Alkoholerkrankung oder auch Zustand nach Alkoholmissbrauch begründen keine dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit (AtPL)
« NewsübersichtDas Hessische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.08.2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, einem Flugzeugführer und einem Luftfahrtunternehmen, insbesondere nicht gemäß § 20 MTV Cockpit LCAG aufgelöst wird.
§ 20 des Manteltarifvertrages Nr. 1 a für das Cockpitpersonal des beklagten Luftfahrtunternehmens vom 08.06.2001 lautet auszugsweise:
I. Sachverhalt auszugsweise
§ 20 Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(1)
(a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.
(b) Flugdienstuntauglichkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben.
...
Mit Datum vom 15.01.2008 erstellte das Flugmedizinische Zentrum (AMC [Aeromedical Centre]) imDLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), Köln, eine Mitteilung über die Verweigerung eines Tauglichkeitszeugnisses für den Kläger. Am 16.01.2008 widerrief das LBA die Lizenz des Klägers zum Verkehrspiloten. Mit Schreiben vom 04.02.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, gemäß § 20 MTV Nr. 1a ende sein Arbeitsverhältnis zum 30.09.2008 wegen am 15.01.2008 festgestellter dauernder Flugdienstuntauglichkeit. Hiergegen erhob der Luftfahrzeugführer Klage.
In der Folgezeit wurden vom Flugmedizinischen Zentrum (AMC) der Austro Control GmbH, Wien, für den Kläger flugmedizinische Tauglichkeitszeugnisse vom 03.09.2008 ausgestellt. Am 14.07.2010 stellte das Flugmedizinische Zentrum (AMC) im DLR, Köln, dem Kläger ein Tauglichkeitszeugnis aus, das insbesondere ausweist, dass eine Überprüfung nach § 24c LuftVZO stattfand. Am 20.08.2010 erteilte das LBA dem Kläger eine Lizenz.
II. Aus den Entscheidungsgründen
In den Entscheidungsgründen führt das Hessische Landesarbeitsgericht insbesondere aus, dass tarifvertragliche auflösende Bedingungen wie die vorliegende (§ 20 Abs. 1 MTV Nr. 1a) nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für Mitarbeiter des fliegenden Personals zulässig sind, wobei diese Bestimmungen aber restriktiv dahin auszulegen sind, dass das Arbeitsverhältnis des flugdienstuntauglichen Arbeitsnehmers nur dann endet, wenn für ihn auch keine zumutbaren Einsatzmöglichkeiten im Bodendienst mehr vorhanden sind.
1. Keine dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit
Die Kammer vertritt die Ansicht, dass mit der Verweigerung der Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses durch das Flugmedizinische Zentrum (AMC) im DLR, Köln, zwar Flugdienstuntauglichkeit festgestellt wurde, damit sei allerdings noch nicht Flugdienstuntauglichkeit im Sinne des §§ 20 Abs. 1 a MTV Nr. 1a festgestellt. Der manteltarifvertragliche Begriff der Flugdienstuntauglichkeit sei nicht deckungsgleich mit den von einem anerkannten Flugmedizinischen Zentrum nach §§ 24 a ff. LuftVZO zu Grunde zu legenden Bestimmungen über Anforderungen an die Tauglichkeit. Diese bestimmten sich nach den JAR-FCL 3 deutsch. Die Tarifvertragsparteien definieren den Begriff der Flugdienstuntauglichkeit im Rahmen des § 20 MTV Nr. 1a dagegen als das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben, §§ 20 Abs. 1b MTV Nr. 1a. Diese tarifvertragliche Definition ist enger als die nach §§ 24a ff. LuftVZO zu Grund zu legenden Bestimmungen.
Der tarifvertragliche Begriff der Flugdienstuntauglichkeit im Sinne des § 20 MTV Nr. 1 a setzt jedoch auch ein auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhendes Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben, voraus.
§ 20 MTV Nr. 1a setzt daher und somit enger als §§ 24a ff LuftVZO eine dauernde bzw. dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit voraus.
Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts wurde dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit des Klägers mit der Verweigerung der Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses vom 15.01.2008 jedoch gerade nicht festgestellt.
2. Vorschriften der JAR-FCL 3 deutsch maßgebend
Nach weiteren Ausführungen legt die Kammer dar, dass für die Verweigerung der Ausstellung des Tauglichkeitszeugnisses die Vorschriften der JAR-FCL 3 deutsch maßgebend sind, § 24 a Abs. 1 LuftVZO.
Hiernach stellen Alkoholgefährdung, Alkoholerkrankung oder auch der Zustand nach Alkoholmissbrauch für sich allein noch keine Umstände dar, die auch dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit hervorrufen. Die JAR-FCL 3 deutsch sehen vielmehr gerade die Möglichkeit einer späteren Tauglichkeitsbescheinigung vor. Damit kann zwar im Einzelfall Flugdienstuntauglichkeit vorliegen, die auf Grund der Umstände im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verweigerung der Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses führt. Damit ist aber noch nichts zur Dauerhaftigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 a MTV Nr. 1a im Sinne eines unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach nicht behebbaren gesundheitlichen Zustands ausgesagt.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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RA Prof.Dr. Martin Maslaton und RA Christian Frohberg, Tel.: 0341/149500, e-mail: leipzig@maslaton.de, Internet: www.maslaton.de