Übersicht über die planerischen Instrumente auf Bundesländerebene
« NewsübersichtI. Einleitung
- Gesetzgeberische und planerische Instrumente können die Errichtung von Anlagen zur Nutzung
der Erneuerbaren Energien sinnvoll steuern aber auch Hindernisse bilden.
- Diese Hindernisse gilt es schon durch entsprechende gesetzliche Grundlagen auszuräumen.
- Darüber hinaus muss der effektive Einsatz planerischer Instrumente zur Förderung der Nutzung
Erneuerbarer Energieträger insbesondere auf Bundesländerebene gesichert werden.
II. Aktuelle Rechtslage
1. Bundesebene
- Erleichterung der Errichtung von Anlagen der Erneuerbaren Energien im unbeplanten
Außenbereich intendiert durch Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 BauGB:
- Privilegierung von Windenergieanlagen (Nr. 5)
- Privilegierung von Biomasseanlagen (Nr. 6) (unter engen Voraussetzungen)
- Aber: keine Privilegierung von Photovoltaikanlagen
- Praxis: planerische Steuerung durch überörtliche Regional- und örtliche Bauleitplanung schränkt
vorhandene gesetzgeberische Privilegierungen ein
2. Länderebene
- Pflicht der Länder wg. § 8 Abs. 1 ROG : -> überörtliche Raumordnungsplanung
- Festlegung der Grundsätze/Ziele der Raumordnung
- Planung der Raumstruktur
(Welche Nutzungen in welchem Gebiet?)
- Sicherung räumlicher Erfordernisse verschiedener Nutzungen und Interessen
- Raumordnungspläne: → Landesentwicklungsplan/ Landesentwicklungsprogramm
- landesweiter Raumordnungsplan Beschluss durch die Landesregierung
- Regionalplan/ Regionales Entwicklungsprogramm
- regionale, überörtliche Planung Vorgabe der Ziele der Raumordnung für die kommunale
Bauleitplanung Beschluss durch den Träger der Regionalplanung
- wichtigstes planerisches Instrument in Raumordnungsplänen in Bezug auf Anlagen zur Nutzung
Erneuerbarer Energien: (am konkreten Beispiel Windenergieanlagen)
→ Ausweisung von:
- Vorranggebieten: (Windenergienutzung vorrangig; Ausschluss anderer Nutzungen in
diesem Gebiet)
- Eignungsgebieten: (Gebiet für Windenergienutzung besonders geeignet; andere Nutzungen
und Belange hier nicht entgegen; Ausschluss Windenergienutzung in anderen Gebieten)
- Vorbehaltsgebieten: (Windenergienutzung ist bei Abwägung mit konkurrierender Nutzung
besonderes Gewicht beizumessen, so dass das Interesse daran meist überwiegt)
- In der Praxis meist Vorranggebiete mit Eignungsgebietsfunktion
→ Windenergieanlagen ausschließlich in diesen Gebieten zulässig
- Wesentliches Problem bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen:
- Freiflächenanlagen im Außenbereich in § 35 BauGB nicht privilegiert
→ Errichtung nur bei bestehendem Bebauungsplan zulässig
- darauf besteht kein Anspruch der Vorhabenträger Bebauungsplan und damit
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ist abhängig von der Mitwirkung der Gemeinde
- Wesentliches Problem bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen:
- derzeit i.d.R. keine regionalplanerischen Zielvorgaben, die die Gemeinden zur Aufstellung
von Bauleitplänen für die PV-Nutzung verpflichten würden
- statt dessen: einzelne Regionalpläne enthalten mittlerweile ausdrücklich Ausschlussgebiete
für die Nutzung der Sonnenenergie
→ Grundproblem:
Planungsträger weisen im Ergebnis wenige Gebiete aus, in denen die Nutzung der Erneuerbaren
Energien möglich ist, stattdessen weitreichender Ausschluss in Regionalplänen
III. Strategischer Ausblick
- Bedarf an weitergehenden gesetzlichen Regelungen, die die verschiedenen Planungsträger zur
besseren Förderung der Erneuerbaren Energien verpflichten bzw. anhalten
- So Abbau bestehender Genehmigungshindernisse möglich und damit eine Erleichterung der
Errichtung von regenerativen Energieanlagen
- Im folgenden: Konkrete Ansätze für gesetzgeberische Maßnahmen auf Landesebene sowie
regionalplanerische Möglichkeiten, zu deren Ausnutzung die Träger der Regionalplanung
angehalten werden müssen
am Beispiel des Landes Baden-Württemberg
1. Optimierungsgebot
- im Planaufstellungsverfahren: Abwägung aller Belange und Interessen
- hier kann der städtebauliche und raumordnerische Belang der Nutzung und Förderung von
