Windenergie – Duldungspflicht der Grundstücksüberfahrt
« NewsübersichtEin Erfolg für die Erneuerbaren Energien! Trotz starkem Widerstand seitens der Gemeinde und schwieriger Projektlage ist die Überfahrt über fremde Grundstücke möglich. OLG Dresden verpflichtet Gemeinde zur Duldung des Erschließungs- und Errichtungsverkehrs.
Die Entscheidung des OLG Dresden (Urteil v. 16.02.2024 - 9 W 34/24) beendet einen turbulenten Fall, in dem starke gemeindliche Gegenwehr herrschte und zeigt, dass selbst bei großen Herausforderungen ein erfolgreicher Ausgang möglich ist. Die Kommune ist nun verpflichtet die Grundstücksüberfahrt auf dem nicht-öffentlichen Weg zur Errichtung der Windenergieanlagen zu dulden. Und das, auch ohne eine spezialgesetzliche Duldungspflicht wie sie im Solarpaket mit § 11b EEG-E vorgesehen ist.
Der Sachverhalt: Ein mühsamer Kampf gegen die Widerstände der Gemeinde
Der Fall vor dem OLG Dresden ist (leider) ein Paradebeispiel für viele herausfordernde Windenergieprojekte. Die ansässige Gemeinde, versuchte mit allen Mitteln die zwei Windenergieanlagen zu verhindern:
Die zwei geplanten Windenergieanlagen nördlich der sächsischen Ortschaft Kleinschirma (Gemeinde Oberschöna, weitere Infos zum Projekt hier) wurden trotz Veränderungssperren, der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens und einer Bürgerinitiative immissionsschutzrechtlich genehmigt. Nach der erfolgreichen Genehmigung ging es für die Projektierer um die vertragliche Sicherung der Errichtungs- und Erschließungswege. Bei der geplanten Wegführung führten einige Meter über den nicht-öffentlichen Weg des sonst nicht weiter genutzten Grundstücks der ansässigen Gemeinde. Mit einigen Monaten Vorlauf vor dem geplanten Baubeginn, begannen daher die Vertragsverhandlungen zwischen Projektierer und Gemeinde über die Nutzung des Weges zur Überfahrt. Die Gemeinde sah hier die Chance die Nutzung des privaten Weges zu verweigern, da es sich nicht um eine öffentliche Straße handelte, weshalb es mit der Gemeinde zu keiner außergerichtlichen Lösung kam.
Das Urteil des OLG Dresden: Duldungspflicht der Gemeinde
Die Projektierer stellten daraufhin beim Landgericht Dresden einen Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Duldung der Nutzung des gemeindlichen Grundstückes. Der Antrag wurde wegen angeblich fehlender Eilbedürftigkeit binnen 24 Stunden abgewiesen. Die Gemeinde zweifelte neben der Eilbedürftigkeit auch an der Zuständigkeit des Zivilgerichts und grundsätzlich am Bestehen der Pflicht zur Duldung der Grundstücksüberfahrt. Doch die Beschwerde des Projektierers vor dem Oberlandesgericht Dresden hatte Erfolg und wies die Gemeinde in allen drei Punkten zurück:
1. Eilbedürftigkeit
- Das Gericht sah die Eilbedürftigkeit gegeben, da die Gemeinde erst nach einigen Monaten der Verhandlung und als der geplante Baubeginn kurz bevorstand sich dahingehend klar und deutlich positioniert hat, dass sie die Nutzung verweigert. Projektierer sind aber an einen engen Zeitplan gebunden und erhebliche Verzögerungen des Vorhabens können etwaige Pönalen oder sogar ein Erlöschen des Zuschlags nach §§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 36e EEG nach sich ziehen.
2. Zivilrechtsweg
- Das OLG Dresden sah den Zivilrechtsweg eröffnet, da der streitgegenständliche Weg weder dem öffentlichen Verkehr noch der öffentlichen Nutzung als gemeindliche Einrichtung gewidmet sei. Die Gemeinde machte vielmehr nur ihre privatrechtlichen Eigentümerrechte geltend.
3. Duldungspflicht der Grundstücksüberfahrt
- Die Anspruchsgrundlage auf Duldung der Grundstücksüberfahrt besteht dem Gericht zufolge aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses i.V.m. § 242 BGB. Die Gemeinde ist als Nachbarin zur Rücksichtnahme verpflichtet und hat entsprechende Duldungspflichten zu erfüllen. Die Projektiererin ist aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Berechtigte eines solchen Duldungsanspruchs.
Ausblick: § 11b EEG kann für Erleichterung sorgen, doch es geht auch ohne!
Mit einer gesetzlichen Duldungspflicht – wie der Entwurf des Solarpaket I sie mit § 11b EEG vorsieht – wäre die Durchsetzung der Grundstücksüberfahrt zwar vermutlich leichter gewesen, doch wie der Erfolg vor dem OLG Dresden zeigt, ist die Durchsetzung der Überfahrt eines gemeindlichen nicht-öffentlichen Weges dennoch möglich. Für den Errichtungsverkehr auf öffentlichen Wegen und Straßen bedarf es dagegen regelmäßig einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis, welche jedoch nur aus straßenrechtlichen Erwägungen von den Genehmigungsbehörden versagt werden darf. Damit ist die Nutzung öffentlich gewidmeter Wege zwar grundsätzlich klarer geregelt, doch ist die Umsetzung in der Praxis auch hier nicht unproblematisch (wir berichteten hier).