Windenergie im Klimaschutzprogramm 2030: Vom Lande auf das Wasser?
« NewsübersichtWährend weltweit 1,4 Millionen Menschen im Rahmen von „Fridays for Future“ demonstrierten, verhandelten die Koalitionsspitzen zum Klimaschutz. Herausgekommen ist ein Eckepunktepapier, das bei entsprechender Umsetzung ganz erhebliche Auswirkungen auf die Windenergie erwarten lässt.
Eckpunktepapier zum Klimaschutzprogramm 2030
Am vergangenen Freitag wurden nach und nach die Ergebnisse der Klimakonferenz der Koalitionsspitzen bekannt. Die Volkvertreter hatten seit Donnerstagabend über 19 Stunden lang verhandelt. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte man sich koalitionsseitig zuversichtlich gezeigt: "Es kann uns heute der große Wurf gelingen. Da bin ich optimistisch", äußerte sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Die Ergebnisse der Konferenz mündeten in ein 22-seitiges Eckpunktepapier für das Klimaschutzprogramm 2030. Dieses zählt die geplanten Maßnahmen in den einzelnen Sektoren auf. Inhaltlich löst das Eckpunktepapier bei vielen Kritikern jedoch keine Jubelschreie aus. Klimaschützer werfen der Regierung vor, die Frage des Klimaschutzes vertagt zu haben und ein Maßnahmenpaket geschnürt zu haben, das den Klimazielen der EU nicht gerecht werden könne. Zudem handele es sich um „ein Sammelsurium unkoordinierter Einzelmaßnahmen“, so die vorläufige Einschätzung der FDP-Obfrau Linda Teuteberg. Ungeachtet dieser Reaktionen soll im Folgenden ein Blick auf die avisierten Maßnahmen geworfen werden. Dabei bahnen sich auch beachtliche Änderungen in der Windbranche an.
Setzen auf Erneuerbare Energien
Um die Klimaschutzziele der EU bis 2030 doch noch zu schaffen, einigten sich die Koalitionspartner im Eckpunktepapier auf zahlreiche Maßnahmen. Darunter fällt die CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme (sog. NonETS-Sektor). Ab 2021 müssen Unternehmen ihre CO2-Emmissionen durch Zertifikate abdecken. Zwischen 2021 und 2025 sollen diese zu steigenden Festpreisen von 10 bis 35 Euro je Tonne CO2 gehandelt werden. Ab 2026 soll die Preisentwicklung dann am Markt erfolgen, wobei für 2026 zunächst ein Korridor zwischen 35 und 60 Euro je Tonne CO2 gelten soll. Parallel dazu soll die EEG-Umlage gesenkt werden.
Daneben soll die bereits mehrfach diskutierte Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr erfolgen – statt mit dem üblichen Mehrwertsteuersatz von 19 %, sollen diese künftig mit lediglich 7 % Mehrwertsteuer belegt werden. Das Fliegen hingegen soll durch eine Anhebung der Luftverkehrssteuer ab dem 01. Januar 2020 teurer werden.
Die Klimaschutzziele und der für 2038 geplante Kohleausstieg erfordern zudem eine weitere Förderung der Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien. Geht es nach der Bundesregierung, so sollen die Erneuerbaren Energien bis 2030 einen Anteil von 65 % am Stromverbrauch erzielen. Vor diesem Hintergrund wird unter anderem der 52-GW-Deckel für die Ausbauförderung von Photovoltaikanlagen aufgehoben.
