Tracking pixel Erneuerbare Energien – Katasterämter müssen Eigentümerdaten an Projektierer bereitstellen · MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Erneuerbare Energien – Katasterämter müssen Eigentümerdaten an Projektierer bereitstellen

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Auch das Verwaltungsgericht Leipzig erteilt der Praxis der sächsischen Katasterämter eine Absage: Projektierende haben bereits im frühen Planungsstadium ein „berechtigtes Interesse“ an Eigentümerdaten, auch außerhalb ausgewiesener Vorrang- oder Eignungsgebiete für Windenergieanlagen.

Trotz der Vorgaben des § 2 EEG, zahlreicher Urteile und der Klimaziele der Bundesregierung verweigern die sächsischen Vermessungsbehörden Projektentwicklern im Bereich der Erneuerbaren Energien das notwendige „berechtigte Interesse“ zur Einsichtnahme in Eigentümerdaten. Diese Informationen sind jedoch entscheidend, um frühzeitig zu prüfen, ob Grundstückseigentümer in den Planungsgebieten bereit sind, erneuerbare Projekte zu unterstützen – schließlich haben Flurstücke im Außenbereich regelmäßig keine Klingel.

Mit dem aktuellen Urteil des VG Leipzig (15. August 2024, Az. 4 K 176/23) wurde dieses Vorgehen sächsischer Behörden erneut abgelehnt, und ein weitgehender Zugangsanspruch der Projektierer bestätigt. Damit reiht sich das Urteil in die bisherigen Entscheidungen des VG Dresden (21. Januar 2022, 7 K 780/19 und 6. November 2019, 4 K 5232/17), VG Hannover (25. November 2014, 4 A 6492/13) und VG Frankfurt/Oder (2. April 2019, 7 K 1062/16) - um nur einige zu nennen – ein und stärkt die Position der Projektierer:innen.

Der Sachverhalt: Eigentümerdaten von 46 Flurstücken für 5 Windenergieanlagen

Die Klägerin beantragte für die von der Planung betroffenen 46 Flurstücke online beim zuständigen Vermessungsamt einen Bestandsdatenauszug mit den Eigentümerdaten aus dem amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem. Beigefügt waren neben einer textlichen Antragsbegründung auch die Windparkplanung für fünf Windenergieanlagen mit Anlagenlayout und Abstandsflächen.

Das Katasteramt lehnte den Antrag im Klageverfahren mit folgenden Argumenten ab:

  • Das Gebiet liegt nicht in einem im Regionalplan ausgewiesenen Vorrang- oder Eignungsgebiet für Windenergieanlagen. Die Regionalpläne schlössen die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen außerhalb solcher Gebiete und damit die Notwendigkeit der Kenntnis der Eigentümerdaten explizit aus.
  • Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist ausgeschlossen, da die Gemeinde ihr Einvernehmen im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens verweigern würde.
  • Das beantragte Gebiet sei zu groß und zu unkonkret; für nicht ausgewiesene Gebiete gelten strengere Anforderungen, sodass konkrete Standorte für Windenergieanlagen bereits im fortgeschrittenen Planungsstadium vorliegen müssten.

Das „berechtigte Interesse“ an den Eigentümerdaten

Der Entscheidung liegt insbesondere die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „berechtigten Interesses“ zugrunde und folgt diesbezüglich der Rechtsprechung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshof (9. März 2023 - 13a B 22.1688). Danach ist ein Berechtigtes Interesse „jedes verständige, sachlich gerechtfertigte Interesse des Antragstellers, nicht hingegen die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloße Neugier“ und bedarf folgender 3 Voraussetzungen:

1. Tatsächliches Interesse: 

Es genügt ein bloß tatsächliches, insbesondere auch wirtschaftliches Interesse. Öffentliche Interessen können ebenfalls ein berechtigtes Interesse begründen. Nicht erforderlich ist ein rechtliches Interesse.

2. Interessenabwägung

Das Interesse des Eigentümers am Schutz seiner personenbezogenen Daten ist gegen das Interesse an der Erteilung der Auskunft bzw. Gewährung der Einsicht abzuwägen.

3. Nachvollziehbarer und glaubwürdiger Sachvortrag: 

Der Antragsteller muss einen nachvollziehbaren und glaubwürdigen Sachvortrag vorlegen, aus dem sich die Verfolgung eines berechtigten Interesses hinreichend erschließt.

