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Datenschutz: Versicherer darf Sachverständigengutachten zur Überprüfung weitergeben

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Eine Haftpflichtversicherung ließ das Gutachten von einem Sachverständigen überprüfen, der selbst Unfallbeteiligter und Anspruchsteller gegenüber der Versicherung war. Dieser aber sah darin eine unzulässige Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten und forderte deren Löschung (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.02.2019, Az. 11 U 114/17).

Sachverhalt

Ausgangspunkt war ein Kfz-Unfall mit Beteiligung eines Kfz-Sachverständigen. Dieser hatte zu dem Unfall ein Gutachten über sein Sachverständigenbüro für sich selbst erstellt und war damit an die Versicherung des einstandspflichtigen Unfallgegners herangetreten. Die Versicherung ließ das Gutachten daraufhin durch eine dritte sachverständige Gesellschaft überprüfen. Zu diesem Zwecke wurde das Erstgutachten, das unter anderem Name, Adresse, Kennzeichen usw. des unfallbeteiligten Sachverständigen beinhaltete, ohne dessen Kenntnis oder Einwilligung an den Dritten weitergeleitet. Die Überprüfung ergab zwar lediglich eine Abweichung in Hinblick auf einen UPE-Aufschlag in Höhe von zehn Prozent und die Versicherung kehrte den um 71,58 Euro verminderten Betrag an den Sachverständigen aus. Dennoch ging dieser gerichtlich gegen die Versicherung vor. Neben dem Differenzbetrag richtete er seine Klage dabei interessanterweise auch auf datenschutzrechtliche sowie urheberrechtliche (betreffend die Bildaufnahmen aus dem Gutachten) Aspekte. So verlangte er unter anderem die Löschung seiner weitergegebenen Daten.

Entscheidung des OLG Frankfurt/M.

Das OLG bestätigte weitgehend die Rechtsauffassung aus der Vorinstanz (LG Frankfurt/M., Urt. v. 07.09.2017, Az. 2-03 O 65/16). Der geltend gemachte Differenzbetrag wurde nicht zugesprochen, weil die Klägerseite entsprechenden Sachvortrag zur Ortsüblichkeit des Aufschlags vermissen ließ. Weiterhin wurden urheberrechtliche Feststellungen abgelehnt, da weder das Vermietungsrecht, das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung noch das Vervielfältigungs- oder Verbreitungsrecht des Sachverständigen als Urheber betroffen waren.

Bemerkenswert sind aber vor allem die Ausführungen des OLG zur Datenverarbeitung und dem geltend gemachten Löschungsanspruch.

Da durch die beantragte Löschung und Unterlassung für die Zukunft sowohl das alte als auch das neue Datenschutzrecht tangiert waren, hatte sich das Gericht in seinem Urteil auch mit den Bestimmungen der DSGVO zu befassen. Im Ergebnis vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Verarbeitung nach alter wie neuer Rechtslage zulässig war und ein Löschungsanspruch nicht besteht. Dabei führt es in dogmatisch nicht ganz korrekter Weise sowohl berechtigte Interessen des beklagten Haftpflichtversicherers als auch einen zugrundeliegenden Auftragsverarbeitungsvertrag ins Feld, indem es die Verarbeitung auf die §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG a.F. i.V.m. § 11 BDSG a.F. stützt.

Dementsprechend lehnte das Gericht den Löschungsanspruch nach alter Rechtslage (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG a.F.) ab, weil die notwendige Voraussetzung einer unzulässigen Speicherung nicht gegeben war. In Bezug auf den Löschungsanspruch nach der DSGVO führt es überdies knapp und zutreffend aus:

„Der Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO scheitert an dem in dessen Absatz 3 Buchst. c geregelten Ausnahmetatbestand. Danach gilt der Löschungsanspruch nicht, soweit die Verarbeitung zur ´Verteidigung von Rechtsansprüchen´ erforderlich ist.“

Gemeint ist damit zwar Art. 17 Abs. 3 lit. e (und nicht lit. c) DSGVO. Die unumgängliche Wirkungsentfaltung des betreffenden Ausnahmetatbestands stellt das Gericht dennoch in erfreulicher Klarheit fest.

Anmerkungen

Das Urteil ist in seinem Ergebnis zu begrüßen. Es weist im Detail aber fragwürdige Ausführungen zum Datenschutzrecht auf. Das OLG befasst sich bei der Suche nach der Rechtsgrundlage der Verarbeitung umfangreich mit dem Vorliegen eines Auftragsverarbeitungsvertrags. Dabei übersieht es, dass die vorliegende Konstellation gar nicht zwingend in das Muster einer Auftragsverarbeitung gezwängt werden muss. Vielmehr greift hier schon Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO (bzw. 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG a.F.). Hiernach ist eine Verarbeitung zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse auf Seiten des Verantwortlichen (hier des Versicherers) besteht und eine Abwägung gegen die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht zu seinen Ungunsten ausfällt. Die Überprüfung eines Gutachtens betreffend den direkt auf das Versicherungsunternehmen gerichteten Zahlungsanspruch (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG) ist dabei als berechtigtes Interesse zu werten. Im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO zu treffenden Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die betroffene Person hier selbst die eigenen Daten für die Anspruchsdurchsetzung preisgegeben hat. Auch sind keine besonders schutzwürdigen sensiblen Datenkategorien betroffen, während das auf der Hand liegende Interesse an der Überprüfung des selbst erstellten Gutachtens schwerlich von der Einwilligung des Erstellers abhängig gemacht werden kann.