Photovoltaik: Kritik am Entwurf des LROP Niedersachsen – Der Faktencheck
« Newsübersicht„Die Büchse der Pandora ist geöffnet“ liest man aktuell in der TopAgrar (Beitrag vom 15.12.2021) zum zweiten Entwurf des LROP. Hintergrund: Die Unzulässigkeit von Photovoltaik-Anlagen in Vorbehaltsgebieten für Landwirtschaft wird gestrichen. Die vehemente Kritik ist unberechtigt.
Beitrag: Durch LROP fallen Agrarflächen Photovoltaikprojektierer:innen zum Opfer
Die TopAgrar veröffentlichte zuletzt nahezu wortgenau eine Pressemitteilung des Landvolk e. V.. Der Landvolk e. V. kritisiert dort den zweiten Entwurf des LROP Niedersachsen, da dieser Vorbehaltsgebiete für landwirtschaftlich genutzte Flächen für Photovoltaik zugänglich mache. Die Flächen würden dadurch zum Objekt für Profitinteressen. Eine journalistische Einordnung dieser Mitteilung im Beitrag der TopAgrar erfolgte leider nicht. Dies kann indes nicht unkommentiert bleiben, denn durch die Pressemitteilung entsteht zu unrecht der nachhaltige Eindruck, der Gesetzgeber in Niedersachsen lege rechtsverbindlich Vorranggebiete für Photovoltaikanlagen in Vorbehaltsgebieten für Landwirtschaft fest.
Die Änderung im Landesraumordnungsplan bietet lediglich die Möglichkeit zur Abwägung
Die rechtliche Einordnung des Landvolk e.V. ist – freundlich ausgedrückt – inhaltlich unzutreffend. Raumordnungspläne dienen dazu die gesamträumliche Entwicklung des Landes zu regeln, indem Ziele und Grundsätze zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung von Siedlungs- und Versorgungsstrukturen, von Freiraumnutzungen und -funktionen sowie von technischen Infrastrukturen festgelegt werden. Dabei sind nur die jeweils festgelegten Ziele der Raumordnung nach § 4 Abs. 1 ROG für die nachfolgenden Planungsebenen verbindlich. Als Ziele gelten jedoch nur Ausweisungen als Vorrang- und Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 3 ROG. Indem der LROP die Unzulässigkeit von Photovoltaik in Vorbehaltsgebieten der Landwirtschaft streicht, wird eben gerade kein Ziel festgelegt, also auch nicht „die Büchse der Pandora geöffnet“ (aus der – die Prosa sei verziehen – auch die Hoffnung stammt). Am Planungsgefüge und an den Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Photovoltaikanlagen ändert sich gar nichts. Es wird lediglich den nachfolgenden Plangebern die Möglichkeit der raumverträglichen Abwägung zwischen diesen Nutzungen eröffnet.
Hintergrund: Bis 2040 sollen 65 GW Strom in Niedersachsen aus Solarenergie gewonnen werden; allein 50 GW davon in Vorranggebieten ohne Agrarnutzung. Die heftige Kritik ist vor allem deswegen unberechtigt, weil es im aktuellen Entwurf weiterhin heißt, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen von Photovoltaikanlagen freigehalten werden sollen. Es wird mit der geplanten Änderung des LROP also lediglich eine weitere Flächenkategorie der Abwägung zugänglich gemacht. Das heißt übrigens auch, dass eine Vielzahl von Projekten, die von den Landwirten als Flächeneigentümern ausdrücklich gewollt sind, endlich starten können. Damit schafft die Änderung des LROP für alle Beteiligten mehr Flexibilität – und zwar insbesondere auch für die Landwirte.
Angriff auf die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Planungshoheit
Es verbleibt der Eindruck, dass das Verständnis für die rechtlichen Planungsinstrumente der Raumordnung nicht so gewichtig ist, wie das „Selbstbewusstsein“, die kommunale Planungshoheit der Gemeinden anzugreifen. Die Entscheidung Photovoltaikanlagen der planerischen Konzeption – etwa durch Flächennutzungspläne oder Regionalpläne – zugänglich zu machen, liegt nach Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 57 Abs. 1 NsVerf ausschließlich bei den kommunalen Hoheitsträgern und der Raumordnung. Dass Flächen zu „Objekten für Spekulanten“ würden oder „noch mehr Druck auf die planenden Kommunen“ ausgeübt würde, offenbart ein dürftiges Verständnis über die Abläufe der kommunalen Planung. Ein Rechtsanspruch besteht nicht.
Perspektivisch bleibt durch diesen Entwurf die „Büchse der Pandora“ also geschlossen. Vielmehr öffnet sich eine Tür, um die Energiewende in Niedersachsen bis 2040 voranzubringen! Es wäre schön gewesen, wenn die TopAgrar diesen Aspekt ebenfalls angesprochen hätte. Aber mit dem Slogan „Agrarflächen fallen Profitgier zum Opfer“ macht sich die TopAgrar leider zum Handlanger einer Lobby, die sich der Verhinderung Erneuerbarer Energien verschrieben hat. Die gesamtgesellschaftliche (!) Aufgabe der Energiewende hat man in der Redaktion offensichtlich nicht begriffen. Und weiter: Erneuerbare Energien sollten als echte (neue) Landwirtschaft begriffen werden. Zu Beginn der gesetzlichen Vorschriften zur Realisierung der Energiewende wurde immer wieder angesprochen, ob das ziehen der „Frucht“ Wind und Sonne nicht als regelmäßige Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB begriffen werden sollte. Nicht nur viele Probleme würden dadurch beseitigt, sondern vor allem würde man fortschrittliche (ökologische Energie-)Landwirtschaft helfen. Landvolk e.V. und TopAgrar haben zu dieser modern gedachten Landwirtschaft indes (wohl noch) keinen Zugang gefunden.