Der Anspruch auf Übermittlung der Eigentümerdaten

Das VG Leipzig sah diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 4 SächsVermKatG für gegeben an:

1. Tatsächliches Interesse: 

Die Planung und Errichtung eines Windenergieparks liegen im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin als Unternehmerin dieser Branche. Deshlab ist auch in einem möglichst frühen Planungsstadium zu ermitteln, ob die Eigentümer der Potenzialflächen diese zur Verfügung stellen, weil weitere kostspielige Untersuchungen und Planungen nur in diesem Fall sinnvoll sind. Zu diesem wirtschaftlichen Interesse kommt ganz maßgeblich ein öffentliches Interesse hinzu. § 2 Abs. 1 Satz 1 EEG 2023 hebt die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien hervor, zu welchen auch die Windkraft zählt. Danach liegen Errichtung und der Betrieb von solchen Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit.

2. Interessenabwägung:

Bei Namen und Adressen handelt es sich zwar um Informationen mit deutlichem Bezug zur Sozialsphäre der Grundstückseigentümer, nicht jedoch der Privatsphäre. Zum anderen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 EEG 2023 die Erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung einzubringen, solange - wie derzeit noch - die Stromerzeugung im Bundesgebiet noch nicht nahezu treibhausgasneutral ist. Die Interessen des Eigentümers am Schutz seiner personenbezogenen Daten stehen deshalb in aller Regel und auch vorliegend einer Auskunftserteilung nicht entgegen.

3. Nachvollziehbarer und glaubwürdiger Sachvortrag: 

Die Klägerin, Unternehmerin für Windenergieparks und Windenergieanlagen, hat die Lage von den fünf geplanten Windenergieanlagen (inkl. Abstandsflächen nebst Fundamenterhöhungen und Rotorüberflugflächen) flurstückgenau eingezeichnet und nur die Eigentümerdaten zu den tatsächlich und rechtlich direkt betroffen Flurstücken verlangt.

Planungsrechtliche Umsetzbarkeit für Auskunftsanspruch ohne Relevanz

Die planungsrechtliche Umsetzbarkeit der von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen sei – so das VG Leipzig – jedenfalls dann ohne Relevanz, wenn die planungsrechtliche Umsetzbarkeit nicht als offensichtlich unmöglich feststeht. Der Auskunftsanspruch soll berechtigterweise in einem frühen Planungsstadium greifen und der Vorbereitung der sich erst daran anschließenden planungsrechtlichen Fragen dienen. Insbesondere käme einer einfachen Auskunft per Mail der betroffenen Gemeinde jedenfalls nicht die für das Vorhaben ausschließende Verbindlichkeit zu. Ein Fachbereichsleiter der Stadt dürfte nicht ohne Weiteres befugt sein, im Namen der Stadt rechtverbindliche Erklärungen in einem Zielabweichungsverfahren abzugeben. Weshalb der Projektiererin vielmehr weiterhin die Möglichkeit eines Zielabweichungsverfahrens bleibt und in diesem Zuge die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens gerichtlich auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Ausblick: Was braucht es, um die ständige Verwaltungspraxis der Katasterämter zu ändern?

Insgesamt ist am Urteil des VG Leipzig nichts neu, da es nur die Rechtsauffassung der anderen Gerichte bestätigt und (mal wieder) ein sächsisches Katasteramt in die Schranken weist. Auch 5 Jahre nach den Urteilen des VG Dresden hat sich zumindest in Sachsen in der Angelegenheit nichts getan, die Katasterämter halten an ihrer „ständigen Verwaltungspraxis“ fest.

Um sich dieser – dem Gelingen der Energiewende entgegenstehenden – Hürde anzunehmen, hatte das Bundesministerium der Justiz vor ca. einem Jahr (unseren Beitrag lesen Sie hier), einen Referentenentwurf für eine „Verordnung zur Erleichterung der Grundbucheinsicht für Erneuerbare-Energien-Anlagen und Telekommunikationsinfrastrukturen“ veröffentlicht. Mit dem Entwurf sollte das in § 12 Abs. 1 GBO geforderte „berechtige Interesse“ zur Einsichtnahme in der Regel vorliegen, wenn Projektierer erklären die Grundstücke für Erneuerbare-Energien-Anlagen Nutzen zu wollen. Auch wenn schon anzuzweifeln ist, dass mit der Verordnung die Hürden für eine ungehinderte Flächenakquise bei den Kataster- und Vermessungsämtern genommen werden würden, ist ohnehin seit dem veröffentlichten Referentenentwurf im November 2023 dahingehend nichts mehr passiert.

Übrigens: Auch die Photovoltaik-Branche kämpft mit dem Hindernis die Eigentümerdaten zu erhalten. Hierzu wird am 01.11.2024 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig verhandelt – wir werden Sie informiert halten!


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