verfahren, wenn der Ausbau beschleunigt wird, gewachsen sind, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber will dem mit der Schaffung von speziellen Planungssenaten begegnen, die sich nur um Infrastrukturvorhaben kümmern. Allerdings kann der Bund hier nur die Möglichkeit schaffen; die Umsetzung bleibt Sache der Länder. Und gute Richter:innen fallen nun mal nicht vom Himmel.
Unter diesem Blickwinkel ist es nicht ausgeschlossen, dass die Zuweisung von Infrastrukturvorhaben an die OVGs sich als Bärendienst für die Branche entpuppt.