Kommt ein Planungssicherstellungsgesetz?
« NewsübersichtI. Einleitung
Am 29.04.2020 wurde im Bundeskabinett das Planungssicherstellungsgesetz beschlossen. Der Vorschlag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ist eine Reaktion auf die allseits um sich greifende Corona-Pandemie.
Sowohl bei Planaufstellungen, als auch bei Genehmigungsverfahren und weiteren Verwaltungsverfahren bedarf es der Durchführung von Öffentlichkeitsbeteiligungen, Erörterungsterminen und mündlichen Verhandlungen. Dabei war bisher die physische Anwesenheit von Personen immer noch zwingende Voraussetzung. Die Kontaktverminderungsmaßnahmen aufgrund der Covid19-Krise führen nicht nur zur Einschränkung von privaten Zusammenkünften, sondern erschweren auch die Einsichtnahme in maßgebliche Planungsunterlagen, wenn die zuständigen Behörden nicht mehr im früheren Maße für den Publikumsverkehr geöffnet sind. Öffentliche Versammlungen sind überhaupt nicht mehr möglich. Dies bringt zahlreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren in die Gefahr des Stockens und letztlich in die Gefahr des Scheiterns.
Daher ist die Initiative der Bundesministerien diesem Problem entgegenzuwirken zu begrüßen. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit der Öffentlichkeitsbeteiligung über das Internet vor. Dabei werden die Verfahrensvorschriften nicht nur für die Umweltverträglichkeitsprüfung, das Baugesetzbuch und das Bundesimmissionsschutzgesetz, sondern auch für das Raumordnungsgesetz, das Energiewirtschaftsgesetz und viele weitere Gesetze geregelt. Der Sprung in die Digitalisierung wird hier jedoch nicht vollständig gewagt.
II. Inhalt des Gesetzesentwurfs
1. Auslage von Unterlagen
§ 2 Abs. 1 S. 2 des Plansicherstellungsgesetzes ermöglicht eine ortsübliche und öffentliche Bekanntmachung für Verfahren nach den in „§ 1 Anwendungsbereich“ des Gesetzesentwurfs genannten Verfahren via Internet, wenn die jeweilige Bekanntmachungsfrist spätestens mit Ablauf des 31.03.2021 endet. Die Abgabe von Erklärungen zur Niederschrift bei der Behörde kann gemäß § 4 Abs. 1 ausgeschlossen werden, wenn die genannte Erklärungsfrist abläuft und die zuständige Behörde festgestellt hat, dass innerhalb der Erklärungsfrist eine Entgegennahme zur Niederschrift nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein würde.
Bisher wurden die zuständigen Behörden durch § 27a des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) dazu angehalten, Unterlagen additiv zur analogen Auslegung im Internet zu veröffentlichen. Der Kabinettsbeschluss sieht nun in § 3 Abs. 1 S. 1 vor, dass die Auslegung ersatzweise im Internet erfolgen kann. Weiter heißt es im Wortlaut, dass für die Veröffentlichung im Internet § 27a Abs. 1 S. 2 VwVfG entsprechend gilt. In der Bekanntmachung ist der Auslegung ist nunmehr darauf hinzuweisen, dass und wo die Veröffentlichung im Internet erfolgt.
Soweit möglich, soll nach § 3 Abs. 2 S. 1 des Plansicherstellungsgesetzes aber auch die reguläre Auslage als zusätzliches Informationsangebot weiter erfolgen. Ansonsten müssen andere, analoge Möglichkeiten zur Einsichtnahme, wie öffentlich zugängliche Lesegeräte oder der postalische Versand, geschaffen werden, so § 3 Abs. 2 S. 2. Auch auf diese Zugangsmöglichkeiten ist in der Bekanntmachung nach § 2 Abs. 1 Plansicherstellungsgesetz hinzuweisen. Ebenso kann auch eine öffentliche Bekanntmachung nur durch digitale Veröffentlichung ergänzt werden, wenn zusätzlich eine Veröffentlichung im amtlichen Veröffentlichungsblatt oder einer örtlichen Tageszeitung erfolgt, § 2 Abs. 1 S. 2.
Eine signifikante Digitalisierung über den bereits bestehenden § 27a VwVfG hinaus wird damit für diese Verfahrensschritte nicht eintreten. Ob eine digitale Durchführung der Auslegung oder Bekanntmachung erfolgt, bleibt damit im Ermessen der Behörde.
