Erneuerbare Energien – Sachsen bringt Beteiligungsgesetz auf den Weg
« NewsübersichtSachsens Gesetzesentwurf zur Ertragsbeteiligung von Kommunen an Windenergieanlagen und Photovoltaik-Freiflächenanlagen: Zum Potenzial und den Schwachstellen des Entwurfs – das erwartet Vorhabenträger und Investoren in Sachsen.
Neben der Bereitstellung von geeigneten Flächen ist auch die gesellschaftliche Akzeptanz für Erneuerbare-Energien-Anlagen essenziell für den Erfolg der Energiewende. Daher strebt auch Sachsen nun eine verpflichtende finanzielle Beteiligung von Kommunen an Windenergie- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen an, mit dem Ziel den Ausbau der Erneuerbaren Energien durch eine Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz zu beschleunigen. Der Entwurf des Gesetzes zur Ertragsbeteiligung von Kommunen an Windenergie- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen (SächsEEBeteilG) ist nun im parlamentarischen Verfahren.
Ein Blick auf die einzelnen Regelungen zeigt, welche Chancen für Kommunen und Betreiber im Entwurf stecken und was berücksichtigt werden sollte.
Zahlungsverpflichtung (§ 4): Mehrbelastung für Betreiber zu erwarten
In § 4 des Entwurfs ist die Höhe der Zahlungsverpflichtung geregelt, wonach 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge sowie die fiktive Strommenge an die berechtigten Gemeinden zu zahlen sind. Diese Regelung könnte Betreiber gleich vor zwei (vermeidbare) Herausforderungen stellen:
1. Keine Erstattungsmöglichkeit der Zahlungen:
Zum einen sieht die Zahlungsverpflichtung in § 4 – anders als im Rahmen von § 6 Abs. 5 EEG – keine Erstattungsmöglichkeit vor. Während nach der bundeseinheitlichen Regelung des § 6 EEG sich Anlagenbetreiber derzeit regelmäßig einen erheblichen Teil der Zahlungen an die Kommunen beim Netzbetreiber wieder zurückholen können, würde die Zahlungsverpflichtung nach dem sächsischen Entwurf eine Mehrbelastung für Anlagenbetreiber darstellen, denn: § 6 EEG 2023 findet auf den sächsischen Entwurf keine Anwendung.
2. Zahlungspflicht auch für fiktive Strommengen:
Zum anderen muss bei Windenergie- und Photovoltaikanlagen auch für die fiktiven Strommengen beteiligt werden. Das ist zwar bei Windenergieanlagen nach § 6 EEG bislang auch schon möglich, stellt die Anlagenbetreiber dort aber vor große Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern, da sich noch kein einheitlicher Weg der Abrechnungsmodalitäten und der Bemessung der fiktiven Strommengen herausgebildet hat. Der sächsische Gesetzgeber würde damit die Anlagenbetreiber von Photovoltaikanlagen (und WEA) trotz der negativen Erfahrungen bei Windenergieanlagen in erheblichen Verwaltungsmehraufwand schicken, weil sie damit zwei Abrechnungen machen müssten.
Gerade die Zahlungsverpflichtung für die fiktiven Strommengen ließe sich leichter umsetzen bzw. umgehen, wie u.a. der Entwurf von Sachsen-Anhalt zeigt. Dort soll die Zahlungspflicht pro installierte Kilowattstunde erfolgen (6 Euro für WEA bzw. 3 Euro für PVA). Das ist nicht nur leichter für Anlagen- und Netzbetreiber zu berechnen, sondern auch vorteilhaft für Kommunen. Denn diese könnten von vornherein mit festen Einnahmen für ihren Haushalt rechnen, unabhängig davon, ob der Strom tatsächlich eingespeist wird oder ob es um fiktive Strommengen geht.
Die Individualklausel (§ 5 Abs. 1): Maximale Freiheit über Beteiligungsmodelle
Wesentlicher Schlüssel für die Erreichung der gesetzgeberischen Intention, der Stärkung der Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber den Erneuerbaren Energien, ist die Individualklausel in § 5 des Entwurfs: Alternativ zur Zahlungsvereinbarung ist eine Individualvereinbarung möglich. Diese erlaubt es Betreibern und Kommunen, andere Beteiligungsmodelle vertraglich zu vereinbaren, wobei der Entwurf nicht auf bestimmte Modelle beschränkt ist, sondern den Parteien maximale Flexibilität gewährt. Im besten Falle wird dies von Kommunen und Betreibern genutzt, auf die Bedürfnisse der Kommune und ihrer Bevölkerung vor Ort zugeschnittene Maßnahmen und Projekte zu realisieren.
