Investitionsbeschleunigungsgesetz tritt in Kraft
« NewsübersichtMit heutiger Verkündung im Bundesgesetzblatt tritt das Investitionsbeschleunigungsgesetz in Kraft. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die verwaltungsrechtliche Praxis, insbesondere im Hinblick auf Windenergieprojekte.
Hierzu berichteten wir bereits am 24.11.2020: Windenergie: Bundestag nimmt Gesetzesentwurf zur „Beschleunigung von Investitionen“ an - Jetzt geht alles schneller? - MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Im Wesentlichen beinhaltet das Gesetz Reformen, die zum einen Verkürzung des Instanzenzuges vorsehen und zum anderen die aufschiebende Wirkung von Drittrechtsbehelfen gegen Windenergieanlagen entfallen lassen.
Nach dem neuen § 48 Abs. 1 Nr. 3a VwGO sind künftig die Oberverwaltungsgerichte (OVG) für sämtliche Streitigkeiten erstinstanzlich zuständig, die die Errichtung, den Betrieb oder die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern betreffen. Neben der Eingangszuständigkeit ändern sich somit auch die möglichen Rechtsmittel, da gegen das Urteil des OVG nur die Revision bzw. die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist.
§ 63 BImSchG sieht vor, dass künftig die aufschiebende Wirkung von Drittwidersprüchen- und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern betreffen, entfällt. Hiermit trifft der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung, indem er anerkennt, dass der Ausbau der Windenergie an Land grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt.
Neben diesen eher politischen Erwägungen, stellen sich der juristischen Praxis im Hinblick auf die bereits laufenden Verfahren eine Vielzahl von prozessualen Fragen. Dies liegt insbesondere daran, dass es der Gesetzgeber versäumt hat, klare Übergangsregelungen zu schaffen. So ist zum Beispiel fraglich, ob Verfahren, die bereits erstinstanzlich vor den Verwaltungsgerichten anhängig sind, nun an das OVG abzugeben sind.
Während sich diese Frage wohl noch relativ eindeutig damit beantworten lässt, dass eine einmal begründete Gerichtszuständigkeit nicht mehr nachträglich geändert werden kann, ist die dogmatische Begründung für eine Übertragung dieses Grundsatzes auf laufende Berufungszulassungsverfahren komplexer. Auch hier ist jedoch im Ergebnis davon auszugehen, dass die laufenden Verfahren bei den OVGs anhängig bleiben.
Wesentlich uneindeutiger stellt sich der praktische Umgang mit den reformierten Regelungen zur aufschiebenden Wirkung von Drittrechtsbehelfen dar. Obwohl der § 63 BImSchG dem § 212a BauGB nachempfunden ist, dürfte künftig streitig sein, ob der neu eingeführte Wegfall der aufschiebenden Wirkung auf laufende Rechtsbehelfsverfahren anzuwenden ist. Die besseren Argumente sprechen letztlich jedoch für eine Anwendung, so dass seitens des Vorhabenträgers etwaige Anträge auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen zurückzunehmen und entsprechende Gerichtsverfahren für erledigt zu erklären sind. Drittanfechtungsrechtsbehelfe müssen umgestellt werden und dürften an Schärfe verlieren – was nicht zwangsläufig im Interesse der Projektierer sein dürfte.
Auch weiterhin bleibt abzuwarten, ob das verkündete Reformpaket die erhoffte Verkürzung der überlangen Gerichtsverfahren in Bezug auf Windenergieanlagen zur Folge hat. Die im Investitionsbeschleunigungsgesetz vorgesehene Beschleunigung von Gerichtsverfahren durch frühe mündliche Verhandlung liest sich gut, lässt jedoch Fragen nach der Umsetzung offen. Auch die Frage der personellen Verfügbarkeit an den OVGs bleibt noch zu klären. Die Justizministerien der Länder könnten sich hier kurzfristig mit Abordnungen behelfen – die Schaffung von „Windenergie-Senaten“ bleibt den OVGs jedoch selbst überlassen.
Fazit: Es ist in jedem Fall begrüßenswert, dass der Gesetzgeber sich dieses Problems angenommen hat. Inwiefern die Umsetzung gutes bringt bleibt abzuwarten. Neben dieser allgemeinen Wertung ist es eine unmittelbare Aufgabe für alle Branchenteilnehmer nun sorgsam zu prüfen, ob in laufenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unmittelbar Handlungen nötig sind, um etwaige Verfahrensvorteile zu sichern.