Windenergie – Kündigungsrecht im Nutzungsvertrag rechtssicher ausschließen
« NewsübersichtUneinigkeit zwischen OLG Hamm und OLG Naumburg zu den Anforderungen an den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts in Nutzungsverträgen. Was jetzt bei der Sicherung der Grundstücksnutzung für Windenergieanlagen zu beachten ist.
Nutzungsverträge sollen die Grundstücksnutzung für geplante Erneuerbare-Energie-Vorhaben, zumindest für den gesamten Zeitraum der EEG-Förderdauer sichern. Wie dabei die Vertragslaufzeit – befristet oder unbefristet – ausgestaltet ist, hat direkte Konsequenzen auf die Möglichkeit, das ordentliche Kündigungsrecht auszuschließen. Das OLG Hamm (5 U 81/19) hatte zuletzt hohe Anforderungen an den Nutzungsvertrag gestellt, sofern die Parteien das ordentliche Kündigungsrecht vertraglich auch vor Inbetriebnahme der Windenergieanlagen ausschließen wollen. Mit dem aktuellen Urteil (25.1.2024 – 9 U 17/23) weicht das OLG Naumburg nun in genau diesen Punkten ab.
Das Problem: Vertragslaufzeit abhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme
Der Ursprung für die Kündigungsproblematik liegt in der Art und Weise wie die Vertragslaufzeit sowie die Kündigungs- und Rücktrittsmöglichkeiten in Nutzungsverträgen regelmäßig formuliert sind. Die Gestaltung der Vertragslaufzeit erfolgt in Nutzungsverträgen häufig in Form einer Aufteilung in zwei Phasen:
1. Vertragsteil (vor Inbetriebnahme der WEA)
Der erste Vertragsteil beginnt mit Unterzeichnung des Nutzungsvertrags durch beide Parteien und endet mit der Inbetriebnahme der ersten Windenergieanlage. Die Dauer dieser Projektierungsphase und der Eintritt der Bedingung „Inbetriebnahme der ersten WEA“ ist dabei nicht vorhersehbar und in der Folge unbestimmt.
2. Vertragsteil (nach Inbetriebnahme der WEA)
Im Anschluss an die Projektierungsphase beginnt mit der Inbetriebnahme der zweite Teil in der Gestaltung der Vertragslaufzeit. Denn ab der Inbetriebnahme ist die Vertragslaufzeit üblicherweise auf 20 Jahre befristet. Die befristete Laufzeit ist somit an den (ungewissen) Eintritt einer Bedingung geknüpft, vgl. § 158 BGB.
Auswirkungen auf die Kündigungsrechte
Für die gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten bedeutet dies für die zwei Vertragsteile:
- Bis zum Eintritt der Bedingung (1. Vertragsteil) ist die Vertragslaufzeit unbestimmt und damit unbefristet, weshalb gesetzlich grundsätzlich eine ordentliche Kündigung möglich ist (§ 542 Abs. 1 BGB).
- Nach Inbetriebnahme (Bedingungseintritt) ist die Vertragslaufzeit befristet (i.d.R. auf 20 Jahre), womit der zweite, befristete Vertragsteil beginnt. Gesetzlich ist hier grundsätzlich eine Kündigung vor Ablauf der Vertragslaufzeit nicht vorgesehen (§ 542 Abs. 2 BGB), allerdings gilt dies längstens für 30 Jahre (§ 544 BGB).
Enthält der Nutzungsvertrag keine darüberhinausgehenden konkretisierenden Regelungen zum ordentlichen Kündigungsrecht bleibt es bei dieser gesetzlich vorgesehenen Grundkonzeption: Während der unbefristeten Projektierungsphase (1. Vertragsteil) kann der Nutzungsvertrag jederzeit ohne Grund gekündigt werden, da zu diesem Zeitpunkt die – die ordentliche Kündigung sperrende – befristete Vertragslaufzeit noch nicht begonnen hat. Nach Inbetriebnahme der WEA (2. Vertragsteil) ist demgemäß eine ordentliche Kündigung nicht möglich.
Das Ziel: Ausschluss der Kündigung während der Projektierungsphase
Sinn und Zweck des Nutzungsvertrages ist jedoch, die Fläche für den gesamten Zeitraum zu sichern (Planung, Bau und Betrieb), weshalb das ordentliche Kündigungsrecht auch für den ersten Vertragsteil ausdrücklich ausgeschlossen werden kann bzw. sollte. In den beiden Urteilen fehlte den zugrunde liegenden Nutzungsverträgen jedoch ein solcher ausdrücklicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Vielmehr wurde in beiden verhandelten Fällen lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht bzw. ein Rücktrittsrecht geregelt, das jeweils an weitere Voraussetzungen geknüpft war. Beide Gerichte setzten sich daher mit der Frage auseinander, ob die vertraglichen Regelungen zum Rücktritt bzw. zur außerordentlichen Kündigung zugleich konkludent den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts enthalten.
