Erweiterung der Klagebefugnis für Umweltverbände = Erschwerung von Windenergieprojekten
« NewsübersichtAuswirkung des Urteils des EuGH v. 12.05.2011
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 12.05.2011 (Az. C -115/09) die Rolle von Umweltschutzverbänden im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie bei der gerichtlichen Überprüfung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen erheblich gestärkt. Nach dem Urteil des EuGH steht Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die Umweltschutzverbänden die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen die Genehmigung von Projekten, die „möglicherweise Auswirkungen auf die Umwelt haben“, verwehren, wenn die Umweltschutzverbände lediglich die Verletzung von Vorschriften geltend machen, die die Allgemeinheit, nicht aber die Rechte Einzelner schützen.
Im dieser Entscheidung vorangegangenen Verfahren ging es um die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Steinkohlekraftwerks, das in der Nähe von Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FFH-Gebiete) errichtet werden sollte. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erhob vor dem OVG Nordrhein-Westfahlen Anfechtungsklage gegen die Genehmigung und rügte den Verstoß gegen Vorschriften zur Umsetzung der Habitatrichtlinie (92/43/EWG). In der Sache schloss sich das OVG dieser Ansicht an, legte allerdings die Frage der Zulässigkeit dieser Verbandsklage dem EuGH vor. Es stellte dem EuGH dar, dass nach deutschem Verwaltungsprozessrecht und dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) Verbandsklagen nur zulässig seien, wenn die Verletzung der Rechte Einzelner geltend gemacht wird. Die von Umweltschutzverbänden normalerweise geltend gemachten Rechtsverletzungen bezögen sich allerdings i.d.R. auf Vorschriften, die dem Schutz der Allgemeinheit und nicht der Rechte Einzelner dienen. Damit beeinträchtige nach Ansicht des OVG die Beschränkung der Klagebefugnis für Verbände nach deutschem Recht die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 85/337/EWG.
Dieser Ansicht schloss sich der EuGH an. Nationale Regelungen, nach denen Umweltverbandsklagen nur bei Geltendmachung der Verletzung drittschützender Normen zulässig sind, stehen dem mit der Richtlinie 85/337/EWG verfolgten Ziel des weiten Zugangs der Öffentlichkeit zu den Gerichten entgegen. Nach Art. 10a Abs. 1 der Richtlinie haben Umweltverbände unabhängig vom Schutzgut der Norm, deren Verletzung geltend gemacht wird, ein Recht auf Zugang zu einem gerichtlichem Überprüfungsverfahren, um die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen anzufechten.
Zwar ist die Entscheidung des EuGH lediglich für die beteiligten Prozessparteien und nicht für die Allgemeinheit bindend. Jedoch ist in jedem gerichtlichen Verfahren, in dem, wie hier, die Klagebefugnis eines Umweltschutzverbandes streitig ist, zumindest die letzte Instanz verpflichtet, diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Dieser wird an der grundlegenden Entscheidung, Popularklagen im Umweltschutzrecht zuzulassen festhalten. Damit hat das Verbot der Popularklage, eines der Grundprinzipien des deutschen Verwaltungsprozessrechts, zukünftig für Umweltverbände keine Geltung mehr. Das Klagerecht von Umweltverbänden, wird aufgrund der
unionsrechtlichen Vorgaben erheblich ausgeweitet.
Dies erschwert im Ergebnis die Planung und Durchführung insbesondere von Windenergieanlagenprojekten. Während bisher die Anfechtung einer fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung durch Dritte (Verbände) nur möglich war, wenn eine erforderliche Prüfung oder Vorprüfung nicht durchgeführt wurde, können jetzt darüber hinaus Fehler im Verlauf der UVP und Verstöße gegen sämtliche Regelungen des UVP-Rechts durch Umweltschutzverbände ggf. gerichtlich gerügt werden. Für Windenergieprojekte hat das zur Konsequenz, dass die Regelungen zur UVP-Pflicht und zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung im konkreten Einzelfall sehr sorgfältig abgearbeitet werden müssen, um das hohe Risiko von Drittanfechtungen und Realisierungsverzögerungen so gering wie möglich zu halten.
Rückfragen & weitere Informationen: Prof. Dr. Martin Maslaton, Tel.: 0341/149500
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