Anlagen der Erneuerbaren Energieträger in einschlägigen Gesetzen als besonders gewichtig
hervorgehoben werden
→ z.B.: Aufnahme eines Optimierungsgebots in § 2 LPlG BaWü (Leitvorstellungen der
Regionalplanung)
- Qualifizierung der Nutzung der Erneuerbaren Energieträger als überragendes öffentliches
Interesse mit besonderem Gewicht
- besonderes Gewicht rechtfertigt sich aus positiven Klimaeffekten und Natur- und
Landschaftsschutz
→ Weitere Möglichkeit:
- gesetzliche Anordnung, dass gewisse Prozentzahl der Landesfläche als Vorranggebiet für
raumbedeutsame Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien ausgewiesen werden
muss
- Quantifizierung als gesetzgeberisches Ziel der Raumordnung
2. Regelmäßige Aktualisierung der Regionalpläne
- Anordnung regelmäßiger Aktualisierung der Regionalpläne durch die Planungsträger
→ z.B. in § 12 LPlG BaWü (Planungsverfahren)
- Vorgabe trüge dem größeren Anpassungsbedarf im Hinblick auf den raschen technologischen
Fortschritt im Bereich der Erneuerbaren Energien Rechnung
→ dient der Effizienzsteigerung
3. Selbsteintrittsrecht der oberen Landesplanungsbehörde
- Aktuell: zögerliche Planungspraxis bzw. Verhinderungsplanung auf Ebene der Regionalplanung
hinsichtlich der Nutzung Erneuerbarer Energieträger
- § 13 Abs. 1 LPlG BaWü sieht lediglich vor, dass oberste Raumordnungs- und
Landesplanungsbehörde Genehmigung eines rechtlich zweifelhaften Regionalplans verweigern
kann
→ dann Nachbesserung notwendig
→ kostet Zeit; währenddessen wird den Vorhaben zur Nutzung Erneuerbarer
Energien regelmäßig gemäß § 35 Abs. 3 BauGB der Planentwurf entgegengehalten
→ obere Landesplanungsbehörden haben keine positiven Korrekturmöglichkeiten im
Nachbesserungsverfahren!
→ Lösung über Selbsteintrittsrecht der oberen bzw. obersten Landesplanungsbehörde
- aktive Korrektur von Planungsfehlern möglich
- Schaffung Rechtssicherheit
- Selbsteintrittsrecht kann an Fristen gekoppelt werden, innerhalb derer ein neuer bzw. geänderter
Regionalplan zur Genehmigung vorliegen muss, um Selbsteintritt der landesplanerischen
Genehmigungsbehörde zu verhindern
4. Erfordernis der Zustimmung des Landtags zum Landesentwicklungsplan
- § 9 Abs. 9 LPlG BaWü: Landesentwicklungsplan wird durch die Landesregierung beschlossen (nach
Aufstellung durch Landesplanungsbehörden)
- Zu beachten: Landesentwicklungsplan kann verbindliche Vorgaben für alle nachfolgenden
Planungsebenen enthalten
→ Beteiligung des Landtags kann umfassender Interesseneinbeziehung und -abwägung sowie
demokratischer Kontrolle dienen
5. Zusätzliche Ausweisung von Vorbehaltsgebieten
- Gebiete, die wegen der Überörtlichkeit der Planung auf der Regionalplanebene noch nicht
abschließend zugunsten der Erneuerbaren Energien abgewogen werden können, werden in der
von der Rechtsprechung gestützten Planungspraxis im Regionalplan nicht als Vorranggebiet
vorgesehen, auch wenn tatsächlich entgegenstehende Belange noch nicht hinreichend ermittelt
werden konnten
- das führt zu einem übermäßigen Umfang der Gebiete mit Ausschlusswirkung, in denen die
Nutzung der Erneuerbaren Energien von vornherein ohne eingehende Prüfung unzulässig ist
- mögliche Lösung: dort Ausweisung von Vorbehaltsgebieten bestehenden Vorrang- und
Eignungsgebieten zusätzlich zu
- Effekt: Nutzung der Erneuerbaren Energien ist in diesen Gebieten nicht von vornherein
ausgeschlossen
- Eröffnung der genaueren Ermittlung und Abwägung aller betroffenen Belange
- Abwägungsauftrag wird an nachfolgende (sachlich und örtlich nähere) Planungsebene
weitergegeben
→ in Vorbehaltsgebiet für die Nutzung Erneuerbarer Energien besteht ein erhöhtes
öffentliches Interesse an dieser Nutzung
→ Durchsetzung dieser Nutzungsart erleichtert
6. Restriktive Anwendung von Kriterien für den Ausschluss von Erneuerbaren Energieträgern
- Ausschlussgebiete (Tabubereiche) sind durch die Rechtsprechung als planerisches
Entscheidungsinstrument anerkannt
- in Tabubereichen hinsichtlich der Nutzung Erneuerbarer Energien ist diese von vornherein
ausgeschlossen
- Aber: Tabubereiche und Ausschlusskriterien müssen sich hinsichtlich ihrer Ausdehnung auf den
Schutzzweck des durch die geschützten Gebiets beschränken!
