Tracking pixel Nutzungsverträge – Viertes Bürokratieentlastungsgesetz: Aus der Schriftform wird Textform · MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Nutzungsverträge – Viertes Bürokratieentlastungsgesetz: Aus der Schriftform wird Textform

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Erleichterte Formanforderungen: Nutzungsverträge für Wind- oder Solarparks müssen in Zukunft nur noch der Textform entsprechen. Hiermit sind nicht nur Vereinfachungen verbunden; es werden auch neue rechtliche Risiken geschaffen. Eine Einschätzung.

Der Deutsche Bundestag hat im Rahmen der Verabschiedung des Bürokratieentlastungsgesetzes IV (BEG IV) eine Reihe von Änderungen beschlossen, mit dem Ziel Bürokratieanforderungen zu senken und damit auch den Weg für mehr digitale Handlungsformen freizumachen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 18. Oktober 2024 zugestimmt.

Nicht zuletzt Vorhabenträger von Windenergie- und Solarvorhaben sowie Grundstückseigentümer sind nun gezwungen, sich mit den veränderten Anforderungen an den Vertragsabschluss sowie dem ordnungsgemäßen Hinzufügen von Nachträgen zu befassen. Andernfalls drohen erhebliche rechtliche Unsicherheiten. Im schlimmsten Fall droht der formal-juristische Abschluss eines Nutzungsvertrags über 20 – 30 Jahre, ohne „Kenntnis“ der Vertragsparteien.

Der Reihe nach:

Änderung des § 578 BGB zum 01.01.2025: Textform statt Schriftform

Die geplanten Änderungen betreffen dabei eine ganze Reihe von unterschiedlichen Lebensbereichen und Rechtsgebieten. Für Projektierer und Grundstückseigentümer ist hierbei vor allem die Anpassung der formellen Wirksamkeitsanforderungen für Nutzungsverträge interessant.

Ausgangspunkt ist die beabsichtigte Änderung von § 578 Absatz 1 durch Hinzufügen folgenden Satzes:

„§ 550 [BGB] ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“

So werden die Verträge, in denen das Nutzungsrecht einer Fläche zur Errichtung und Betrieb von Windenergie- oder Photovoltaikanlagen geregelt wird, statt der bisher geltenden Schriftform, zukünftig nur noch der Textform genügen müssen. Die Änderung soll zum 01.01.2025 in Kraft treten.

Auswirkungen des wegfallenden Schriftformerfordernisses sind hierdurch insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an den Vertragsabschluss und das ordnungsgemäße Hinzufügen von Nachträgen verbunden.

Bisherige Rechtslage: Schriftform bei Vertragsabschluss und Nachträgen

Nutzungsverträge im Kontext von Wind- oder Solarparkprojekten werden rechtlich gemeinhin als zeitliche befristete Grundstücksmietverträge geschlossen. Um eine ordentliche Kündbarkeit zu vermeiden und damit Planungssicherheit für die Beteiligten zu gewährleisten, müssen nach bisheriger Rechtslage durch Verweis auf das Wohnraummietrecht die wesentlichen Vertragsabreden zwingend in schriftlicher Form geschlossen werden. Dies fordert insbesondere das Vorhandensein einer Vertragsurkunde mit abschließender, eigenhändiger Unterschrift der Vertragsparteien, bzw. ihrer rechtlichen Vertreter, § 126 BGB. Dem Schriftformerfordernis genügen muss dabei nicht nur die erstmalige, ursprüngliche Begründung des Vertragsverhältnisses, sondern grundsätzlich auch alle folgenden inhaltlichen Änderungen, Ergänzungen und Nachträge des Vertrages.

Formerfordernis: Auswirkungen auf die ordentliche Kündbarkeit 

Gerade in Bezug auf Ergänzungen und Nachträge liegt nach der bisherigen Rechtslage ein ernstzunehmendes rechtliches und praktisches Risiko für die beteiligten Vertragspartner. So zeigen unsere langjährigen Erfahrungen, dass die Einhaltung der Schriftform zwar bei Begründung der Vertragsverhältnisse in der Regel gelingt, gerade bei später folgenden Nachträgen jedoch oft vernachlässigt wird. Die daraus folgende ordentliche Kündbarkeit von befristeten Verträgen kann bei entsprechender Ausübung zu erheblichen Unsicherheiten führen und bringt die Beteiligten nicht selten in langwierige und schwerfällige juristische Auseinandersetzungen.

Neue Rechtslage: Textform – Vertragsabschluss per E-Mail?

