Tracking pixel Windenenergie – OVG Koblenz zur Zulässigkeit einer Kleinwindenergieanlage für die Eigenversorgung · MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Windenenergie – OVG Koblenz zur Zulässigkeit einer Kleinwindenergieanlage für die Eigenversorgung

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Nach Auffassung des OVG Koblenz erfüllt eine Kleinwindenergieanlage im Außenbereich auch dann die Voraussetzungen eines privilegierten Vorhabens nach § 35 I Nr. 5 BauGB, wenn sie ausschließlich zur privaten Stromversorgung errichtet wird.

Die Kläger – Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstücks – beabsichtigen, auf diesem vier Kleinwindenergieanlagen (mit je 6,50 m Gesamthöhe) zur Eigenversorgung zu errichten. Nachdem die zuständige Behörde auf die Genehmigungspflicht hingewiesen hatte, stellten die Kläger einen Antrag auf einen Bauvorbescheid, den das Verwaltungsgericht Koblenz (27.02.2023 - 1 K 604/22.KO) letztlich zugunsten der Kläger entschied. Das Verwaltungsgericht befand, dass das Vorhaben zwar genehmigungspflichtig sei, jedoch keine öffentlichen Belange nach § 35 BauGB entgegenstünden, da es sich um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 I Nr. 5 BauGB handele. Das OVG Koblenz  (04.04.2024 - 1 A 10247/23.OVG) hatte nun über die von der Beklagten eingelegte Berufung zu entscheiden.

Müssen Windenergieanlagen der öffentlichen Energieversorgung dienen?

Kernfrage der Entscheidung des OVG Koblenz war, ob Kleinwindenergieanlagen nur nach § 35 I Nr. 5 BauGB privilegiert seien, wenn sie der öffentlichen Energieversorgung dienen. In seinem Urteil stellt das Gericht klar, dass dieser Privilegierungstatbestand umfasst auch private (Klein-)Windenergieanlagen zur Eigenversorgung. Die Entscheidung begründet sich wie folgt:

1. Der Privilegierungstatbestand „Nutzung der Windenergie“

Das Baugesetzbuch verlangt für die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich lediglich, dass die Windenergieanlagen die natürliche Luftbewegung zur Stromerzeugung nutzen. Diese objektive Voraussetzung erfüllt auch eine Kleinwindenergieanlage zur privaten Stromversorgung. Das Gericht betont dabei, dass es keine ungeschriebenen Kriterien für eine öffentliche Versorgungsaufgabe gibt.

2. Kein Ausschluss privater (Klein-)Windenergieanlagen aus der Privilegierung

Historisch betrachtet, wurde der Privilegierungstatbestand für erneuerbare Energien geschaffen, um eine umweltfreundliche Energieversorgung im Außenbereich zu erleichtern. Das Gesetz verfolgt das Ziel, CO₂-Emissionen durch verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien zu senken. Nach Ansicht des OVG Koblenz gibt es keine Hinweise, dass der Gesetzgeber ausschließlich Windenergieanlagen für die öffentliche Stromversorgung privilegieren wollte. Die Formulierung des Gesetzes bleibe bewusst offen - auch für private (Klein-)Windenergieanlagen zur Eigenversorgung. Das OVG weist zudem darauf hin, dass eine einschränkende Auslegung zugunsten öffentlicher Windenergieanlagen nicht mit dem Regelungsziel des § 2 EEG namentlich der Förderung erneuerbarer Energien im Außenbereich vereinbar wäre.

Keine Gefahr des Wildwuchses durch private Kleinwindenergieanlagen

Die Beklagte und ansässigen Gemeinde hatten die Sorge, dass mit den privaten Kleinwindanlagen im Außenbereich eine unkontrollierte Ausbreitung einhergehen könnte (sog. „Wildwuchs“ oder „Verspargelung“). Das OVG Koblenz sieht diese Befürchtung zu Recht als unbegründet. Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind Kleinwindanlagen nur rentabel, wenn ein Abnehmer in der Nähe den Strom nutzt oder eine Netzeinspeisung kostengünstig möglich ist. Da diese Voraussetzungen im Außenbereich selten erfüllt sind, bleibt die Verbreitung solcher Kleinwindenergieanlagen begrenzt.

Keine entgegenstehenden öffentlichen Belange

Den 4 Kleinwindenergieanlagen stehen auch keine wesentlichen öffentlichen Belange entgegen, so das OVG Koblenz. Als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich führt nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Belange zur Unzulässigkeit; vielmehr ist eine Abwägung zwischen dem Zweck des Vorhabens und den betroffenen Belangen notwendig. Der Gesetzgeber misst dem Interesse an privilegierten Vorhaben im Außenbereich besonderes Gewicht bei, wobei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 EEG 2023 die Erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung einzubringen sind. Die Belange einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder das Risiko einer Splittersiedlung lehnte das Gericht im Ergebnis ab:

  • Keine wesentliche Veränderung des Landschaftsbildes: Die nahe am Wohnhaus errichteten Kleinwindanlagen (6,50 m Höhe, 0,60 m Rotordurchmesser) beanspruchen nur geringe Flächen, beeinträchtigen die Flächennutzungs- und Landschaftsplanung kaum und sind optisch am Waldrand wenig sichtbar.
  • Kein Risiko einer Splittersiedlung: Zudem entfalten die Kleinwindanlagen keine Vorbildwirkung, die eine unerwünschte Zersiedlung fördern würde, da sie ausschließlich zur Eigenversorgung dienen und ihnen als Vorbild für eine Wohnbebauung von vorneherein die Eignung fehle, so das OVG Koblenz. Auch weitere Kleinwindanlagen durch Dritte sind aufgrund mangelnder Rentabilität unwahrscheinlich, was das Risiko einer „Splittersiedlung“ ausschließe.

OVG Koblenz revidiert Rechtsauffassung von 2018

Das erstinstanzliche VG Koblenz hatte die Berufung zugelassen, weil das Gericht mit diesem Urteil von einer vergangenen Entscheidung des OVG Koblenz vom 24. Oktober 2018 (8 A 10287/18.OVG) abgewichen ist. Das OVG Koblenz hat nun seine Rechtsauffassung revidiert und stärkt mit seinem Urteil die Möglichkeit, Windenergie auch für private Zwecke im Außenbereich zu nutzen, ohne an die öffentliche Energieversorgung gebunden zu sein. In welchem Maße jedoch für Privateigentümer im Außenbereich tatsächlich die Errichtung und Nutzung einer (Klein-)Windenergieanlage wirtschaftlich rentabel ist, bleibt dahingestellt. Angesichts der globalen Klimakrise und der geopolitisch möglichen Gefährdung der individuellen Stromversorgung insgesamt ist es vielleicht aber nicht nur das Geld allein, dass für die Entscheidung zu Errichtung einer Kleinwindanlage spricht.



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