2. Erörterungstermine, Verhandlungen, Antragskonferenzen
Erörterungstermine, mündliche Verhandlungen und Antragskonferenzen sollen mit dem Instrument der Online-Konsultation bewältigt werden, „§ 5 Erörterungstermine, mündliche Verhandlungen und Antragskonferenzen“. Die zur Teilnahme an einem Erörterungstermin oder einer mündlichen Verhandlung Berechtigten sind gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 von der Durchführung der Online-Konsultation zu benachrichtigen. Hierfür gilt § 73 Abs. 6 S. 2 bis 4 VwVfG entsprechend. Ihnen sollen Unterlagen digital zugänglich gemacht werden, zu denen sie wiederum innerhalb einer vorher bekannt zu machenden angemessenen Frist schriftlich oder elektronisch Stellung nehmen, § 5 Abs. 4 S. 2 und 3. Einverständlich kann stattdessen auch eine Telefon- oder Videokonferenz stattfinden. Darüber hinaus sieht § 5 Abs. 4 S. 4 vor, dass bei der Zugänglichmachung im Internet Äußerung natürlicher Personen auf deren Wunsch hin zu anonymisieren sind.
Schließlich beschreibt der Gesetzesentwurf Fälle, in denen die Übergangsregelung des § 6 zum Tragen kommt. Auf bereits vor Inkrafttreten des Plansicherstellungsgesetzes begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Verfahren sind sämtliche Regelungen des Gesetzesentwurfs anwendbar, § 6 Abs. 1 S. 1. Wurde ein Verfahrensschritt hingegen bereits begonnen und soll er nach dem Plansicherungsgesetz durchgeführt werden, so ist dieser nach § 6 Abs. 1 S. 2 zu wiederholen. Mit Ablauf des 31.03.2021 tritt das Gesetz außer Kraft. Ist ein Verfahrensschritt, für den von einer Regelung nach den §§ 2 bis 5 Gebrauch gemacht worden ist, an diesem Tag noch nicht abgeschlossen, gelten gemäß § 6 Abs. 2 die Bestimmungen des Plansicherstellungsgesetzes bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrensschritts weiter.
III. Bewertung der Entwurfsfassung
Herzstück des Gesetzesvorhabens ist die Online-Konsultation. Dennoch wird sie durch den Gesetzesentwurf kaum geregelt. Eine Klarstellung, ob es sich dabei um eine Video- oder Telefonkonferenz oder lediglich um Schriftverkehr per E-Mail handeln soll, wird nicht getroffen. Unklar ist weiter, welche Fristen für die Online-Konsultationen gelten. Die Rede ist lediglich von einer angemessenen Frist. Ferner bleibt offen, ob Behörden auf Angebote Dritter zurückgreifen dürfen oder selbst Plattformen bereitstellen müssen, beziehungsweise welche Sicherheitsstandards einzuhalten sind. Die Vorgabe, dass die zuständige Behörde gemäß § 5 Abs. 4 S. 5 geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen hat, dass nur die zur Teilnahme Berechtigten Zugang zu der Online-Konsultation haben, wird im Entwurf nicht näher konkretisiert.
Zu bemängeln ist weiter, dass die Entscheidung über die Wahrnehmung der durch das Gesetz angedachten Möglichkeiten gänzlich bei den Behörden verbleibt. Für Erörterungstermine soll geregelt werden, dass die Corona-Pandemie als Grund für einen Ausfall in die Ermessensentscheidung eingestellt werden kann, § 2 Abs. 1 S. 1. Hier versäumt die Bundesregierung eine gerechte Interessenabwägung, denn das ohnehin befristete Gesetz sollte gerade dieses Problem in den Vordergrund stellen. Es ist also notwendig, dass die Behörden bei der Ermessensentscheidung die Beschränkungen aufgrund der Krise zwingend berücksichtigen.
IV. Fazit und Ausblick
Die Beteiligungsrechte werden durch den Gesetzesentwurf kaum beeinträchtigt. Lediglich die Erklärung zur Niederschrift bei der Behörde kann ersatzlos entfallen. Neben den digitalen bleiben immer noch analoge Möglichkeiten der Beteiligung. Diese Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung soll zunächst befristet bis zum 31.03.2021 eingeführt werden. Dabei betont die Bundesregierung stark, dass es sich lediglich um eine Sonderregelung für die kommende Zeit handelt.
Es ist aber zu hoffen, dass diese befristete Digitalisierung als zukunftsweisendes Pilotprojekt über die Krise hinaus einen Anstoß zur dauerhaften Modernisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungsverfahren gibt.
Der Gesetzentwurf liegt uns dankenswerterweise vor und so haben wir bereits jetzt in einer Reihe einschlägiger Verfahren in unmittelbarem aber auch mittelbarem Zusammenhang mit WKA Projekten die entsprechenden Schritte eingeleitet.
Nur wer schnell handelt, wird das Beschleunigungspotenzial auch nutzen können!