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Erneuerbare Energien – NRW zieht mit Bürgerbeteiligungsgesetz nach

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Am 1. Januar 2024 ist in Nordrhein-Westfalen ein Gesetz zur Akzeptanzsteigerung gegenüber Windenergieanlagen in Kraft getreten: Ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen, die Vorhabenträger:innen und Kommunen jetzt beachten müssen.

Die Akzeptanz für Erneuerbaren Energien und insbesondere Windenergieanlagen sinkt bei „betroffenen“ Bürger:innen regelmäßig, wenn die Windenergieanlage in der Nachbarschaft errichtet und betrieben werden soll. Dies führt dazu, dass viele Projekte vor Gericht landen und die Energiewende unnötig verzögert wird. Mit der Beteiligung von Bürger:innen durch Beteiligungsgesetze mit dem Ziel der Akzeptanzsteigerung lässt sich dem – je nach Ausgestaltung – gezielt begegnen.

Zu diesem Zweck ist nun auch in Nordrhein-Westfalen am 1. Januar 2024 das Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung (Bürgerenergiegesetz NRW - BürgEnG) in Kraft getretenen.

Das Bürgerenergiegesetz von NRW: Verbindliche Beteiligung und individuelle Flexibilität

Das Bürgerenergiegesetz schafft für Nordrhein-Westfalen eine verbindliche Grundlage für die Beteiligung der Bürger:innen und Standortgemeinden am wirtschaftlichen Ertrag von Windenergieanlagen. Gleichzeitig setzt es sich zum Ziel die Individualität der Projektentwickler, Standortgemeinden und Anwohnern zu berücksichtigen. Die Regelungen im Überblick:

1. Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung

Zunächst sind Anlagenbetreiber:innen verpflichtet, den Standortgemeinden ein Angebot für eine Beteiligungsvereinbarung zu unterbreiten, In dieser Vereinbarung können gemäß § 7 Abs. 3 BürgEnG insbesondere folgende Beteiligungsmodelle geregelt werden:

  • eine Beteiligung an der Projektgesellschaft des Vorhabens oder finanzielle Beteiligung über Anlageprodukte,
  • pauschale Zahlungen an einen definierten Kreis von Anwohner:innen oder Gemeinden,
  • das Angebot über den Kauf einer oder mehrerer Windenergieanlagen,
  • vergünstigte lokale Stromtarife und Sparprodukte, sowie die Finanzierung gemeinnütziger Stiftungen oder Vereine oder
  • die finanzielle, gesellschaftsrechtliche oder anderweitige Beteiligung von Bürgerenergiegesellschaften, Genossenschaften, Gemeinden oder im überwiegenden Eigentum der beteiligungsberechtigten Gemeinden stehenden Unternehmen.


2. Ersatzbeteiligung oder Ausgleichsabgabe in Höhe von 0,8 Cent/kWh

Sollten sich Gemeinde und Vorhabenträger:innen nicht auf eine individuelle Vereinbarung einigen können, ist den beteiligungsberechtigten Kommunen im Rahmen einer sog. Ersatzbeteiligung zumindest ein Angebot zur jährlichen Zahlung in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde über 20 Jahre anzubieten, § 8 Abs. 1 BürgEnG. Dies entspricht dem Umfang der freiwilligen Beteiligung nach § 6 EEG. Zusätzlich müssen die Vorhabenträger:innen den Anwohner:innen eine Offerte für eine Eigenkapitalbeteiligung in Form eines Nachrangdarlehens (mind. 90 000 Euro je Megawatt installierter Leistung) abgeben, § 8 Abs. 2 BürgEnG.

Falls die Vorhabenträger:innen diesen Erfordernissen der Ersatzbeteiligung nicht (fristgerecht) oder nicht in vollem Umfang nachkommen, müssen sie eine Ausgleichsabgabe von 0,8 Cent für die tatsächlich eingespeiste Strommenge und für die fiktiven Strommengen zahlen, § 9 BürgEnG.


3. Online-Transparenzplattform:

Durch eine Online-Transparenzplattform sollen Bürger:innen und Standortgemeinden in die Lage versetzt werden, angewandte Beteiligungsmodelle zu vergleichen, um zu sachgerechten Beteiligungsvereinbarungen zu kommen. Zudem soll damit die Öffentlichkeit über die vielfältigen Beteiligungsmodelle informiert werden, § 11 BürgEnG.


Fehlentwicklung der Beteiligungsgesetze: unzureichende Berücksichtigung kommunaler Interessen

Die gelungene Ausgestaltung eines Beteiligungsgesetzes kann eine Akzeptanzsteigerung gegenüber den Erneuerbaren Energien bewirken und mittelbar zu einer Beschleunigung der Energiewende beitragen. Der Erfahrung nach besteht jedoch die Gefahr, dass gesetzliche Beteiligungspflichten auch die gegenteilige Wirkung entfalten können.

Der Fokus sollte daher nicht auf eine bloß finanzielle Beteiligung beschränkt bleiben, sondern auf konkrete Vorhaben vor Ort gelegt werden, die das soziale und kulturelle Leben sowie die Verkehrsinfrastruktur stärken (z.B. Ladesäulen, Kultur- und Sporteinrichtungen). Das Bürgerenergiegesetz von NRW sieht derartige Beteiligungsmöglichkeiten nicht unmittelbar vor (lediglich die Finanzierung gemeinnütziger Stiftungen oder Vereine ist vorgesehen). Zu beobachten wird sein, ob sich im Rahmen der Beteiligungsvereinbarung nach § 7 Abs. 3 daher eine Öffnungsklausel („insbesondere“) etablieren wird, die es den Kommunen im Zusammenspiel mit den Vorhabenträger:innen erlaubt, flexible Lösungen für die Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort zu finden. Andernfalls wird sich die Beteiligung von Kommunen und Bürger:innen bei Windenergievorhaben in NRW auf eine finanzielle Beteiligung beschränken.

Steigende Belastung der Betreiber:innen

Abschließend ist auf ein ganz anderes Problem der Beteiligungsgesetz hinzuweisen: Nicht zuletzt ist die zunehmende Übertragung politischer Aufgaben – wie die Akzeptanzsteigerung – auf die Windenergie-Branche eine besondere Herausforderung für kleinere oder junge (Energie-)Unternehmen. Eine zu hohe finanzielle oder bürokratische Belastung der Anlagenbetreiber birgt auf lange Sicht das Risiko einer „Re-Monopolisierung“ der Branche.