Kommunale Beteiligung - Clearingstelle veröffentlicht Auslegungshilfe zu § 6 EEG 2023
« NewsübersichtMit der Auslegungshilfe wird noch mehr Rechtssicherheit bei der kommunalen Beteiligung herbeigeführt: Die Clearingstelle äußert sich u.a. zur Zulässigkeit rückwirkender Zahlungen und zur Anwendbarkeit für Bestandsanlagen.
Die Clearingstelle ist eine juristische Person des Privatrechts und wird gemäß § 81 EEG 2023 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz betrieben. Im Juli 2024 hat der Runde Tisch der Clearingstelle EEG|KWKG jetzt wichtige Fragen zur kommunalen Beteiligung nach § 6 EEG 2023 diskutiert. Das Ergebnis ist eine umfassende Auslegungshilfe, die Klarheit zu mehreren zentralen Punkten schafft. Wir geben einen detaillierten Überblick über die wichtigsten Punkte, die bei der Vertragsgestaltung im Rahmen von § 6 EEG 2023 zu beachten sind:
Zulässigkeit von Rückwirkung bei Verträgen und Zahlungen
In unserer anwaltlichen Praxis kommen Kommunen und Betreiber:innen immer häufiger mit der Frage auf uns zu, ob Verträge nach § 6 EEG 2023
- für Bestandsanlagen, die bereits seit mehreren Jahren in Betrieb sind, abgeschlossen werden können und zugleich
- eine Zahlungsverpflichtung für die in der Vergangenheit liegenden Betriebsjahre (vor Vertragsabschluss) geregelt werden darf.
Da diese Fälle nicht ausdrücklich in § 6 EEG 2023 geregelt sind und die Strafbefreiung in § 6 Abs. 4 EEG 2023 nur gilt, wenn die Vorgaben von § 6 insgesamt eingehalten sind, war bislang wegen der Strafbarkeitsproblematik Vorsicht geboten. Nun hat sich die Clearingstelle zu den zwei Punkten klar positioniert:
1. Anwendbarkeit auf Bestandsanlagen:
Die Anwendbarkeit auf Bestandsanlagen (Windenergieanlagen und Freiflächenanlagen) wurde in der Vergangenheit zwar bereits durch die Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 2 EEG geklärt, doch die Clearingstelle stellt jetzt nochmals klar: § 6 EEG ist auf Bestandsanlagen anwendbar und es muss nur eine der drei in § 100 Abs. 2 EEG genannten Alternativen (Inbetriebnahme, Gebotstermin oder Feststellung als Pilotwindenergieanlage) vor dem Stichtag des 1. Januar 2021 erfüllt sein. Dies schafft nun auch für die letzten Zweifler Klarheit.
2. Zulässigkeit rückwirkender Zahlungsverpflichtungen:
Neben der in die Zukunft gerichteten Zahlungsverpflichtung sind insbesondere Kommunen häufig auch an einer finanziellen Beteiligung für die vergangenen Betriebsjahre interessiert (i.d.R. durch eine die bisherigen Betriebsjahre abdeckenden Einmalzahlung im ersten Vertragsjahr). Bereits der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck des § 6 EEG legten bislang die Zulässigkeit solcher Einmalzahlungen für die Vergangenheit nahe, auch wenn diesbezüglich wegen der über allem schwebenden Frage der Strafbarkeit nach §§ 331 ff. StGB Vorsicht geboten war. Diese Rechtsauffassung lässt sich nun mit der Auslegungshilfe der Clearingstelle stützen. Diese formuliert:
„Erstattungsfähig sind nur solche Beträge, die die Anlagenbetreiberinnen bzw. -betreiber an Gemeinden und Landkreise im vorangegangenen Kalenderjahr geleistet haben. Unerheblich ist folglich, wann die Strommengen, für die die Zahlung erfolgte, eingespeist wurden oder hätten eingespeist werden können.“
Die Auslegungshilfe lässt also den Schluss zu, dass sich die Erstattungsfähigkeit auf alle Zuwendungen bezieht, die im Vorjahr geleistet wurden, unabhängig davon, wann die dazugehörigen Strommengen eingespeist wurden. Damit erkennt die Clearingstelle in der denklogischen Folge Zahlungen an, die für in der Vergangenheit eingespeiste Strommengen gezahlt wurden. Sind diese Zuwendungen – der Auslegungshilfe der Clearingstelle folgend – erstattungsfähig, müssen sie im Rahmen von § 6 EEG 2023 auch zulässig und damit strafrechtlich irrelevant sein.
