Leipziger Energieexperte Martin Maslaton: „Bürgersolaranlagen sind rechtliches Minenfeld“
« NewsübersichtDie jüngste Form des gemeinsamen Strombetriebs ist die Bürgersolaranlage: Hier schließen sich mehrere Personen zu einem rechtlichen Unternehmen zusammen und werden damit zu Strombetreibern. In Leipzig gibt es drei gemeinsam betriebene Solardächer. Der Leipziger Rechtsanwalt und Energieexperte Martin Maslaton erklärt im LVZ-Online-Interview, warum Bürgersolaranlagen von den Betreibern unterschätzt werden und es falsch war, die Baugenehmigung für Solaranlagen abzuschaffen.
Frage: Haben Sie eine Photovoltaikanlage auf Ihrem Dach?
Martin Maslaton: Ich habe eine Solarthermieanlage auf dem Dach. Da braucht man wenig Direkteinstrahlung. Damit entlaste ich meine Heizung und produziere heißes Wasser. Da ich kein Süddach habe, kann ich leider keine Photovoltaikanlage aufstellen, ansonsten hätte ich längst eine.
Bürgersolaranlagen sind in Sachsen im Vormarsch, wie kann man das Prinzip Bürgersolaranlage beschreiben?
Ich versuche es so zu erklären: Jemand der ein Haus hat, baut sich eine Photovoltaikanlage auf sein Dach. Das ist völlig unproblematisch. Und dann gibt es die Form der „Bürgersolaranlage“. Das bedeutet, dass sich mehrere Personen zusammenschließen und rechtlich ein Unternehmen gründen, um Photovoltaikanlagen zu betreiben. Dann wird man jedoch automatisch Kraftwerksbetreiber. Rechtlich bewegt man sich in einem Minenfeld, und zwar aus einer Vielzahl von Gründen: Regelmäßig hat man dann, auch wenn man es als Laie nicht merkt, eine Gesellschaft gegründet, die einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht. Gleichzeitig wird häufig ein Steuerrechtsobjekt gegründet, man durchläuft also eine komplette Unternehmensgründung. Das ist aber oft niemandem klar. Deshalb ist das eine gefährliche Situation für künftige Betreiber von Bürgersolaranlagen, die sich dies nicht bewusst machen.
Also, vor allem wegen der rechtlichen Situation?
Ja, wenn mir das Haus gehört, auf dem ich die Anlage betreibe, ist das kein Problem. Schwierig wird es nur, wenn man auf fremden Dächern Photovoltaik-Anlagen betreibt, was ja auf manche der Bürgersolaranlagen zutrifft. Hier gibt es die Netzbetreiber und Hauseigentümer mit denen man sich ins Benehmen setzen muss. Die rechtliche Konstruktion wird von vielen unterschätzt.
In den Anfängen der Solarbranche hat es oft Kritik gegeben, dass Solaranlagen leichtfertig installiert wurden und daher auch angefangen haben zu brennen. Hat sich das im Laufe der Jahre geändert?
Meistens sind nicht die Solarmodule an sich schadhaft, sondern vielfach wird die stromableitende Verkabelung nicht fachgerecht installiert, oder es kommt zu Kabelbrüchen, die wiederum zu Hot-Spots führen. Es gibt daher kaum modulbezogene Brandgefahren. Außerdem weiß die Feuerwehr, wie mit Bränden auf Photovoltaikanlagen umgegangen wird, sie werden schließlich sogar dafür ausgebildet, bei Starkstromanlagen Brände zu löschen.
Fachinstallateure und Fachleute warnen Privatpersonen immer davor, sich eine Photovoltaikanlage installieren zu lassen, ohne diese einer ordentlichen Prüfung zu unterziehen. Eine Baugenehmigung ist also nicht notwendig?
Der Vorgang eines Baugenehmigungsverfahrens ist in ganz Deutschland abgeschafft worden. Das bedeutet also, jeder kann ohne ein behördliches Verfahren, eine Anlage auf sein Dach stellen. Damit wird meist aber eine Kette von Problemen ausgelöst. Die Verfahrensfreiheit bedeutet nämlich nicht, dass die Anlage rechtswidrig aufgestellt werden darf. Nur dadurch, dass es keine Baugenehmigung gibt, wird das vorher von keiner Behörde geprüft. Die Abschaffung der Baugenehmigung ist ein Danaer-Geschenk, sie bringt also mehr Unsicherheit als Vorteile.
Welches Risiko bringt die Verfahrensfreiheit dem Betreiber?
Das komplette Risiko der Errichtung einer „illegalen Anlage“ trägt nun der Anlagenbetreiber selbst. Ein Beispiel: Eine Privatperson beschließt, sich eine Anlage auf das Dach zu stellen und geht zum Installateur ohne anderweitig fachlichen Rat zu suchen. Der Installateur stellt die Anlage auf und dann beginnen die Probleme: Der Denkmalschützer schreibt einen bösen Brief, weil die Anlage vielleicht nicht denkmalgerecht steht, der Nachbar wird von der Anlage geblendet und vieles mehr, was man vorher nicht bedacht hat. Die Anlage ist also materiell baurechtswidrig und die Kosten einer etwaigen Beseitigung trägt der Betreiber, in dem Fall die Privatperson selbst. Deshalb bin ich dagegen, dass man diese Baurechtsgenehmigung abgeschafft hat. Man hätte das Genehmigungsverfahren zwar vereinfachen und bestimmte Standards setzen sollen, stattdessen hat man einfach gesagt: Es gibt keine Genehmigung mehr.
Ärgert Sie das als Experte, dass sich Privatpersonen vor einer Photovoltaik-Installation zu häufig keinen professionellen Rat holen?
Ich bin ein freiheitlich denkender Mensch, wer meint, das machen zu wollen, soll es ohne Rat machen. Wenn es jedoch schlecht läuft, haben Sie die Anlage zu 100 Prozent finanziert, weil Sie sich darauf verlassen haben, eine Einspeisevergütung zu bekommen. Dann erweist sich die Anlage jedoch als baurechtswidrig und Sie müssen diese abbauen. Der Kredit für die Abbezahlung läuft aber weiter. So eine Anlage kostet schnell mal 50.000 Euro. Die Menschen werden also in die Irre geführt, da es keine Genehmigung gibt und gehen daher auch leichtfertiger mit der Installation um. Der Preis dafür kann am Ende sehr hoch sein.
Die Solarbranche boomt nach wie vor. Welche Entwicklungen sollten Ihrer Meinung nach forciert werden?
Wenn der Ölpreis steigt, werden wir uns die Frage stellen, wo wir unseren Strom beziehen können. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat daher den Sinn, erneuerbare Energien zu fördern, dass sie marktfähig werden. Momentan erleben wir auch einen Fortschritt in der Technologie, das bedeutet, es wird nicht lange dauern bis Photovoltaikanlagen eine hohe Effizienz aufweisen. Was ich möchte ist nicht mehr, oder weniger Förderung, sondern ein Mehr an erzeugtem Strom. Die energetische Leistung soll im Mittelpunkt stehen und damit auch die Frage: Wie kann man aus einer Photovoltaikzelle 30, 40 und 80 Prozent Strom erzeugen. Damit wir dahin kommen, brauchen wir das EEG, also eine Vergütung für CO2-freien Strom. Außerdem ist nicht die Preisdiskussion wichtig, sondern der technische Fortschritt in der Solarbranche, wie ich bei Vorträgen in den Altbundesländern zu sagen pflege, in den modernen Bundesländern.