Großer Senat des BFH verwirft den Sanierungserlass des BMF
« NewsübersichtMit Beschluss vom 28.11.2016 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass die im sogenannten Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)1 vorgesehenen Steuerbegünstigungen von Sanierungsgewinnen gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen.2
Diese Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 beendet die in der Rechtsprechung und im Schrifttum lange und kontrovers geführte Diskussion, ob der von der Finanzverwaltung bislang angewendete Sanierungserlass noch eine gesetzliche Grundlage hat.
1. Hintergrund – Der Sanierungserlass des BMF
Das Bundesfinanzministerium hat sich mit seinem Schreiben vom 27.03.2003 und ergänzt durch sein weiteres Schreiben vom 22.12.2009 zur Stundung und zum Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne positioniert.
Als Sanierungsgewinne werden hiernach die Gewinne bezeichnet, die durch den Forderungsverzicht von Gläubigern entstehen.
In diesem Zusammenhang ist problematisch, dass die gesetzliche Grundlage in § 3 Nr. 66 EStG a. F., die diesem Sanierungserlass ursprünglich zugrunde lag, mit der Folge gestrichen wurde, dass ab dem 01.01.1998 solche Gewinne steuerpflichtig sind.
Aufgrund der Tatsache, dass die womöglich entstehende Steuer, wenn diese Sanierungsgewinne höher sind als die laufenden Verluste und die Verlustverträge, die etwaige Rettung insolvenzgefährdeter Unternehmen zu gefährden vermag, stellte sich bei einem Forderungsverzicht im Zuge der Sanierung regelmäßig die Frage, ob das Finanzamt auf die Besteuerung der Sanierungsgewinne aus Gründen der sachlichen Billigkeit verzichten kann.
Vor diesem Hintergrund hat das BMF in diesem sogenannten Sanierungserlass, der sich auf die Billigkeitsregelungen der § 163 und § 227 AO stützt, in einer allgemeinverbindlichen Verwaltungsanweisung geregelt, dass Ertragsteuern auf einen Sanierungsgewinn unter ähnlichen Voraussetzungen wie unter der früheren Rechtslage erlassen werden können.
2. Die Entscheidung des Großen Senats
Nach diesem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 verstößt der Sanierungserlass des BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Der Große Senat des BFH begründet diese Entscheidung unter anderem damit, dass der Gesetzgeber im Jahr 1997 ausdrücklich entschieden habe, dass Sanierungsgewinne der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen sollen, indem er die hierfür bis dahin in § 3 Nr. 66 EStG a. F. reglementierte Steuerbefreiung abschaffte.
Der Finanzverwaltung sei es verwehrt, diese Gewinne aufgrund eigener Entscheidung gleichwohl von der Besteuerung zu befreien.
Sie verstoße nach Auffassung des Großen Senats des BFH gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, indem sie mit dem Sanierungserlass die Besteuerung eines trotz Ausschöpfung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinns unter Bedingungen, die der damaligen gesetzlichen Steuerbefreiung ähnlich sind, allgemein als sachlich unbillig erklärt und von der Besteuerung ausnimmt.
Die Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen, die in diesem Sanierungserlass des BMF aufgestellt worden sind, beschreiben keinen Fall sachlicher Unbilligkeit im Sinne der §§ 163, 227 AO.
Das Bundesministerium der Finanzen nehme mit dieser Schaffung typisierender Regelungen für einen Steuererlass außerhalb der nach §§ 163, 227 AO im Einzelfall möglichen Billigkeitsmaßnahmen eine strukturelle Gesetzeskorrektur vor, womit das BMF sowohl das in Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich als auch das in § 85 Satz 1 AO einfachrechtlich normierte Legalitätsprinzip verletze.
3. Ausmaß und Bedeutung dieser Entscheidung des Großen Senats des BFH
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des Großen Senats des BFH muss man davon ausgehen, dass finanzgerichtliche Klagen mit dem Ziel, eine Steuerbegünstigung auf der Grundlage des Sanierungserlasses des BMF zu erlangen, keinen Erfolg mehr haben werden.
Von dieser Entscheidung des Großen Senats des BFH bleiben jedoch auch künftig individuelle Billigkeitsmaßnahmen, die auf besonderen Gründen des Einzelfalls beruhen, die außerhalb des Sanierungserlasses liegen, wie beispielsweise persönliche Billigkeitsgründe, unberührt.3
Abzuwarten und spannend bleibt die offene Beantwortung Frage, wie sich der Gesetzgeber, der durchaus die Möglichkeit hat, rückwirkend eine gesetzliche Grundlage für die weitere Anwendung des Sanierungserlasses zu schaffen, zu diesem Beschluss des Großen Senats des BFH positionieren wird.
Rückfragen und weitere Informationen:
Rechtsanwalt Christian Frohberg, E-Mail: frohberg@maslaton.de
Telefon: 0341 – 149 50 0, Internet: www.maslaton.de
1 BMF-Schreiben vom 27.03.2003, IV A 6 S 2140 8/03, BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009, IV C 6 S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18
2 BFH, Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15
3 BFH, Pressemitteilung Nr. 10/17 vom 07.02.2017 zum Beschluss GrS 1/15 vom 28.11.2016