Zahlungsmodalitäten und Verjährung des Erstattungsanspruchs
Die Clearingstelle hat weiter klargestellt, dass Zahlungen an Kommunen in verschiedenen Zyklen erfolgen können. Diese können monatlich, aperiodisch oder über mehrere Jahre verteilt sein. Wichtig ist, dass wie § 6 Abs. 5 EEG 2023 vorschreibt die Zahlungen an die Gemeinde erfolgen müssen, bevor ein Antrag auf Erstattung beim Netzbetreiber gestellt werden kann. Die Regelung einer anders gearteten zeitlichen Abfolge, beispielsweise den Erstattungsantrag beim Netzbetreiber vor die tatsächlichen Zahlungen an die Kommunen zu ziehen, um so nachträglich keine Rückforderungsansprüche gegen die Kommunen geltend zu machen, dürften folglich nicht möglich sein.
Die Auslegungshilfe behandelt auch die Verjährungsfristen für Erstattungsansprüche. Der Erstattungsanspruch des Anlagenbetreibers gegenüber dem Netzbetreiber nach § 6 Abs. 5 EEG 2023 soll danach den allgemeinen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), konkret der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, unterliegen. Der Anspruch entsteht mit der Geltendmachung in der Endabrechnung des Jahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Zahlung an die Gemeinde geleistet wurde. Die Verjährungsfrist beginnt daher mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Etwas anderes gilt nur, soweit grobe Fahrlässigkeit vorliegt.
Bestimmung des Radius um Windenergieanlagen
Zur Bestimmung der betroffenen Gemeinden und Landkreise im Radius von 2.500 Metern um die Windenergieanlagen hat die Clearingstelle festgelegt, dass diese durch das Ziehen eines Kreises um den Mittelpunkt der Windenergieanlage auf einer Karte ermittelt werden. Dies ist zwar generell eine hilfreiche Klarstellung, hilft jedoch allenfalls bei der Ermittlung der zu beteiligenden Kommunen. Für die Ermittlung der genauen Flächenanteile sind Kommunen regelmäßig weiter auf die Planungsunterlagen des Betreibers angewiesen.
Auslegungshilfe klärt nicht alle offenen Punkte
Die Clearingstelle hat sich entschieden, zwei zentrale Fragen zur Handhabung fiktiver Strommengen offenzulassen, um einer gesetzlichen Klärung nicht vorzugreifen:
- Erstattungsfähigkeit von Zahlungen für fiktive Strommengen: Es bleibt offen, ob Zahlungen von Anlagenbetreibern an Gemeinden oder Landkreise für fiktive Strommengen gemäß § 6 Abs. 5 EEG 2023 erstattungsfähig sind.
- Angebotspflicht für fiktive Strommengen: Ebenso bleibt unklar, ob Anlagenbetreiber nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EEG 2023 verpflichtet sind, den betroffenen Gemeinden oder Landkreisen Zahlungen für fiktive Strommengen nach Anlage 2 Nr. 7.2 EEG 2023 anzubieten.
Trotz der ausdrücklich offen gelassenen Fragen zur Erstattungsfähigkeit von Zahlungen für fiktive Strommengen und der Angebotspflicht für fiktive Strommengen, ist davon auszugehen, dass die von der Clearingstelle erarbeite Auslegungshilfe den Umgang mit Zuwendungen nach § 6 EEG 2023 und die diese regelnden Verträge in zahlreichen Punkten erheblich erleichtern wird. Insbesondere in Bezug auf die Zulässigkeit von Zuwendungen für in der Vergangenheit liegende Betriebsjahre, die Anwendung auf Bestandsanlagen sowie Zahlungsmodalitäten und Verjährungsfragen hat sich die Clearingstelle nun eindeutig positioniert – ein erfreulicher Schritt in Richtung Rechtssicherheit. Dennoch bleibt abzuwarten, inwiefern auch der Gesetzgeber künftig dazu beitragen wird, nicht nur bezüglich der von der Clearingstelle offengelassenen Fragen, zusätzliche Klarheit und Rechtssicherheit herzustellen.
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