Auswahlkriterien der Gas- und Stromkonzessionsvergabe bei Rekommunalisierung
« NewsübersichtUrteil des OVG Lüneburg vom 11.09.2013 – Az.: 10 ME 87/12
Das Oberverwaltungsgericht (kurz: OVG) Lüneburg hatte im Rahmen des zitierten Urteils über die Rechtmäßigkeit einer kommunalaufsichtsrechtlichen Beanstandungsverfügung und insbesondere darüber zu befinden, welche Abwägungskriterien eine Kommune bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen in welchem Umfang zu berücksichtigen hat. Die Gemeinde wollte im Rahmen einer Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze die Entscheidung über die Vergabe der Konzession vom kommunalen Einfluss auf die örtliche Energieversorgung abhängig machen und hatte hierfür im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens eine Gewichtung von insgesamt 55 % vorgesehen. Die weiteren, auf § 1 Energiewirtschaftsgesetz (kurz: EnWG) beruhenden Kriterien wie die Versorgungssicherheit und effizienter Betrieb wurden lediglich mit 25 % für die Entscheidung gewichtet.
Die im Rahmen des durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz garantierte gemeindlich Selbstverwaltungsgarantie beruft die Gemeinde zur Vergabe der Konzession von leitungsgebundenen Energien. Die spezialgesetzliche Regelung zur Konzessionsvergabe findet sich in § 46 EnWG, der bestimmt, dass Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, höchstens für die Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden dürfen. Dem Grunde nach besteht Einigkeit darüber, dass das europäische Vergabeverfahren nach §§ 97 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (kurz: GWB) auf die Konzessionsvergabe nicht unmittelbar Anwendung findet. Es ist jedoch verpflichtend vorgesehen, dass ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durch die Gemeinde durchzuführen ist.
Die Gemeinde muss daher im Rahmen der Vergabe bereits im Vorwege die Auswahlkriterien dergestalt konkretisieren, dass diese ausreichend bestimmbar für die Bewerber sind. Ferner gibt § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG vor, dass die Gemeinde bei der Auswahlentscheidung der Konzessionsvergabe den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet ist. Die kommunale Einflussnahme und eine angemessen Beteiligung an der erzielten Deckungsbeiträgen ist von den Zielen nicht erfasst. Ob die beiden vorgenannten Auswahlkriterien überhaupt bei der Auswahl berücksichtigt werden dürfen, ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Das OVG Lüneburg hat nunmehr entschieden, dass zunächst § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG nicht vorgibt, dass allein die Ziele des § 1 EnWG bei den Auswahlkriterien zu berücksichtigen sind. Somit sind insbesondere die kommunale Einflussnahme auf den Netzbetrieb oder auch eine angemessene Beteiligung grundsätzlich zulässig. Das Urteil beschränkt jedoch die Gemeinde dahingehend, dass die Ziele des § 1 EnWG zumindest zu 50 % zu berücksichtigen seien und folglich eine Übergewichtung von 55 % zugunsten einer Rekommunalisierung der Versorgungsnetze nicht dem Gesetzeszweck ausreichend Rechnung trägt.
Die Entscheidung des OVG Lüneburg ist dahingehend zu begrüßen, dass die Gemeinde neben den Zielen des § 1 EnWG auch weitere Auswahlkriterien heranziehen kann. Es muss jedoch bereits im Rahmen der Beschreibung der Auswahlkriterien zwingend auf eine ausreichende Bestimmbarkeit der Kriterien Wert gelegt werden. Die Schwelle einer Gewichtung von 50 % findet zunächst keinen Anknüpfungspunkt im Gesetz. Sicherlich müssen die Ziele des § 1 EnWG angemessen im Rahmen der Konzessionsvergabe Berücksichtigung finden, jedoch muss dies anhand des Einzelfalls bestimmt werden. Jedoch führt das Urteil zunächst zu einer gewissen Rechtssicherheit, dass die Gemeinden im Rahmen der Vergabe zumindest 49 % der Entscheidung vom kommunalen Einfluss abhängig machen könnten.
Rückfragen & weitere Informationen: Prof. Dr. Martin Maslaton und Florian Brahms, Tel.: 0341/149500, E-mail: martin@maslaton.de, Internet: www.maslaton.de