Windenergie – Urteil schränkt Klagebefugnis von Anwohnern gegen Windenergie ein
« NewsübersichtDas OVG Sachsen zieht klare Linie bei der Zulässigkeit von Anfechtungsklagen gegen Windenergieanlagen. Keine Klagebefugnis für Anwohner in zu großer Entfernung zur Windenergieanlage.
Kurz vor dem Jahreswechsel hat das sächsische Oberverwaltungsgericht (Urt. v. 28.12.2023 – Az. 1 C 15/22) nochmal ein Zeichen für die Erneuerbaren Energien gesetzt. Im Mittelpunkt des Urteils stand dabei die Frage, wann die Rechtsverletzung eines Anwohners durch eine Windenergieanlage (WEA) noch möglich erscheint.
Hintergrund: Gericht zweifelt an der Reichweite von Infraschall und Brandrisiken
Das OVG Sachsen hatte über die Anfechtungsklage eines Anwohners gegen die Genehmigung zur Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage zu entscheiden, die in über 5.000 m Entfernung zu seinem Grundstück entstehen soll. Die Klage bezog sich insbesondere auf mögliche Brand- und Gesundheitsgefahren durch Kohlefaserwerkstoffe, sowie Gesundheitsrisiken durch Infraschall.
Das Besondere an diesem Urteil ist, dass das OVG Sachsen die Klage bereits als unzulässig und nicht erst als unbegründet abgewiesen hat. Denn die meisten Anwohner-Klagen gegen Windenergieanlagen scheitern erst in der inhaltlichen Prüfung der Begründetheit. In diesem Fall jedoch hatte das OVG Sachsen von Beginn an Zweifel an der Klagebefugnis des Anwohners.
Keine Klagebefugnis für Anwohner außerhalb der Nachbarschaft
Um sich gegen eine Genehmigung zu wenden, muss der Kläger klagebefugt sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Diese setzt voraus, dass der Kläger geltend macht durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein und dass diese Rechtsverletzung möglich erscheint. Da Anwohner nicht die direkten Adressaten des Genehmigungsbescheids für eine Windenergieanlage sind, müssen sie sich auf öffentlich-rechtliche, drittschützende Normen stützen.
Eine solche drittschützende Norm des Immissionsschutzrechts ist nach ständiger Rechtsprechung § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so betrieben werden müssen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und Gefahren für die Nachbarschaft vermieden werden. Zu dieser Nachbarschaft gehören jedoch nur Personen, die eine sachliche und dauerhafte Bindung zu einem Ort innerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlage haben und die sich deutlich von den Auswirkungen unterscheidet, die den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können. In der Regel gehören hierzu Eigentümer und Bewohner von Grundstücken.
Der Einwirkungsbereich von Windenergieanlagen – Wo ist Schluss?
Der Einwirkungsbereich von Windenergieanlagen gilt jedoch nicht als räumlich unbegrenzt, sondern ist allgemein als der Bereich zu verstehen, in dem schädliche Umwelteinwirkungen auftreten können (Urt. BVerwG v.13.7.1973 - VII C 6.72). Im vorliegenden Fall zweifelte das Gericht daran, ob die vom Kläger behaupteten schädlichen Umwelteinwirkungen durch Brand- und Gesundheitsgefahren sowie Infraschall tatsächlich noch auf seinem über 5 km entfernten Grundstück auftreten können.
Hinsichtlich der Umwelteinwirkungen durch Infraschall stellte das OVG Sachsen fest, dass Infraschall in der Regel unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und – den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bestätigend – keine Gesundheitsrisiken hervorruft, insbesondere nicht in einer Entfernung von über 5.000 m. Ebenso sah das Gericht keine Gesundheitsgefahren durch Brände oder die Gefahr eines übergreifenden Brandes über diese Entfernung, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen würden. Da dem Gericht bei einer Entfernung von mehr als 5.000 m zur Anlage also keine schädlichen Umwelteinwirkungen möglich erschienen, sei das Grundstück klar außerhalb des Einwirkungsbereichs der Windenergieanlage. Der Kläger konnte sich mithin – da er nicht Teil der Nachbarschaft ist - auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG stützen.
OVG Sachsen setzt Zeichen für die Erneuerbaren bei Nachbarschaftsklagen
Das OVG Sachsen hat mit diesem Urteil und der Begrenzung des Einwirkungsbereichs von Windenergieanlagen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auf – jedenfalls – unter 5 km eine klare Einschränkung der Klagebefugnis von Anwohnern festgelegt.
Auch wenn die Entscheidung des OVG Bautzen juristisch streng genommen nicht überraschend ist (Stichwort: Verbot von Popularklagen), setzt es dennoch ein Zeichen: Anwohnerklagen, die sich (nur) auf die Einhaltung von § 5 BImSchG stützen können, sind in den allermeisten Fällen erfolglos, wirken sich jedoch auf die Finanzierung der Projekte in der Regel negativ aus. Mit seiner klaren Entscheidung hat das OVG Bautzen eine deutliche Grenze gezogen, die vielleicht auch zu insgesamt weniger Anwohnerklagen führt – jedenfalls wenn sie von vornherein aussichtslos sind.