- Beispiel 1: Waldgebiete sind häufig regionalplanerisch von vornherein komplett als
Ausschlussgebiete für die Windenergienutzung festgelegt
Aber: Innerhalb solcher Waldflächen existieren mitunter große Freiflächen, die die
Errichtung von Windenergieanlagen auch mit notwendigem Abstand zum
Baumbestand ermöglichen
→ Restriktive Anwendung dieses Ausschlusskriteriums würde zur Herausnahme solcher Freiflächen
aus dem Tabubereich „Wald“ führen und die Nutzung der Windenergie dort grundsätzlich
ermöglichen
- Beispiel 2: Ausschluss von Windenergieanlagen mit Hinweis auf Artenschutz und
mögliche Schlagopfer (Vögel, Fledermäuse)
Aber: Studien bzgl. Fledermausgefährdung belegen, dass jeder WEA-Standort nach seiner
genauen Anlagenkonfiguration gesondert betrachtet werden muss und lehnen eine
pauschale Ausweisung ganzer Ausschlussgebiete ab
→ Bessere Konfliktlösung durch Standortwahl, technische Vorkehrungen, vorübergehende
Abschaltung unter bestimmten Bedingungen
→ Regelung im Rahmen des konkreten Genehmigungsverfahrens angemessener (z.B. durch
Auflagen)
- Beispiel 3: pauschale Abstandszone um denkmalgeschützte Bereiche als
Ausschlusskriterium (läuft letztlich auf bloße Beibehaltung des Erscheinungsbildes
bestimmter Gebiete hinaus -> das allein ist noch kein öffentlicher Belang!)
Aber: unterschiedliche tatsächliche Gegebenheiten (Sichtbeziehungen, topographische
Besonderheiten, Vorbelastungen)
→ Im Ergebnis würde es in manchen solcher Ausschlussgebiete gar nicht zu Beeinträchtigungen des
Denkmalschutzes kommen
7. Klarstellung in § 14 BauNVO
- § 14 Abs. 2 S. 1 BauNVO: „Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und
Wasser ... dienenden Nebenanlagen können in den Bebauungsgebieten als Ausnahme zugelassen
werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind.“
- Obwohl nach dem Gesetzeswortlaut (§ 14 Abs. 2 S. 1 und 2 BauNVO) eine räumliche und
funktionelle Unterordnung der Anlagen für Erneuerbare Energien gerade nicht erforderlich ist,
werden diese Voraussetzungen in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur sehr häufig auch
für diese Anlagen gefordert.
→ Hier ist eine klarstellende Regelung im Gesetz erforderlich!
- insbesondere: Anlagen für die Nutzung Erneuerbarer Energien sind im Regelfall industrielle
bzw. gewerbliche Nebenanlagen.
- außerdem: § 14 Abs. 2 S. 1, 2 BauNVO verlangt keine funktionale und räumliche
Unterordnung der Versorgungsanlage in Bezug zur Hauptanlage.
8. Aktiver Bestandsschutz im Rahmen des Repowerings
- § 35 Abs. 4 BauGB: Nutzungsänderung, Neuerrichtung und bauliche Erweiterung vorhandener
Gebäude sind auch bei vorhandener Bauleitplanung oder fehlender Außenbereichsverträglichkeit
erlaubt, wenn im Wesentlichen die bisherige Nutzung weiterhin ermöglicht wird
- Vergleiche Repowering: vorhandene Windenergienutzung wird durch bauliche Maßnahmen
aufrechterhalten und erweitert (übertragbar auf PV- und Biogasanlagen)
- In diesem Zusammenhang bietet sich für das Repowering eine eigene Regelung an:
→ z.B. in einem § 35 Abs. 4 a BauGB:
- Ziele der Raumordnung, Darstellungen eines Flächen nutzungsplans usw. können
einem Vorhaben nicht entgegen gehalten werden, wenn:
- Vorhaben = Neuerrichtung einer Windenergieanlage nach Abbau und anstelle einer
oder mehrerer bereits vorhandener Windenergieanlagen
- neue Windenergieanlage muss mindestens doppelte Leistung der ersetzten
Windenergieanlage(n) aufweisen (Repowering)
IV. Zusammenfassung
- bereits auf bundesgesetzlicher Ebene gibt es kaum eine hinreichende Grundlage für planerische
Instrumente auf der Bundesländerebene
(siehe fehlende Privilegierung PV-Freiflächenanlagen oder hohe Anforderungen an Privilegierung
von Biomasseanlagen)
- auf der Ebene der Landesgesetzgebung ist es insbesondere durch Änderungen in den
Landesplanungsgesetzen möglich, die überörtliche Raumordnungsplanung und damit mittelbar
auch die örtliche Bauleitplanung an die Bedürfnisse der Nutzung Erneuerbarer Energieträger
anzupassen
© MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH