Windenergie – Prioritätsprinzip: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“
« NewsübersichtSo ist die Devise, wenn zwei Windenergieanlagen in direkter Konkurrenz zueinanderstehen. In einem aktuellen Urteil äußert sich der VGH Mannheim zur rangsichernden Wirkung von Vorbescheid und Vollantrag.
Der VGH hielt sich mit Urteil vom 4. April 2023 (10 S 1388/22) an bereits bekannte Maßstäbe des BVerwG (Beschl. v. 25.6.2020). Nach dem BVerwG ist auch im Verhältnis von immissionsschutzrechtlichem Vorbescheid und Vollbescheid (endgültige Genehmigung) das sog. Prioritätsprinzip anzuwenden. Der VGH beschäftigte sich nunmehr insbesondere mit der Frage unter welchen Voraussetzungen ein Vorbescheid eine rangsichernde Wirkung entfaltet.
Der Sachverhalt: zwei Windenergieanlagen in direkter Konkurrenz
Konkret zu beurteilen war der Fall der Konkurrenz zweier Windenergieanlagen (WEA), die im Abstand von nur 137 m voneinander geplant waren. Aufgrund ihres geringen Abstands zueinander bestünden für die jeweils andere Anlage schädliche Umwelteinwirkungen in Gestalt von beeinträchtigenden Turbulenzen, die insbesondere die Standsicherheit dieser Anlage gefährden würden. Im Verfahren hieß es zu klären, welcher immissionsschutzrechtliche Genehmigungsantrag als vorrangig anzusehen ist – d.h. welcher als erster eingereicht und auch als erster vollständig gewesen ist. Wie auch schon im Fall des BVerwG verkomplizierte sich der Fall dadurch, dass einer der Projektierer sich durch Beantragung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids den Vorrang sichern wollte, während der konkurrierende Planer mit größerem Aufwand – allerdings zeitlich später – einen Antrag auf endgültige Genehmigung einreichte.
VGH Mannheim: Vollständiger, prüffähiger Antrag ist Voraussetzung
Bei der Frage, wann ein vollständiger und damit prüffähiger Genehmigungsantrag vorliegt, orientiert sich der VGH an den Anforderungen des BVerwG. Danach müssen Unterlagen vorliegen, die sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Nicht vollständig sind Unterlagen dann, wenn sie rechtlich relevante Fragen völlig ausblenden. Soweit nichts neues. Doch das Urteil zeigt, dass es immer eine Einzelfallentscheidung bleibt, da es auf die vorgelegten Unterlagen und die Rückmeldungen der Fachbehörden ankommt.
Der Vorbescheid: Muss der Zweck zur Rangsicherung erkennbar sein?
Im vorliegenden Fall lehnte der VGH Mannheim die rangsichernde Wirkung des von der Beigeladenen beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids ab, womit der zeitlich nachgelagerte Antrag der Klägerin auf Genehmigung den Vorrang erhielt. Der Vorbescheidsantrag zielte hier weder darauf ab, die Frage der Zulässigkeit der WEA des Beigeladenen hinsichtlich der sog. Turbulenzintensität im Verhältnis zur WEA der Klägerin zu klären noch, um eine radartechnische Konkurrenz zu klären. Gegenstand des Vorbescheidsantrags war vielmehr nur die allgemeine Frage, ob dem Windkraftvorhaben des Beigeladenen militärische Belange entgegenstünden.
Wie der VGH zum Vorbescheid ausführt, müsse der Antrag – um eine rangsichernde Wirkung zu entfalten – sich auch auf Belange beziehen, die eine Konkurrenz zulassen. Diese sah der Senat im gegenständlichen Antrag für nicht gegeben. Das Urteil ließe sogar die Auslegung zu, dass der Antrag auch erkennen lassen müsse, dass dadurch eine Rechtsposition gegenüber der Konkurrenz gesichert werden soll.
Ausblick: Die Einzelfallprüfung bleibt nicht aus
Mit dem Urteil des VGH Mannheim und dem vorausgehenden Urteil des BVerwG kann insofern von einer gefestigten Rechtsprechung gesprochen werden. Diese lässt aber im Grunde keine Prognose der Erfolgsaussichten zu, ohne jeden Einzelfall präzise zu prüfen, und zwar unter Heranziehung der eigenen Verfahrensakte wie auch der konkurrierenden Akte.