Tracking pixel ROG-Novelle – Bundestag beschließt Entfall von UVP und Artenschutzprüfung · MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

ROG-Novelle – Bundestag beschließt Entfall von UVP und Artenschutzprüfung

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Die Novelle des Raumordnungsgesetzes will Verfahren für Windenergieanlagen an Land und auf See, für Stromnetze und PV-Freiflächenanlagen beschleunigen. Die wichtigsten Änderungen und ihre Bedeutung im Überblick:

Die ROG-Novelle der Ampelkoalition wurde am 03.03.2023 vom Bundestag beschlossen und noch am gleichen Tag vom Bundesrat angenommen. Damit werden umfangreiche Möglichkeiten der EU-Notfallverordnung umgesetzt, die eine Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zum Ziel hat.

Die Änderungen im Überblick

Die Novellierung des Raumordnungsgesetzes enthält zahlreiche für Projektierer:innen relevante Änderungen. Die wichtigsten im Überblick:

1. Keine UVP und artenschutzrechtliche Prüfung in bestimmten Gebieten

Für Windenergieanlagen – sowohl an Land als auch auf See – sowie für bestimmte Stromnetze entfällt die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie einer artenschutzrechtlichen Prüfung. Auch für Photovoltaik-Freiflächenanlagen hält die Novellierung des Raumordnungsgesetzes Erleichterungen bereit:

  • Nach § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) gilt das für Windenergieanlagen an Land, sofern sie innerhalb eines Windenergiegebietes nach § 2 WindBG (sog. Go-to Areas) geplant sind, wenn bei der Ausweisung des Windenergiegebiets eine strategische Umweltprüfung i.S.d. ROG oder BauGB durchgeführt wurde und das Gebiet nicht in einem Natura-2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegt. Diese verfahrensbeschleunigende Erleichterung gilt für alle Verfahren, in denen Projektierer:innen einen entsprechenden Antrag bis zum 30.06.2024 stellen. Im Antrag muss nachgewiesen werden, dass die Standortflächen vertraglich gesichert sind.


  • Für Windenergieanlagen auf See regelt § 72a Windenergie-auf-See-Gesetz die gleichen Erleichterungen, wenn sie in im Flächennutzungsplan ausgewiesenen und in den Jahren 2022 und 2023 ausgeschriebenen Flächen geplant sind. Ausgenommen sind die Erleichterungen für Flächen in der Ostsee.


  • Auch bei Stromnetzen, die für die Integration Erneuerbarer Energien in das Elektrizitätssystem erforderlich sind, regelt § 43m Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), dass die Durchführung einer UVP und einer artenschutzrechtlichen Prüfung entfällt, wenn sie in einem für sie vorgesehenen Gebiet liegen, für das eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde.


  • Für PV-Freiflächenanlagen ist künftig von der Durchführung einer UVP abzusehen, wenn sie in einem Gebiet liegen, für das eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde. § 14b des Umweltverträglichkeitsgesetzes (UVPG) macht deutlich, dass dies nur für Anlagen gelten soll, die unter Anlage 1 Nummer 18.7 des UVPG zu subsumieren sind: Nach dem jetzigen gesetzgeberischen Willen sollen das insbesondere Anlagen sein, für die im Außenbereich nach § 35 BauGB ein Bebauungsplan aufgestellt wird und die eine Grundfläche von 20.000 m² übersteigen. Bei bereits laufenden Zulassungsverfahren können Projektierer:innen einen Antrag auf Anwendung dieser verfahrensbeschleunigenden Regelung stellen. Anders als bei Windenergieanlagen ist wie PV-Freiflächenanlagen weiterhin eine artenschutzrechtliche Prüfung durchzuführen.

2. Überragendes öffentliches Interesse für Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie

§ 11c EnWG hält eine weitere Änderung für Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie bereit. Demnach wird ein § 2 EEG 2023 nachempfundener Grundsatz normiert, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen.

3. Erleichterung im Zielabweichungsverfahren

Äußerst praxisrelevant ist zudem die Änderung von § 6 Abs. 2 Raumordnungsgesetz (ROG). Auf Rechtsfolgenseite sieht die ROG-Novelle vor, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einem Antrag auf Abweichung von einem Ziel der Raumordnung stattgegeben werden „soll“. Damit steht der zuständigen Raumordnungsbehörde künftig nur noch ein intendiertes Ermessen zu. D.h. sofern kein atypischer Fall vorliegt, ist der Zielabweichung zuzustimmen. Anders als in Sachsen, wo nach § 20 Abs. 3 SächsLPlG das Tatbestandsmerkmal der „Berührung von Grundzügen der Planung“ entfällt, belässt es der Bundestag mit der beschlossenen Novelierung des Raumordnungsgesetzes bundesweit damit bei einer Änderung auf der Rechtsfolgenseite.

Ausblick: Welche Anforderungen werden an die SUP gestellt?

Ob die Änderungen der ROG-Novelle die erhoffte Verfahrensbeschleunigung n der Praxis bewirken wird sich erst zeigen müssen. Denn insbesondere eine Frage stellt sich: Welche Anforderungen werden künftig an die Strategische Umweltprüfung (SUP) gestellt? So entfällt nach sämtlichen Vorschriften der ROG-Novelle die UVP und Artenschutzprüfung nur, wenn das jeweilige Vorhaben in einem Gebiet geplant wird, für das eine SUP durchgeführt wurde. Dem Wortlaut zufolge kommt es also lediglich darauf an, dass eine SUP überhaupt durchgeführt wurde. Die Qualität der Prüfung wäre damit unerheblich. Spannend wird es aber dann, wenn in einem zehn Jahre alten Regionalplan nur eine vage SUP durchgeführt wurde. Sollten Gerichte in diesem Fall zu der Überzeugung kommen, dass doch eine UVP durchgeführt werden muss, wäre eine erhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen. Der erhoffte Verfahrensbeschleuniger für den Ausbau der Erneuerbaren Energien würde dann verpuffen.

Im Fall von PV-Freiflächen ist zudem unklar, ob der Gesetzgeber durch die neue Regelung des § 14c UVPG Projektierer:innen tatsächlich eine Verfahrensbeschleunigung präsentiert oder sich diese Regelung nach dem 30.06.2023 sogar als Nachteil darstellt.

Zielabweichungsverfahren: Erleichterungen auf Tatbestandsebene erforderlich

Zusätzlich ist im Rahmen der Änderung des § 6 Abs. 2 ROG zu bemängeln, dass anders als in Sachsen auf Bundesebene lediglich auf der Rechtsfolgenseite nachgebessert wurde. Fälle aus der Praxis machen deutlich, dass nur eine Erleichterung auf der Tatbestandsebene den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen kann. Damit bleibt die jetzt vom Bundestag beschlossene Novellierung des Raumordnungsgesetzes hinter den Erwartungen der Projektierer:innen für verfahrensbeschleunigende Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zurück.