Nachhaltigkeitsregulatorik - Eine düstere Unternehmensgefahr?
« NewsübersichtIn jüngster Zeit hat sich viel getan: Durch Politik und Medien geistern nun Begriffe wie Lieferketten, Sorgfaltspflichten und Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Gerade die verschiedenen Gesetzgebungsakte können dabei für starke Verwirrung sorgen: CSRD, CSDDD, LkSG. Was ist das alles eigentlich?
Der europarechtliche Hintergrund
Seit im Jahr 2019 die unter der Leitung von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen stehende Europäische Kommission den European Green Deal als politische Zielbestimmung der Europäischen Union verkündet hat, ist einiges in der Unionsgesetzgebung geschehen. Durch den European Green Deal soll Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Trotz dieser klaren Zielvorgabe entfaltet der European Green Deal keineswegs unmittelbare Bindungswirkung. Vielmehr legt er als politische Absichtserklärung (soft law) eine Art „ganzheitlichen Fahrplan“ zur Erreichung des Zieles der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 fest. Durch die Verordnung über das Europäische Klimagesetz hat die EU im Jahr 2021 verpflichtende Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen festgelegt und neben dem langfristigen Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050, bis 2030 eine Senkung der Nettotreibhausgasemissionen um mindestens 55% gegenüber dem Jahr 1990 festgeschrieben. Hierzu wurden der Kommission umfangreiche Befugnisse zur Verabschiedung delegierter Rechtsakte zur Erreichung der gesetzten Ziele übertragen. Vor dem Hintergrund dieser politischen Entwicklung sind die im Folgenden vorzustellenden Rechtsakte zu verstehen.
Enge Verknüpfung der verschiedenen Regelwerke
Zunächst ist festzustellen, dass aufgrund der vorangegangenen rechtspolitischen und rechtshistorischen Entwicklungen die einzelnen Regelwerke stark dogmatisch miteinander verwoben sind und daher nicht isoliert betrachtet werden können. Auch wenn das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) die europäische Richtlinie über Sorgfaltsplichten von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) sozusagen vorweggenommen hat, steht es doch auch auf der rechtspolitischen Ideengrundlage des European Green Deals.[1] Aber auch die Nachhaltigkeitsberichtserstattungsrichtlinie der EU (Corporate Sustainability Reporting Directive; CSRD) und die CSDDD fußen auf denselben Grundlagen: rechtspolitisch auf den Ideen des European Green Deal, in ihrer konkreten inhaltlichen Ausrichtung auf den Ausarbeitungen der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu verantwortungsvollem Handeln und auf den UN Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGP)[2]
Verhältnis zwischen CSRD und CSDDD
Während die CSRD bereits im Dezember 2022 auf europarechtlicher Ebene verabschiedet wurde und sich derzeit im Umsetzungsprozess der deutschen Gesetzgebung befindet, ist die CSDDD vom Juli 2024 noch ziemlich frisch. Auf dem ersten Blick scheinen sich beide Richtlinien inhaltlich stark zu überschneiden: Sie befassen sich irgendwie mit Nachhaltigkeit und legen dabei sowohl soziale als auch umweltbezogene Standards fest. Wo liegt also nun der Unterschied?
Die CSDDD regelt die Pflichten großer Unternehmen hinsichtlich der tatsächlichen und potentiellen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Umwelt sowie auf die Menschenrechte. Sie legt also verbindlich Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang ihrer gesamten Aktivitätskette (chain of activity) fest.[3] Dabei kann die CSDDD-Richtlinie als rechtlich-bindende Umsetzung der bisher unverbindlichen OESCD-Leitlinien verstanden werden.[4] Die auferlegten, risikobasierten Sorgfaltspflichten in den Bereichen Menschenrechte und Umweltstandards müssen dabei aktiv in die Unternehmensführung- und -politik eingebunden werden. Bei negativen Auswirkungen auf dieselben ist Abhilfe zu schaffen. Für Verstöße sieht die Richtlinie einen Sanktionierungsmechanismus vor, welcher durch die Schaffung eines zivilrechtlichen Haftungstatbestandes neben einem öffentlich-rechtlichen Handlungsregime, über das derzeitige deutsche LkSG hinausgeht.[5] Die CSDDD legt also eine konkrete Verpflichtung großer Unternehmen zur Umsetzung und Gewährleistung ihrer Sorgfaltsplichten fest.
Die CSRD wiederum stellt das Berichterstattungsverfahren für die eingeführten Due-Diligence-Prozesse dar.[6] Ziel ist es dabei Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten im europäischen Binnenmarkt herzustellen. Anhand des Prinzips der Doppelten Wesentlichkeitsanalyse soll Unternehmen unter anderem die Möglichkeit gegeben werden, nachhaltigkeitsbezogene Schwachstellen in ihrem unternehmerischen Handeln und in ihrer Wertschöpfungskette auszumachen und letztlich ihr Risikomanagement daran auszurichten. Die CSRD kann also als eine Art Datenanalysestruktur der Nachhaltigkeitsregulierung verstanden werden.
Europäische Lieferkettenrichtlinie und deutsches Lieferkettengesetz
Bei dem LkSG handelt es sich um ein deutsches Gesetz, welches Verantwortlichkeiten inländischer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten festlegt. Zwar ist die CSDDD gerade erst auf europäischer Ebene verabschiedet worden und hat daher in ihrer nationalen Umsetzung noch etwas Zeit, dennoch stellt sich heute schon die Frage nach der deutschen Umsetzung der europäischen Richtlinie. Mit der Verabschiedung des LkSG im Jahr 2021 ist der deutsche Gesetzgeber der Unionsgesetzgebung sozusagen vorausgeeilt, was nun verschiedene Schwierigkeiten und offene Fragen in der Umsetzung der CSDDD mit sich bringt. Dies gilt insbesondere, da der Anwendungsbereich des LkSG derzeit noch viel weiter gefasst ist als die CSDDD vorsieht.[7] Auch ist derzeit noch fraglich, wie sich das Verhältnis zwischen CSDDD, LKSG und CSRD in der deutschen Umsetzung ausgestalten wird. So sieht der derzeitige Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD eine Verknüpfung mit den bestehenden Berichtspflichten aus dem LkSG vor.
Fazit: Nachhaltigkeitsregulatorik und Due-Diligence
Die Verwirrung, welche die derzeitige Nachhaltigkeitsregulatorik zu stiften vermag, ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die Konzepte, die den jeweiligen Gesetzgebungsakten zu Grunde liegen, noch sehr neu und dadurch teilweise etwas unklar bzw. schwer verständlich sind. Betrachtet man jedoch die Systematik und die verschiedenen teleologischen Grundausrichtungen der beiden Richtlinien, verdeutlichen sich schnell die Mechanismen der Due-Diligence-Prozesse, welche die EU vor dem Hintergrund des Euopean Green Deal und dem darin festgelegten Ziel der Klimaneutralität bis 2050 einzuführen sucht.
Schließlich: Bei Unternehmenstransaktionen und der damit einhergehenden Due-Diligence ist die gesamte Nachhaltigkeitsregulatorik zwingend zu beachten, da sie einen maßgeblichen wertbildenden Faktor, bereits jetzt und zukünftig noch mehr, darstellt.
[1] Auf völkerrechtlicher Ebene übten zudem die UNGP großen Einfluss auf das deutsche LkSG
[2] vgl. Kalss, ZfPW 2024, 181 (188 f.).
[3] vgl. Schmidt, NZG 2024, 859 (861).
[4]vgl. Milgotin/Hraby, IRZ 2024, 343 (344).
[5] vgl. Rubner/Schidlo, NJW Spezial 2024, 399 (400).
[6] vgl. Milgotin/Hraby, IRZ 2024, 343 (344).
[7] Sehr zu empfehlen sind hierzu die die Ausführungen von Anne-Christin Mittwoch in: Mittwoch, NJW 2024, 2253 f.