Durch die geplante Gesetzesänderung sollen nunmehr nach Willen des Gesetzgebers für den Abschluss sowie für Änderungen und Ergänzungen des zeitlich befristeten Nutzungsvertrages die Textform zum Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit genügen.

Was dabei unter Textform zu verstehen ist, wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) näher geregelt. Darin heißt es auszugsweise in § 126b BGB.

„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.“ […] [Hervorhebungen nur hier]

Anders als bisher genügt es damit zum Abschluss eines Vertrags oder zum Beifügen eines formgerechten Nachtrags, wenn die jeweiligen Erklärungen beider Vertragspartner lesbar auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden und die Person des Erklärenden genannt ist. Eine eigenhändige Unterschrift beider Beteiligter unter der Vertragsurkunde wird demnach nicht mehr gesetzlich zwingend benötigt werden. Auch nicht, um die ordentliche Kündbarkeit zu vermeiden (§§ 578 Abs. 1 n.F., 550 BGB). Dies eröffnet folglich die Möglichkeit einer Einigung zum Beispiel per Briefwechsel, E-Mail oder Computerfax.

Übergangsvorschrift für bereits geschlossene Verträge

Wichtig im Kontext der Änderung der Formerfordernisse ist, dass Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) folgender § 70 Abs. 1 zur Regelung einer Übergangsvorschrift angefügt wird:

„Auf Mietverhältnisse gemäß § 578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die vor dem 1. Januar 2025 entstanden sind, ist § 578 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis einschließlich 31. Dezember 2024 geltenden Fassung bis einschließlich 1. Januar 2026 weiter anzuwenden. Abweichend von Satz 1 ist auf Mietverhältnisse nach Satz 1, deren Änderung ab dem 1. Januar 2025 vereinbart wird, bereits ab dem Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung § 578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung vom 1. Januar 2025 anzuwenden“

Demnach ist auf Nutzungsverträge, die in den Anwendungsbereich von § 578 BGB fallen und die vor dem 01.01.2025 entstanden sind, die alte Rechtslage anzuwenden. Anschließend findet die neue Rechtslage Anwendung. Daraus folgt, dass solche „Alt-Verträge“ noch bis zum 01.01.2026 mit Verweis auf das Nichterfüllen des Schriftformerfordernisses aus § 578 BGB alte Fassung i.V.m. § 550 BGB ordentlich kündbar sind, sofern die Vertragsparteien keine Änderungsvereinbarung nach § 70 Abs 1 S. 2 EGBGB treffen.

Weiterhin Achtsamkeit bei Änderungen und Ergänzungen von Nutzungsverträgen geboten

Trotz der geplanten Herabsetzung der Formvorschriften wird wie bisher ein gewissenhaftes Vorgehen der Beteiligten bei Abschluss, Änderung und Ergänzung von Nutzungsverträgen nötig sein. Bloße mündliche Abreden oder Änderungen der gelebten Praxis werden demnach auch in Zukunft den formellen Anforderungen nicht entsprechen. Gleichzeitig müssen Grundeigentümer und Projektierer bei Nachträgen auch weiterhin – dann zukünftig zumindest in Textform – auf eine eindeutige Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag und ggf. frühere Änderungen achten. Gerade hierin liegt ein zusätzliches, häufiges Versäumnis, welches auch durch die geplante Gesetzesänderung nicht an Relevanz verliert.

Es drohen neue Probleme: Ungewollter frühzeitiger Vertragsabschluss

Durch die Einführung der Textform für befristete Nutzungsverträge können sich zudem ganz neue Herausforderungen stellen.

Schickt beispielsweise der Vorhabenträger zur Kontaktaufnahme mit dem Grundstückseigentümer der zu sichernden Fläche diesem Grundstückseigentümer per E-Mail ein Vertragsangebot, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen enthält, so kann bereits die Bestätigungsmail des Grundstückseigentümers die Annahme des Angebotes darstellen. Ein auf 20 – 30 Jahre befristeter Vertrag wäre zustande gekommen, ohne dass die Parteien dies unter Umständen wussten bzw. beabsichtigt hätten.

Auch könnte sich aus einer weitläufigen E-Mail-Korrespondenz bereits ein Vertrag ergeben, dessen Inhalt und Umfang dann erst auszulegen wäre. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Ein Blick in die Gesetzesbegründung zeigt, dass der Gesetzgeber sich wohl nicht im Klaren darüber war, welche weitreichenden Konsequenzen die (gut gemeinte) Formerleichterung im Rahmen von Nutzungsverträgen für Wind- und Solarenergie nach sich ziehen.