Höchste Sorgfalt ist geboten
« NewsübersichtWill die Gemeinde den Windenergieausbau über ihren Flächenutzungsplan steuern, steht sie vor großen Herausforderungen. Die Zuweisung von Anlagenstandorten muss sauber begründet sein, sonst wird die ganze Planung vor Gericht „kassiert“.
Vielfach stehen Gemeinden vor der Frage, ob sie sich im Bereich der Windenergienutzung steuernd betätigen und auf der Ebene der Flächennutzungsplanung bestimmte Flächen innerhalb ihres Hoheitsgebietes der Windenergienutzung zur Verfügung stellen und Windkraftanlagen damit an anderer Stelle ausschließen. Der Steuerungsvorbehalt des Paragrafen 35 Abs. 3 S. 3 Baugesetzbuch (BauGB) gibt ihnen hierzu die Möglichkeit. Will eine Kommune sie nutzen, muss sie sich bewusst sein, dass sie bei der Erarbeitung des hierfür erforderlichen schlüssigen Planungskonzeptes unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung vor enormen Herausforderungen stehen wird. Diese lassen sich der Erfahrung nach wohl nur mit Unterstützung eines im Bereich der Windenergienutzung kompetenten Planungsbüros und einer umfassenden rechtlichen Beratung meistern.
Verschärfte Anforderungen
Die außergebietliche Ausschlusswirkung einer Konzentrationsflächenplanung hat zur Folge, dass erhöhte Anforderungen an die inhaltliche Begründung einer solchen Standortplanung gestellt werden; dem Plan muss ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen (BVerwG vom 13. März 2003 – AZ 4 C 4/02). Die Anforderungen für ein solches Planungskonzept wurden nunmehr ausgehend von dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 (AZ 4 CN 1.11 und 2.11) durch die aktuelle Rechtsprechung konkretisiert und gravierend verschärft. Danach vollzieht sich die Ausarbeitung eines schlüssigen Planungskonzeptes zwingend abschnittsweise. Im ersten Abschnitt sind diejenigen Bereiche als „Tabuzonen“ zu ermitteln, die sich für die Nutzung der Windenergie nicht eignen. Diese Zonen lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Nämlich in Zonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen „schlechthin“ ausgeschlossen sind (harte Tabuzonen) und in Zonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen zwar möglich sind, in denen nach den städtebaulichen Vorstellungen aber keine Windenergieanlagen aufgestellt werden sollen (weiche Tabuzonen). Diese Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen hat sich der Plangeber bereits auf der ersten Stufe der Planung bewusst zu machen und diesen Prozess zu dokumentieren. Dabei sind harte Tabuflächen einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen gänzlich entzogen (BVerwG vom 11. April 2013 – AZ 4 CN 2.12). Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Sie dürfen jedoch anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Nach Abzug der harten und weichen Tabuzone auf der
ersten Planungsstufe bleiben sogenannte Potenzialflächen übrig, die für Konzentrationsflächen in Betracht kommen. Diese sind in einem zweiten Planungsschritt durch individuelle Abwägung zu etwaigen gegenläufigen öffentlichen oder privaten Interessen in Beziehung zu setzen. In einem dritten Schritt schließlich ist zu kontrollieren, ob auf Grundlage dieses Plankonzeptes der Windenergienutzung tatsächlich substanziell Raum verschafft wurde. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, hat der Plangeber sein Konzept, insbesondere hinsichtlich der weichen Tabuzonen zu überdenken und zu ändern.
Planungen vielfach rechtswidrig
In der Konsequenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist festzustellen, dass derzeit in zahlreichen Gerichtsverfahren, die eine Überprüfung von Flächennutzungsplänen, aber auch Regionalplänen beinhalten, in erster Linie über drei Fragen gestritten wird: Hat der Plangeber hinreichend zwischen harten und weichen Tabuzonen differenziert? Wurden bestimmte Kriterien unberechtigt den harten Tabuzonen zugeordnet? Wurde die erforderliche Kontrollprüfung der substanziellen Raumverschaffung unterlassen beziehungsweise nach fehlerhaften Maßstäben vorgenommen? Vielfach wurden die Planungen von den Gerichten als unwirksam betrachtet (vgl. OVG Lüneburg vom 23. Januar 2014 – AZ 12 KN 285/12; OVG Münster vom 1. Juli 2013 – AZ 2 D 46/12; ebenfalls bereits OVG Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2011 – AZ 2 A 2/09). Mithin bleibt festzuhalten, dass auf kommunaler Ebene dringend geprüft werden sollte, inwieweit bestehende Flächennutzungspläne mit Konzentrationszonen für Windenergieanlagen unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung in ihrem Bestand gefährdet sind und daher eine planerische Überarbeitung geboten ist. Jedenfalls müssen die Gemeinden bei einer aktuell oder künftig anstehenden Aufstellung oder Änderung eines Flächennutzungsplans mit dem Ziel einer Standortzuweisung für die Windenergienutzung höchste Sorgfalt an den Tag legen.
Dr. Dana Kupke