Windenergie: Neues Abstandsregime, mehr Offshore-Anlagen
Das Eckpunktepapier benennt konkrete Maßnahmen aber vor allem in Hinblick auf die Windenergie. Nach einer schwachen Phase will die Bundesregierung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 neuen Wind in die Branche bringen. Vor allem Probleme bei der Ausweisung von Windvorranggebieten in Flächennutzungsplänen, langwierige Genehmigungsverfahren und häufig erforderliche gerichtliche Auseinandersetzungen führten zuletzt zu erheblichen Problemen in der Realisierung von Windenergieanlagen an Land. Die Koalitionspartner wollen nun an der bürgerseitigen Akzeptanz der Windenergie ansetzen. Dazu soll eine Mindestabstandsregelung eingeführt werden, wonach der Bau oder das Repowering von Windenergieanlagen nur in einem Abstand von wenigstens 1.000 m zu reinen oder allgemeinen Wohngebieten oder zu dörflichen Gebieten mit signifikanter Wohnbebauung erfolgen dürfen. Diese Regelung soll sowohl zukünftige als auch bestehende Flächenpläne betreffen. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes führt dies zu einer Reduzierung der verfügbaren Flächen für Onshore-Windenergieprojekte um annähernd 50 %.
Die Abstandsregelung enthält aber auch eine Opt-out-Option zugunsten der Länder und zuletzt der Kommunen. Innerhalb der ersten 18 Monate soll den Ländern eine befristete Abweichungskompetenz zukommen, um geringere Abstandsflächen festzulegen. Weiterhin sollen Kommunen unbefristet dazu befugt sein, geringere Mindestabstände festzulegen. Übt eine Kommune dieses Opt-out-Recht aus, so soll sie im Gegenzug von einer Erhöhung ihrer (künftig vorgesehenen) finanziellen Beteiligung am Betrieb von Windenergieanlagen profitieren. Darin vermag für Länder und Kommunen eine Chance zu liegen, aber auch eine große Last. Böse Zungen mögen sagen, die Bundesregierung habe das delikate Thema der Abstandsregelungen damit auf die unteren Ebenen, insbesondere die Kommunen, abgewälzt.
Neben den vorgenannten Akzeptanzmaßnahmen im Onshore-Bereich wird das Ausbauziel für Offshore-Windenergieanlagen von 15 auf 20 GW angehoben.
Fazit
In der Tat wirkt das Eckpunktepapier der Bundesregierung für das Klimaschutzprogramm 2030 stellenweise „zusammengewürfelt“. Folgt man den Aussagen von Experten, so werden die geplanten Maßnahmen kaum genügen, um die ambitionierten Klimaziele noch rechtzeitig zu erreichen. Bemängelt wird etwa die zu geringe Bepreisung von CO2 mit zunächst nur 10 Euro pro Tonne. Auffällig ist zudem, dass es eigentlich erst in zwei Jahren so richtig losgehen soll – dies zeigen u.a. die CO2-Bepreisung und die Senkung der EEG-Umlage, aber auch andere angekündigte Maßnahmen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale oder der Kaufprämie für Elektrofahrzeuge, welche allesamt ab dem Jahr 2021 vorgesehen sind.
Mit der Anhebung des Ausbauziels für Offshore-Windenergieanlagen deutet die Bundesregierung an, dass man in Zukunft womöglich vermehrt auf die Windenergie auf See setzen möchte. Gleichzeitig werfen die neuen Abstandregelungen für Windenergieanlagen an Land viele neue und äußerst bedeutsame Fragen auf. Ob sie tatsächlich die Akzeptanz erhöhen werden oder möglicherweise sogar die Position von Windkraftgegnern zu bestärken vermögen darf hinterfragt werden. Damit die vorgestellten Maßnahmen zu einem Aufschwung in der Onshore-Branche führen, braucht es zunächst möglichst viele Länder und Kommunen, die bereit sind, von ihrem Opt-out-Recht Gebrauch zu machen. Von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung könnte daher sein, ob die Beteiligung der Kommunen am finanziellen Erlös von Windenergieanlagen einen ausreichenden Anreiz zu einer windfreundlichen Positionierung darstellen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, so muss in der Windenergiebranche unter Umständen mit einer „Flucht auf das Wasser“ gerechnet werden.