Der Dieselskandal bemüht die Gerichte
« NewsübersichtDer Diesel- oder auch Abgasskandal hat mittlerweile zu zahlreichen gerichtlichen Verfahren geführt. Nicht selten kam es bislang infolge großzügiger Vergleichsangebote seitens der Volkswagen AG zu Vergleichen. Daraus resultiert, dass bislang keine höchstrichterliche Entscheidung im Bereich des Abgasskandals gefallen ist und auch Urteile aus der Berufungsinstanz gemessen an der Gesamtzahl der Verfahren rar sind. Aber ein Rückblick auf einige bedeutsame Urteile der jüngsten Rechtsprechung lohnt sich dennoch, wird hierbei doch die Bandbreite der rechtlichen Möglichkeiten sichtbar:
OLG Köln, Beschl. v. 27.03.2018, Az. 18 U 134/17
Das OLG Köln stärkte erneut das Rücktrittsrecht. Demnach ist der Rücktritt vom Kaufvertrag nicht schon deshalb grundsätzlich ausgeschlossen, weil ein Software-Update durchgeführt wurde. Vielmehr trage der Käufer die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlschlagen einer vorgenommenen Nachbesserung nur dann, wenn er diese als Erfüllung angenommen habe. Dies sei nicht der Fall, wenn der Käufer in für den Verkäufer erkennbarer Weise das Update allein zum Zwecke der Sicherung der Zulassung des Fahrzeugs für den Straßenverkehr hinnehme. Er muss in diesem Fall aber konkrete Sachmängel behaupten, die auf das Software-Update zurückzuführen sind, etwa nachteilige Auswirkungen auf Motorleistung, Verbrauch, CO2-Emissionen oder die Lebensdauer des Fahrzeugs.
OLG Köln, Urt. v. 28.05.2018, Az. I-27 U 13/17
Aus einer umfassenden Interessenabwägung folgerte das OLG in diesem Fall, dass das erst später möglich gewordene Update, welches nach Aussage des beklagten Verkäufers lediglich Kosten von weniger als 100 Euro verursache, nicht zu einem Ausschluss des Rücktritts wegen Unerheblichkeit des Mangels führe. Hier erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag gegenüber dem Verkäufer zeitlich vor Bereitstehen einer technischen Lösung in Gestalt des später möglichen Software-Updates für das Fahrzeug. Das OLG Köln entschied, das Fahrzeug sei vom Verkäufer zurücknehmen und der Kaufpreis zu erstatten. Allerdings sei hiervon ein Nutzungswertersatz in Höhe von 8 Cent pro Kilometer zugunsten des Verkäufers abzuziehen. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist zudem die Feststellung des Gerichts, dass eine Frist für die Nachbesserung von nicht mehr als sieben Wochen angemessen ist.
LG Stuttgart, Urt. v. 13.07.2018, Az. 22 O 205/16 u. 22 O 348/16
Ausgangspunkt dieses Zwischenurteils war die Aufforderung des (VW-) Zulieferers Bosch zur Herausgabe von Unterlagen nach § 142 ZPO durch das LG Stuttgart. Bosch wandte gegen die Herausgabe ein Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen ein (§ 384 Nrn. 1 bis 3 ZPO). Die Richter konnten jedoch keinen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden oder eine sich aus der Herausgabe ergebende Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit feststellen. Auch könne sich Bosch nicht auf eine zwischen dem Zulieferer und VW geschlossene Geheimhaltungsvereinbarung berufen. Damit wies das LG Stuttgart die Einwände der Bosch GmbH zurück, welche somit zur Vorlage der Unterlagen verpflichtet war.
LG Stuttgart, Urt. v. 24.10.2018, Az. 22 O 348/16, 22 O 281/16 u. 22 O 101/16
Annähernd 47 Mio. Euro Schadensersatzforderungen setzten Fonds gegen die Dachgesellschaft von VW durch. Gestützt wurden die Forderungen auf die Verletzung kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten seitens der beklagten Porsche Automobil Holding SE. Namentlich betraf dies die verspätete Information – das Unterlassen der sog. Ad-hoc-Mitteilung – der Anleger im Zuge des Abgasskandals und den hieraus entstandenen Kursdifferenzschaden (§ 37b WpHG a.F.). Zudem wurden Pflichtverletzungen durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn festgestellt. Ob der Entscheidung des LG Stuttgart bereits eine Signalwirkung zugeschrieben werden kann, ist derzeit noch fraglich. Die Porsche Automobil Holding SE hatte bereits im Vorfeld sowie unmittelbar nach Verkündung abermals betont, Berufung einlegen zu wollen. Unter anderem bemängelte sie die Entscheidungsfindung durch einen Einzelrichter.
LG Augsburg, Urt. v. 14.11.2018, Az. 21 O 4310/16
Aufsehenerregend war jüngst insbesondere das Urteil des LG Augsburg, in dem ein Käufer erstmals den vollen Kaufpreis (nebst Zinsen) – d.h. ohne sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen zu müssen – erstattet bekam. Im Zentrum des Streits stand ein sechs Jahre altes Fahrzeug, das ebenfalls über die unzulässige Abschalteinrichtung verfügte. Die zuständige Kammer erblickte in dem Einbau der Manipulationssoftware eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB. Demnach stehe dem Käufer Schadensersatz zu, wobei die Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung mit dem Rechtsgedanken des § 826 BGB nicht vereinbar sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob diese sehr käuferfreundliche Entscheidung Bestand haben wird.
VG Mainz, Urt. v. 16.11.2018, Az. 3 L 1099/18.MZ
Auch die Verwaltungsgerichte sind involviert: Der Halter eines PKW, welcher mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war, hatte sich geweigert, sein Fahrzeug einer Nachrüstung zu unterziehen. Die Zulassungsbehörde untersagte ihm daraufhin den Betrieb des betroffenen Fahrzeugs. (Bislang) Erfolglos wehrte der Halter sich gegen die Betriebsuntersagung – sein Eilantrag wurde vom VG Mainz abgelehnt. Das Gericht stellte die Abweichung des Fahrzeugs von der erteilten EG-Typgenehmigung fest. Es entspreche deshalb nicht mehr den Zulassungsvorschriften für den Straßenverkehr, im Weiteren überwiege das öffentliche Interesse an der Luftreinhaltung die wirtschaftlichen Belange des Fahrzeughalters.
OLG Braunschweig, Az. 3 Kap 1/16 (anhängig)
Derzeit noch anhängig ist ein weiteres Verfahren, das richtungsweisenden Charakter erlangen kann. In einem Kapitalanlegermusterverfahren vor dem OLG Braunschweig wird über das Vorgehen von mehr als 2.000 Anlegern gegen die musterbeklagte Volkswagen AG und die Porsche Automobil Holding SE entschieden. Als Musterkläger wurde die Deka Investment GmbH bestimmt. Im Raum stehen nach Aussage der Prozessbevollmächtigten der Musterklägerin Forderungen in einer Gesamtsumme von 9,5 Mrd. Euro, welche von den Klägern als Entschädigung für Kurswertverluste geltend gemacht werden.
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