Noch nicht alles rechtssicher - Wo liegen rechtliche Knackpunkte beim Betrieb von ORC-Modulen?
« NewsübersichtNach dem EEG 2009 wurde der Betrieb von ORC-Modulen mit dem Technologie-Bonus in Höhe von drei Cent pro Kilowattstunde gefördert. Im novellierten EEG 2012 gibt es den Technologie-Bonus nicht mehr, stattdessen wurde der Betrieb von ORC-Modulen in die Positivliste der Wärmenutzung in die Anlage 2 aufgenommen. Wer seine Biogasanlage nach dem EEG 2009 in Betrieb genommen hat und jetzt mit einem ORC-Modul nachrüstet, kann aber noch die alten Förderbedingungen beanspruchen. Unklare Begriffsdefinitionen bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sorgen dennoch weiterhin für Verunsicherung bei Anlagenbetreibern und -herstellern. Aktuelle Trends und Lösungsansätze bei der Umsetzung in die Praxis beleuchtet der Jurist und KWK-Experte Prof. Dr. Martin Maslaton von der MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im Gespräch mit energie aus pflanzen.
energie aus pflanzen: Ein Gesetzestext sollte doch eindeutig sein und möglichst wenig Spielraum für Interpretationen lassen – dieses Wunschdenken von Laien trifft beim EEG oftmals nicht zu. Schon bei der Definition des Begriffs „Anlage“ scheinen sich bei Gericht verschiedene Sichtweisen und Begriffsauslegungen des EEG 2012 durchzusetzen. Da der Anlagenbegriff und das Inbetriebnahmedatum bei der Vergütungsdauer von 20 Jahren nach dem EEG als Basis des Vergütungsanspruchs gelten, sind Investoren besonders verunsichert. Wie rechtssicher können Investoren ihre Anlagen derzeit planen?
Maslaton: Eine komplette Rechtssicherheit zum Anlagenbegriff wird es wohl erst in einem im kommenden Jahr zu erwartenden Urteil des Bundesgerichtshofs geben. Allgemein gesprochen sollte jede seriöse Investitionsplanung die möglichen Rohstoff-Preisentwicklungen – bezogen auf die Vergütungs-Laufzeit – berücksichtigen und dabei vorsichtshalber mit geringerer Vergütung als nach EEG oder KWK-Gesetz kalkuliert werden. Der im EEG am meisten umstrittene Begriff ist der Anlagenbegriff, an dem sich die Geister scheiden. Als aktuelles Beispiel sei hier vertretend ein Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg genannt. Hier wird der Anlagenbegriff komplett ausgehebelt und auf die „Medienerzeugungsanlage“, sprich Biomasseumwandlungsanlage abgestellt. Demnach würden Umwandlungsanlagen wie Generatoren, Bhkw und auch ORC-Anlagen aus dem Anlagenbegriff komplett rausfallen. Dieses Urteil entspricht nicht unserer Rechtsauffassung, vielmehr folgen wir der Auslegung durch die Clearingstelle EEG, die durch Urteile der Landgerichte Duisburg und Regensburg und neuerdings Halle bestätigt wurde. Demnach gilt eine „Einrichtung“ bereits
dann als eine Anlage im Sinne des § 3 Nr. 1 EEG 2009, wenn sie über Komponenten verfügt, die zur Erzeugung von
Strom zwingend erforderlich sind. Generatoren werden demnach nicht nach § 3 Nr. 1 EEG 2009 zu einer Anlage „verklammert“, auch wenn sie gemeinsame Einrichtungen – zum Beispiel Fermenter – nutzen. Diese Definition ist auch auf eine ORC-Anlage anwendbar, wobei die Anlage in Anwendung des vorgenannten Begriffsverständnisses als „eigene Anlage“ gilt, und der Mehrertrag an Strom oder Wärme mit den Erträgen aus dem vorgeschalteten BHKW addiert wird.
Wie ist die Auslegung bei der Nachrüstung von ORC-Anlagen zu bewerten? Gibt es hier noch einen Bezug zu Satelliten-BHKW?
Die Brisanz liegt hier neben dem Anlagen begriff auch beim Inbetriebnahmedatum. Den Begriff Satelliten-Anlage gibt es im EEG 2012 nicht mehr. Hier ist nach dem Urteil des OLG Brandenburg von einer Verklammerung zu sprechen.