Lediglich der wirtschaftliche Wert der Individualvereinbarung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Zahlungsverpflichtung gemäß § 4 stehen. Dadurch soll verhindert werden, „dass durch eine unverhältnismäßig hohe Beteiligung eine Unrechtsvereinbarung getroffen wird, welche trotz Legitimation durch das Gesetz die Straftatbestände der §§ 331-334 Strafgesetzbuch erfüllen könnte.“ Eine angemessene Vereinbarung findet nach der Gesetzesbegründung ihre Grenzen, „wenn deren wirtschaftlicher Wert zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zwischen dem halbem und dem doppelten Wert der Zahlungsverpflichtung nach § 4 liegt,“ wobei auch nicht-monetäre Faktoren wie die Bedeutung einer Anlage für den Wirtschaftsstandort einer Gemeinde berücksichtigt werden können. Die Gemeinden sind jedoch unabhängig des gewählten Modells an die vorgegebenen weitgefassten Verwendungszwecke nach § 6 des Entwurfs [M1] gebunden.
Neu: Individualvereinbarung auch für Bestandsanlagen möglich (§ 5 Abs. 2)
Der zweite Absatz der Individualklausel (§5) ermöglicht auch für Bestandsanlagen nachträgliche Individualvereinbarungen mit Kommunen – eine Regelung, die bislang in keinem anderen Landesgesetz zur Beteiligung vorkommt. Lediglich die freiwillige finanzielle Beteiligung für Kommunen an bestehenden Windenergie- und Freiflächenanlagen ist aufgrund Bundesrecht (§100 Absatz 2 EEG i.V.m. §6 EEG) bislang möglich.
Die beabsichtigte Ausweitung der Beteiligungsmöglichkeit in Sachsen im Rahmen der Individualvereinbarung könnte für alle Beteiligten das Potenzial entfalten, konkrete Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung in den Kommunen zu realisieren – im Interesse sowohl der Kommunen, aber auch der Anlagenbetreiber. So könnten Kommunen lokale Projekte (wie z.B. Wärmenetze oder Ladeinfrastruktur) realisieren, während Betreiber (z.B. ortsansässige Unternehmen und Landwirte) mit der Unterstützung derartiger Maßnahmen die Akzeptanz vor Ort stärken könnten, um zukünftige Erneuerbare-Energien-Projekte zu erleichtern.
Ausblick: Entwurf hinterlässt Unklarheiten und Unsicherheiten
Grundsätzlich ist der Entwurf des sächsischen Beteiligungsgesetzes zu begrüßen. Sachsen würde mit der Verabschiedung einen lange überfälligen Anreiz für Kommunen schaffen, nicht wie bislang dem Ausbau der Erneuerbaren Energien (insbesondere von Windenergieanlagen) den Weg zu versperren. Dies über eine verpflichtende kalenderjährliche Zahlung in Kombination mit einer Individualvereinbarung zu regeln, ist mittlerweile die favorisierte Lösung in vielen Bundesländern. Der sächsische Entwurf fällt dabei in positivem Sinne durch seinen unbürokratischen und pragmatischen Charakter auf.
Gleichzeitig lässt der Entwurf an entscheidenden Stellen konkrete Leitlinien / Regelungen vermissen. Hierunter leidet insbesondere die Individualvereinbarung nach § 5 des Entwurfs. So ist u.a. nicht eindeutig geregelt, in welchem Zeitrahmen die Individualvereinbarung abzuschließen ist und ob bis zum Abschluss – also während der Verhandlungen über die Individualvereinbarung – die Zahlungsverpflichtung aus § 2 i.V.m. § 4 greift. Hier besteht die Gefahr, dies zunächst auf dem Rechtsweg klären zu müssen. Auch den Inhalt der Individualvereinbarung vollständig in das Benehmen der Kommunen und Betreiber zu stellen, bietet zwar einerseits den notwendigen Spielraum, ist allerdings mit gewissen Realisierungsrisiken sowie rechtlichen Unsicherheiten verbunden. Wünschenswert wäre es an dieser Stelle, einen Gradmesser als Orientierung festzulegen, beispielsweise durch die Aufnahme von Regelbeispielen – ähnlich wie im Gesetzentwurf in Thüringen.
Daher bleibt abzuwarten, wie sich das weitere Gesetzgebungsverfahren entwickelt und inwiefern die Stellungnahmen der Branchenverbände berücksichtigt werden.
Anmerkung: Neuverabschiedung von § 20 Abs. 3 LPlG hinweisen
Mitenthalten im Gesetzesentwurf ist ebenfalls die Neuverabschiedung des § 20 Abs. 3 LPlG, der die Zuständigkeiten im Zielabweichungsverfahren regelt. Denn aufgrund der Novellierung des § 6 Absatz 2 ROG (BGBl. 2023 I Nr. 88) bestünde mit der aktuellen Fassung ein Widerspruch zum Bundesrecht. Mit der Neufassung wird damit zu rechnen sein, dass die Flexiklausel in Kürze wieder anwendbar sein wird.