Windenergie – Neuer Wind um Hubschraubertiefflugstrecken
« NewsübersichtEin Urteil des VGH Mannheim sorgt für Aufruhr im Spannungsverhältnis von Windenergie und Hubschraubertiefflugstrecken der Bundeswehr, nach dem ein Vergleich vor dem OVG Münster noch Hoffnung auf Besserung geschürt hat.
Liegt die geplante Windenergieanlage (WEA) im Routenverlauf oder Sicherheitskorridor einer Hubschraubertiefflugstrecke (HTFS) so müssen Projektierer:innen regelmäßig damit rechnen, dass die zuständige Landesluftfahrtbehörde die erforderliche luftverkehrsrechtliche Zustimmung verweigert, da die – ebenfalls am Genehmigungsverfahren beteiligte – Bundeswehr in der Errichtung der WEA eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs sieht. Zwei aktuelle Gerichtsverfahren sorgen durch konträre Entscheidungen für Aufruhr.
OVG Münster: Bundeswehr gibt mit gerichtlichem Vergleich nach
Am 11. Mai 2023 stimmte die Bundeswehr vor dem OVG Münster (Az.: 22 D 70/22.AK) einem Vergleich zu, der die Errichtung und den Betrieb einer WEA innerhalb des Sicherheitskorridors einer Hubschraubertiefflugstrecke ermöglichte – wir berichten hier. Aus der mündlichen Verhandlung vor dem OVG Münster ging insbesondere auch hervor, dass die Verlegung von HTFS – je nach Einzelfall – zumindest durch die Bundeswehr geprüft werden sollte.
VGH Mannheim: keine Pflicht zur aktiven Suche nach Ausweichstrecken (Alternativenprüfung)
Der VGH Mannheim vertritt nun mit Urteil vom 4. April 2023 (Az.: 10 S 1560/22) wieder die gegenteilige, bislang häufig von Gerichten vertretene Position: Nach Ansicht des Gerichts beinhalte die Zustimmungsentscheidung nach § 14 Abs. 1 LuftVG keine Planungs- oder Ermessensentscheidung der Luftfahrtbehörde, wonach auch ausdrücklich
„keine Alternativenprüfung im Sinne einer aktiven Suche nach etwa in Betracht kommenden Ausweichstrecken vorzunehmen“
sei. Erforderlich sei vielmehr nur die Prüfung, ob an der militärischen Nutzung am jeweils konkret vorgesehenen Anlagenstandort auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung des Ausbaus von Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien (§ 2 Satz 1 und Satz 3 EEG 2023) festgehalten werden soll oder ob der Errichtung von WEA ggf. (teilweise) Raum gegeben werden kann. Der Bundeswehr komme bei dieser gebotenen standortbezogenen Betrachtung ein verteidigungspolitischer Beurteilungsspielraum zu, der von den Gerichten nur beschränkt überprüfbar sei.
Ausblick: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Durch das Urteil des VGH Mannheim wurden die Karten wieder neu gemischt und die Rechtslage zur Errichtung von WEA im Bereich von Hubschraubertiefflugstrecken ist weiterhin nicht final geklärt. Es bleibt abzuwarten, wie das Spannungsfeld in Zukunft von den Gerichten aufgelöst wird – klar ist jedoch auch: Außer der Motivlage der Bundeswehr, die zu dem Vergleich vor dem OVG Münster geführt hat und den Hinweisen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vor dem OVG Münster zur Auseinandersetzung mit Verlegungsmöglichkeiten, ist die überwiegende Rechtsprechung nach wie vor wenig fortschrittlich. Bis dahin kann Projektierer:innen folglich nicht uneingeschränkt geraten werden, klageweise gegen die Bundeswehr vorzugehen.