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Windenergie – Veralteter Bebauungsplan mit Höhenbeschränkung verhindert Repowering

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Das OVG Sachsen-Anhalt verneint die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans aufgrund technischen Fortschritts. Anstelle des Repowerings sei eine Modernisierung des Windparks nur durch vollständigen Rückbau und Neugenehmigung möglich.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt lehnt in einer Entscheidung vom 30. Januar 2024 (Az. 2 K 129/21) die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans aufgrund technischen Fortschritts ab. In dem Verfahren ging es um die im Rahmen eines Repowerings geplante Errichtung von sieben neuen Windenergieanlagen (WEA) mit deutlich höheren Nabenhöhen und einer höheren Leistung, als sie im Bebauungsplan der betroffenen Gemeinde aus dem Jahr 1996 vorgesehen sind.

Der Sachverhalt: Bebauungsplan der 90er Jahre mit Leistungs- und Höhenbeschränkung

Der Kläger plante, 14 bestehende Windenergieanlagen durch sieben moderne Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 137 Metern und einer Leistung von 3,45 MW zu ersetzen. Der geltende Bebauungsplan aus dem Jahr 1996 erlaubt jedoch nur Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von max. 70 Metern und einer Leistung von bis zu 1,5 MW. Die ursprünglich errichteten 26 Windenergieanlagen erfüllen die Vorgaben des Bebauungsplans. Eine angestrebte Änderung des Bebauungsplans scheiterte 2022. Der Kläger begehrte daher eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die neuen Anlagen und argumentierte, dass moderne Windenergieanlagen mit den im Bebauungsplan festgesetzten Parametern nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten, sodass der Bebauungsplan aufgrund des technischen Fortschritts funktionslos geworden sei.

OVG Sachsen-Anhalt: Strenge Voraussetzungen an Funktionslosigkeit eines B-Plans

Das OVG lehnte die Klage ab und führte aus, dass der Bebauungsplan weiterhin gültig und nicht funktionslos geworden sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 29.04.1977 - IV C 39.75) müssen für die Funktionslosigkeit zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Die Verhältnisse, auf die die Festsetzung sich bezieht, müssen einen Zustand erreicht haben, der die Verwirklichung der Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließt.
  2. Es muss eine offenkundige Abweichung zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation bestehen, die eine Fortgeltung des Bebauungsplans unzumutbar macht.

Das Gericht argumentierte nun im vorgenannten Urteil, dass die 26 bestehenden Windenergieanlagen den Bebauungsplan bereits verwirklicht hätten. Solange diese Windenergieanlagen in Betrieb seien, bleibe der Bebauungsplan in Kraft. Eine Funktionslosigkeit trete dahingegen nur dann ein, wenn die Windenergieanlagen stillgelegt und zurückgebaut werden würden. Die bloße technische Weiterentwicklung reiche nicht aus, um einen Bebauungsplan funktionslos werden zu lassen. Zudem widersprach das OVG der Auffassung des Klägers, dass wirtschaftliche Überlegungen allein den Bebauungsplan funktionslos machen könnten. Das Gericht hielt fest, dass eine rein an technischem Fortschritt orientierte Funktionslosigkeit der Planungsfunktion sowie der kommunalen Planungshoheit zuwiderlaufen würde.

Die Konsequenzen des Urteils 

Indem das OVG Sachsen-Anhalt die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans verneint, wird das Repowering von Windenergieanlagen erheblich erschwert. Anstatt bestehende Windenergieanlagen effizient durch modernere und leistungsstärkere zu ersetzen, fordert das Gericht den vollständigen Rückbau der alten Windenergieanlagen. Dies bedeutet, dass nicht nur die Windenergieanlagen, sondern auch ihre gesamte Versorgungsinfrastruktur entfernt und anschließend neu errichtet werden müssten. Dieser doppelte Eingriff ist nicht nur kostenintensiv und zeitaufwendig, sondern steht auch im Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien der Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit.

Zumal der Gesetzgeber mit dem Repowering das Ziel verfolgt, bestehende Windparks effizienter und leistungsstärker zu gestalten, ohne zusätzliche Flächen zu beanspruchen. Im vorliegenden Fall würde die Zahl der Windenergieanlagen sogar von 14 auf sieben reduziert – ein klarer Gewinn für Umwelt und Effizienz. Doch obwohl der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren zahlreiche Genehmigungserleichterungen für das Repowering geschaffen hat, kommen diese in der vorliegenden Konstellation somit nicht zur Anwendung. Vielmehr konterkariert das Urteil des OVG dieses Anliegen, indem es die Notwendigkeit eines vollständigen Rückbaus der Anlagen betont – ein Vorgehen, das nicht nur wirtschaftlich unsinnig, sondern auch ökologisch fragwürdig ist. Der resultierende doppelte Eingriff in den Außenbereich steht nicht nur im klaren Widerspruch zu § 35 BauGB, der die Schonung des Außenbereichs betont, sondern belastet sowohl die Betreiber als auch die beteiligten Behörden auf unnötige Weise.

Urteil steht im Widerspruch zum Zeitgeist der Energiewende

Ohne die Anpassung des veralteten Bebauungsplans bleiben dem Betreiber daher nur zwei Optionen: 

  1. Entweder er lässt die Windenergieanlagen nach dem Ende ihrer Wirtschaftlichkeit oder dem Auslaufen der EEG-Förderung zurückbauen. 
  2. Alternativ könnte er die Windenergieanlagen zurückbauen und gleichzeitig den gesamten Genehmigungsprozess erneut durchlaufen – samt Wiedererrichtung der Infrastruktur. 

Dass ein Bebauungsplan nur in Ausnahmefällen funktionslos wird, ist notwendig, um die kommunale Planungshoheit zu wahren. Dennoch erscheint es fragwürdig, die Funktionslosigkeit deshalb abzulehnen, weil die im Bebauungsplan vorgesehenen Anlagen errichtet wurden und bis dato betrieben werden. Gerade im Zuge der Energiewende sollten Planungsprozesse bei der Nutzung der begrenzten Windpotenzialfläche doch eher beschleunigt als hier durch die Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt verlangsamt werden.

Ausblick: Droht der Verlust bestehender Windenergiestandorte?

Viele Windenergieanlagen wurden in den 1990er und 2000er Jahren in Betrieb genommen und die EEG-Förderung läuft nun nach und nach aus. Betreiber stehen damit vor der Entscheidung: Rückbau oder Repowering? Die in die Jahre gekommenen Anlagen tragen sich nur in den seltensten Fällen ohne die Förderung. Sind die Anlagenstandorte von ähnlichen limitierten Bebauungsplänen betroffen, könnte dies auf kurz oder lang sogar einen Rückgang der Windenergiestandorte bedeuten – vorausgesetzt die Plangeber steuern nicht nach. Gerade im Hinblick auf der Flächenziele des WindBG und § 2 EEG, erscheint die Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt damit im Ergebnis rückwärtsgewandt.

Der Kläger hat vor dem Bundesverfassungsgericht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Ob diese Erfolg hat und den Weg für eine flexiblere Auslegung der Funktionslosigkeit freimacht, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die rechtlichen Weichen neu gestellt werden müssen, um ursprüngliche Windenergiestandorte durch alte – quasi funktionslose – Bebauungspläne nicht zu Lasten der Energiewende zu verlieren.

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