Bei ORC-Nachrüstungen von Altanlagen wird es schon komplizierter. Nach dem EEG 2004 wird der volle Anteil der Energieerzeugung der ORC-Anlage auf die Gesamtleistung angerechnet. Hier gilt das Inbetriebnahmedatum der Erstanlage, und die integrierte ORC-Anlage hat demnach den Status einer eigenen Anlage. Nachrüstungen im Jahr 2012 bei Inbetriebnahme nach dem EEG 2009 – also Inbetriebnahme zwischen den Jahren 2009 und 2011 – erhalten keine eigenständige Grundvergütung, da die ORC-Technik noch nicht auf der EEG-Positivliste stand. Geltend gemacht werden könnte jedoch der Technologie-Bonus nach EEG 2009 in Höhe von drei Cent pro Kilowattstunde auf den mit dem ORC-Modul erzeugten Strom. Wird hier aber der Anlagenbegriff als „eigene Anlage“ auf die nachgerüstete ORC-Anlage angewendet, werden die Mehrerträge nach der EEG-Grundvergütung je nach Anlagenleistung mit bis zu 14,3 Cent pro Kilowattstunde berechnet. Als eigenständige Anlage müßte sie jedoch auch eigenständig die Voraussetzungen des EEG erfüllen. Daß es sich bei der ORC-Anlage um eine eigenständige Anlage handelt, ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Jedoch darf nicht verkannt werden, daß die Nutzung der Abwärme aus der ORC-Anlage aufgrund der geringen Temperatur technisch derzeit nicht möglich ist. Daher dürfte diese Pflicht auf Grund der Nichterfüllbarkeit nicht zur Voraussetzung der Vergütungsfähigkeit gemacht werden. Dies ist aber noch nicht abschließend rechtlich geklärt.
Also muß eine ORC-Anlage keine eigene Abwärmenutzung von 60 Prozent nachweisen, die nach dem EEG 2012 Pflicht ist?
Bei der Betrachtung der Abwärmenutzung liegt die Antwort in der eigentlichen Aufgabe einer ORC-Anlage – der Nachverstromung. Diese erzeugt in erster Linie aus der Abwärme eines Bhkw elektrische Energie. Ein Zwang zur Abwärmenutzung des ORC-Moduls besteht in konsequenter Anwendung der Rechtsprechung des OLG Brandenburg nicht. Jedoch besteht hierüber noch keine Rechtssicherheit.
Für welchen Weg der Förderung – KWK oder EEG – sollten sich Investoren entscheiden?
Die Frage muß sich jeder selber stellen. Entscheidend ist der Zweck der Bhkw-Anlage und die energetische Beurteilung. Besteht ein großer kontinuierlicher Wärmebedarf, sind die Förderinstrumente über das KWK-Gesetz zu empfehlen. Mit der Integration einer ORC-Anlage kann mit dem zusätzlichen Stromanteil die Zahl der Vollbenutzungsstunden, die nach KWK-Gesetz maximal vergütet werden, schneller erreicht werden. Hierbei sind insbesondere auch die neuen Fördermöglichkeiten des KWKG 2012 zu berücksichtigen. Bei der Wahl des EEG sollte die Stromerzeugung im Mittelpunkt stehen, auch wenn der Gesetzgeber gerade auch die Wärmenutzung ausdrücklich vorschreibt. Hier spielt dann für die Höhe der Vergütung noch eine Rolle, welcher Einsatzstoffvergütungsklasse die verwendeten Substrate zugeordnet sind. Sowohl im KWKG als auch EEG ist die Wärme aus dem Erzeugungsprozeß als Handelsware zu verstehen und in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzubeziehen. Generell sollte bei der Planung eines neuen Projektes oder der Erweiterung bestehender Anlagen das Ziel der Energieerzeugung und nicht die Vergütung im Vordergrund stehen. Besser beraten ist hier jeder, der die weitreichenden Möglichkeiten der Eigenversorgung und somit dezentraler Unabhängigkeit in den Fokus rückt und die Vergütung als Zubrot sieht.
Herr Maslaton, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Uwe Manzke.