Strompreisbremse – Gesetz inklusive Erlösabschöpfung sorgt für Verwirrung
« NewsübersichtMit dem Strompreisbremsegesetz werden bei Stromerzeugern die Überschusserlöse abgeschöpft. Welche Ausnahmeregelungen greifen und wie erfolgt die Berechnung? – Ein Überblick!
Das Strompreisbremsegesetz (StromPBG) mit dem Bürger:innen und Unternehmen durch eine günstigere Basisversorgung von den stark gestiegenen Stromkosten entlastet werden sollen, ist am 24. Dezember 2022 in Kraft getreten. Zur Finanzierung sollen Stromerzeuger beitragen, indem Einnahmen die über einen Maximalertrag hinausgehen zu 90 % abgeschöpft werden, § 14 Abs. 1 StromPBG. Die verbleibenden 10 % sollen Anreiz dafür geben, weiter nachfrageorientiert zu produzieren. Wir geben einen Überblick, welche Rechtsfragen für Stromerzeuger jetzt von Bedeutung sind.
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Der Überblick: Worauf müssen Stromerzeuger jetzt achten?
Die für Stromerzeuger besonders relevanten Regelungen im Überblick:
1. Ausnahmeregelung für Biogasanlagenbetreiber (§ 13 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 a) StromPBG)
Biogasanlagen sind von der Regelung ausgenommen, wenn ihre Bemessungsleistung unter 1 MW liegt. Bei flexibilisierten Biogasanlagen könnte daher eine „Drosselung“ von Vorteil sein, um die 1 MW-Grenze nicht zu überschreiten. Zudem wurde für Biogasanlagen der Sicherheitszuschlag erneut angehoben auf nun 9 ct/kWh. Auf Seite der Erneuerbaren ist nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 StromPBG Biomethan zudem vollständig von der Abschöpfung ausgenommen, um den Umstieg von Erd- auf Biogas weiter anzuregen. Zudem sollen die Kraftwerke Flexibilität zur Verfügung stellen. Damit wird das entsprechende europäische Recht, die Verordnung (EU) 2022/1854 umgesetzt.
2. Ausnahmeregelung für sonstige EE-Anlagen bis 1 MW Leistung (§ 13 Abs. 3 Nr. 2 b) StromPBG)
Von der Erlösabschöpfung sind EE-Anlagen mit einer installierten Leistung bis zu 1 MW ausgenommen.
Da jedoch PV-Freiflächenanlagen – und moderne WEA sowieso – in der Regel auf mehr als 1 MW ausgelegt sind, werden hiervon hauptsächlich kleinere Stromerzeuger profitieren. Zu beachten ist allerdings, dass eine Anlagenerfassung auf die entsprechende Anwendung von § 24 Abs. 1 EEG 2023 beschränkt ist, § 24 Abs. 2 EEG gilt dagegen nicht. Insofern sind ausnahmsweise auch Windenergie- und Freiflächenanlagen nicht der dort geregelten zeitlich und räumlich weiten Zusammenfassung (auf das Gemeindegebiet) unterworfen. Damit findet eine Zusammenfassung mehrerer Anlagen nur statt, wenn sich diese insbesondere auf demselben Grundstück, Gebäude, demselben Betriebsgelände oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden.
3. Erlösabschöpfung nur bei Netzeinspeisung (§ 13 Abs. 3 Nr. 5 StromPBG)
Nicht erfasst sind Strommengen, die ohne Inanspruchnahme eines Netzes erzeugt und verbraucht werden, § 13 Abs. 3 Nr. 5 StromPBG. Damit sind bspw. Kraftwerkseigenverbräuche oder Stromlieferungen über Direktleitungen nicht von der Abschöpfung erfasst. Unglücklicherweise spricht das Gesetz hier nur von „Netz“, die Gesetzesbegründung aber von „öffentlichen Netzen“. Ob Stromlieferungen über geschlossene Verteilernetze erfasst sein sollen, erscheint damit unklar. Jedenfalls innerhalb von Kundenanlagen dürfte die Abschöpfung damit aber entfallen.
4. Zahlungsmodalitäten der Überschusserlöse (§ 14 Abs. 1 StromPBG)
Die Zahlung der Überschusserlöse muss bis zum 15. Kalendertag des fünften Monats erfolgen, der auf den jeweiligen Abrechnungszeitraum folgt. Der erste Abrechnungszeitraum beginnt am 1. Dezember 2022 und endet am 31. März 2023. Die weiteren Abrechnungszeiträume sind quartalsbezogen.
5. Berechnung der Überschusserlöse (§§ 16 – 18 StromPBG
Im Ausgangspunkt legt § 16 StromPBG fiktive (Überschuss)Erlöse für einzelne Energieträger fest. Bei den Erneuerbaren ergibt sich dieser fiktive Erlös aus dem Produkt der erzeugten Strommenge und energieträgerspezifischen Monatsmarktwert nach Anlage 1 Nummer 3.3 EEG. Von diesen fiktiven Erlösen werden in einem nächsten Schritt energieträgerspezifische Referenzkosten abgezogen. Diese sollen die Stromgestehungskosten abdecken und bei den Anlagenbetreibern verbleiben. Anders als es das europäische Recht im Grundsatz vorsieht, wird also nicht eine einheitliche Erlösobergrenze von 180 EUR pro MWh eingeführt. Vielmehr macht die Bundesregierung von der Ausnahmeregelung nach Art. 8 Abs. 1 Verordnung (EU) 2022/1854 gebrauch und differenziert je nach Technologie.
