Ohne Masterplan
« NewsübersichtWährend die Parteien und Medien nach der Entlassung von Norbert Röttgen noch über Anstand in der Politik debattieren, haben diejenigen, die die Energiewende umsetzen sollen, ganz andere Sorgen. Es waren ernüchternde Fakten, die Dr. Peter Hoffmann von Tennet am Montagabend auf einer Veranstaltung der Hofer Mittelstands-Union (siehe Infokasten) im Autohaus Müller präsentierte. Er verwies auf eine Studie, wonach zusätzlich 4500 Kilometer Stromleitungen bis 2020 errichtet werden müssen. Auf den in Bayreuth ansässigen Übertragungsnetzbetreiber Tennet entfallen davon nach seinen Angaben 1800 Kilometer. Von den anvisierten 4500 Kilometern seien jedoch erst 90 Kilometer erreicht worden. „Wenn es in diesem Tempo so weiter geht, dann wird es schwierig. Die Energiewende muss mit einem konsequenten Netzausbau einhergehen“, machte Hoffmann deutlich und forderte in diesem Zusammenhang schnellere Genehmigungsverfahren. Ein Kernproblem sei die Verteilung des Stroms, der in Nord- und Ostdeutschland durch Windparks erzeugt wird. Die bestehenden Netze seien nicht dafür konzipiert, dass „Norddeutschland Süddeutschland versorgt“. Statt sich einseitig auf den Ausbau regenerativer Energien zu konzentrieren, sollte die Politik nach Auffassung des Tennet-Vertreters auch Speichertechnologien stärker fördern.
Hoffmann klagte über die mangelnde Planungssicherheit und Koordination, was den Ausbau von Windkraft angeht. Er berichtete von fertigen Windparks, die nicht angeschlossen werden können, weil die Leitungen fehlen. Hoffmann ist mit seiner Kritik an der Energiepolitik im Industrieland Deutschland nicht allein. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel ätzt in seiner aktuellen Ausgabe: „In den verschiedenen Bundesländern läuft die Planung von Kraftwerken und Netzen unkoordiniert nebeneinanderher.“ Hoffmann wünschte sich im Hinblick auf die Energieversorgung einen „Masterplan“ der Bundesregierung. Ein Energieministerium, dessen Einführung Experten immer wieder fordern, könnte nach seiner Einschätzung hilfreich sein, um ein Riesenvorhaben wie die Energiewende zu stemmen. „Wenn man sieht, wie oft um Kompetenzen gerangelt wird, dann wäre eine Bündelung sinnvoll.“ Zuletzt hatte es immer wieder Differenzen zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium gegeben. Anders war hingegen der Tenor von Tobias Reiß. Der CSU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Bayerischen Energiekommission betonte: „Im Ausbau der erneuerbaren Energien ist Bayern gut unterwegs.“
So sei der Freistaat bei Photovoltaik führend. 40 Prozent aller bundesweiten Anlagen sind nach Auskunft von Reiß in Bayern installiert worden. Ziel des Freistaats sei es, den Anteil regenerativer Energien an der Gesamterzeugung von aktuell 30 Prozent bis 2022 auf 50 Prozent zu erhöhen. Der Ausbau von Wasserkraft, die bislang bereits 15 Prozent ausmache, sei begrenzt. Spielraum nach oben sei aber bei der Biomasse (sieben Prozent). Zur Windenergie sagte der Kommissions-Chef: „Die Windkraft ist nicht nur in Hochfranken umstritten.“ Es sei richtig, den Ausbau voranzutreiben. Dies müsse jedoch mit Rücksicht auf die Natur geschehen. Reiß erklärte, man müsse sich auf „vorbelastete“ und im Hinblick auf die Infrastruktur „gut geeignete“ Standorte konzentrieren. Hochfranken soll bis 2018 energieautark sein. Dieses Ziel formulierte Heinrich Schimmel, Vorstandsmitglied im Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung und Geschäftsführer der Energie-Einsparung Oberfranken. Er hielt eine bessere Vernetzung und Speicherfähigkeit der verschiedenen Energiearten für notwendig. Die Bürger könnten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, indem sie ihre Gebäude energieeffizient sanierten. Mehr Mut wünscht sich Schimmel von den Hochschulen. „Sie sind bei vielen Projekten noch zu zögerlich.“ Positiv hob er allerdings die Green-Tech-Strategie von Hofs Hochschul-Präsident Professor Jürgen Lehmann hervor. Professor Martin Maslaton, Rechtsanwalt für Energierecht in Leipzig, sagte, nicht die erneuerbaren Energien seien ein Kostentreiber. Die Stromkosten hierzulande würden aufgrund der Abhängigkeit von anderen Ländern viel mehr steigen, wenn an fossilen Energien festgehalten würde. Scharf kritisierte Maslaton die ausufernde Verwaltungsbürokratie. Besonders negativ täten sich hier Fachabteilungen im von Peter Ramsauer geführten Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hervor.