Der Senat des OLG Naumburg folgte nun in der aktuellen Entscheidung dem OLG Hamm noch insoweit, dass für die Vereinbarung eines Ausschlusses der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit grundsätzlich eine eindeutige Willenserklärung beider Parteien erforderlich ist. Bei der Auslegung sind auch beide Gerichte darüber einig, dass die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage bereits in der Planungs- und Projektierungsphase mit hohen Kosten verbunden ist und der Betreiber damit ein besonderes Interesse an dem Bestand der Verträge hat. Ein ordentliches Kündigungsrecht wäre damit kaum vereinbar.
Ob ein konkludenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts möglich ist, wird von den Gerichten allerdings unterschiedlich beurteilt:
- Das OLG Hamm (5 U 81/19) kam 2020 zu dem Ergebnis, dass kein konkludenter Ausschluss im Nutzungsvertrag enthalten sein kann, wenn der Wortlaut einer AGB-Klausel eindeutig ist. Dann sei in der Regel kein Raum für eine Auslegung.
- Dem widerspricht das OLG Naumburg (9 U 17/23) und kommt zu der gegenteiligen Auffassung: Der konkludente Ausschluss ist möglich.
OLG Naumburg: Konkludenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts möglich
Dass die Vertragsparteien mit dem vertraglichen Rücktrittsrecht gleichzeitig konkludent die ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausschließen wollten und dies auch konkludent wirksam ist, begründet das OLG Naumburg wie folgt:
„Gerade vor dem Hintergrund, dass sowohl Verwender, als auch der Vertragspartner Kenntnis davon haben, dass die Planungsphase für die Errichtung von Windenergieanlagen zeitlich im höheren Maße intensiv sein kann, muss auch für den Vertragspartner des Verwenders erkennbar sein, dass in dieser Phase eine einseitige Beendigung des Vertrages (sei es durch Rücktritt oder durch die Kündigung) nicht stattfinden können soll. Eine andere Auslegung erscheint eher fernliegend. […] Bei der Errichtung von Windenergieanlagen müssen oftmals für die Abstandsflächen eine Vielzahl von Grundstücken, die nicht im Eigentum des Anlagenbetreibers stehen, gebunden werden, um die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten. Ein Verständnis dahingehend, dass jeder der Beteiligten, jederzeit die Kündigungsmöglichkeit haben soll, würde dazu führen, dass letztendlich die Realisierung von Windenergieanlagen nicht möglich wäre. Dies sei auch den beteiligten Verkehrskreisen (i.d.R. Landwirten) bekannt.“
Das OLG Naumburg sieht darin auch keine unangemessene Benachteiligung des Grundstückseigentümers (Interessen-Risiko-Verteilung, vgl § 307 Abs. 1 S. 1 BGB), da ihm dennoch zwei Möglichkeiten offen stünden, sich vom Vertrag zu lösen:
- Durch das (eingeschränkte) Rücktrittsrecht aus dem Nutzungsvertrag, sowie
- Mittels der gesetzlichen außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 1 BGB).
Zwar treffen den Grundstückseigentümer auch während der – in der Regel unentgeltlichen – Projektierungsphase (vor Inbetriebnahme) vertragliche Pflichten, wie z.B. die Eintragung von Baulasten und Vormerkungen und die damit verbundene Einschränkung der Veräußerbarkeit. Dem steht jedoch gegenüber, dass der Eigentümer das Grundstück bis zur Realisierung wie bisher nutzen kann und zudem die Erwartung hat, aus dem Vertrag letztlich erhebliche Einnahmen zu erzielen, was einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellt.
Fazit: Kündigungsdilemma durch umfassende Vertragsgestaltung leicht vermeidbar
Insgesamt handelt es sich um einen für Juristen interessanten Rechtsstreit und es bleibt spannend, wie der BGH, sollte der unterlegene Grundstückseigentümer Revision einlegen, entscheiden wird. Beide Urteile verdeutlichen jedoch, dass durch eine umfassende Vertragsgestaltung Rechtssicherheit geschaffen werden kann: Sei es durch die ausdrückliche Regelung des Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts oder durch die Vermeidung der Aufspaltung in zwei Vertragsteile. Die Abhängigkeit vom Ausgang des ”Meinungsstreits” zwischen dem OLG Hamm und dem OLG Naumburg kann so – zumindest für künftige Nutzungsverträge - vermieden werden.