Die bei den Anlagenbetreibern verbleibenden Referenzkosten finden sich für die Erneuerbaren in § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StromPBG. Für Anlagen in der geförderten Direktvermarktung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EEG gilt schlicht der anzulegende Wert zuzüglich eines „Sicherheitszuschlages" von 3 EUR pro MWh. Der gleiche Wert gilt für Anlagen, die sich in der sonstigen Direktvermarktung befinden, § 16 Abs. 1 Nr. 2 a StromPBG.
Für Anlagen die für den jeweiligen Kalendermonat keinen EEG-Förderanspruch (mehr) haben, gilt nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 b StromPBG als Referenzkosten ein Wert von 10 EUR pro MWh zuzüglich wiederum 3 EUR pro MWh Sicherheitszuschlag. Dies können Anlagen sein, die entweder weil die Voraussetzungen des jeweiligen Förderanspruchs nicht erfüllen oder aber auch nie an einer Ausschreibung teilgenommen haben. Der Sicherheitszuschlag entfällt zudem für ausgeförderte Anlagen, da diese sich bereits refinanziert haben und laut Gesetzesbegründung ein wirtschaftlicher Betrieb auch ohne Sicherheitszuschlag möglich sein soll.
Alternativ zu den unterstellten Erlösen nach dem jeweiligen Monatsmarktwert, können Anlagenbetreiber mit PPA und Direktvermarktungsverträgen die vor Ablauf des 31.11. 2022 geschlossen wurden, auch die tatsächlichen vertraglichen Erlöse zugrunde legen. In diesem Fall gilt für die Referenzkosten eine Untergrenze von 8 EUR pro MWh, zugleich verringert sich der Sicherheitszuschlag auf 1 EUR pro MWh.
Die auf diesen Wegen ermittelten Überschusserlöse werden in einem letzten Schritt nach § 17 StromPBG noch einmal um Ergebnisse aus sog. Absicherungsgeschäften korrigiert. Der Begriff wird im Gesetzestext unglücklicherweise nicht definiert. Die Gesetzesbegründung nennt hier aber insbesondere Hedging und Termingeschäfte. Hinsichtlich der Anrechnung der Ergebnisse dieser Absicherungsgeschäfte wird wiederum unterschieden, ob diese vor oder nach dem 01.11.2022 geschlossen wurden. Damit sollen Umgehungsgeschäfte erschwert werden.
Ausblick: Unions- und verfassungsrechtliche Bedenken sorgen für Rechtsunsicherheit
Es gibt zahlreiche Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Strompreisbremsegesetzes. Verstöße gegen EU-Recht und das Grundgesetz werden besonders in dem Mechanismus zur Abschöpfung von Überschusserlösen gesehen.
Unions- und verfassungsrechtliche Fragen wirft speziell die Berechnung des „Überschusserlöses“ für Neuverträge bei Bestandsanlagen ab dem 1. November 2022 auf, da diese auf einem fingierten Spotbenchmark-Erlös beruht, der sich aus dem durchschnittlichen Spotbenchmarkpreis und einer Obergrenze errechnet, § 18 Abs. 1 StromPBG. Diese fingierte Berechnung wird insbesondere PPA-Betreibern zum Verhängnis: Diesen wird ein Erlös abgeschöpft, den sie tatsächlich nie erwirtschaftet haben und der umso höher ausfällt, je höher die Spotmarktpreise sind. Lediglich für Altverträge gilt, dass anstelle des Spotmarktpreises der tatsächlich vereinbarte PPA-Preis als Referenz für die Überschusserlöse herangezogen wird.
Dieser erhebliche Eingriff hat zur Folge, dass OTC-Märkte an Liquidität verlieren, weil PPA-Anlagenbetreiber in die börslich organisierten, an den Spotmarktpreis geknüpfte Märkte flüchten. Damit können vor allem grüne PPAs ihren Stromkunden keine langfristig stabilen Preise anbieten. Zugleich steigen damit die Preise für Ökostrom, dank Merit-Oder. Derartige strukturelle Veränderungen könnten dem Gebot der Nichtverzerrung des Funktionierens des Stromgroßhandelsmarkts widersprechen und damit gegen die – an „realisierte Erträge“ anknüpfende – EU-Notfall-Verordnung (VO (EU) 2022/1854) verstoßen, vgl. dazu insb. ErwG 30 VO (EU) 2022/1854. Des Weiteren könnte die Abschöpfung das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG verletzen, da diese staatlichen Abgabenlasten in gewissen Konstellationen konfiskatorisch wirken könnten und das ist – wie das BVerfG entschied – verfassungswidrig.
Für Absicherungsgeschäfte, die vor dem 1. November 2022 abgeschlossen wurden, sieht der Gesetzestext keine abschließenden Regeln vor, wie diese vom Eigenhandel abgegrenzt werden und den planmäßigen Einspeisungen aus der Stromerzeugungsanlage konkret zugeordnet werden können. Diese Unschärfe ist insbesondere für nachgelagerte Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbestände mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit und Normenbestimmtheit kritisch zu betrachten.
Diese unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken führen unweigerlich zu Rechtsunsicherheit im Markt. Die langfristigen Folgen des Strompreisbremsegesetzes bleiben daher abzuwarten.