Tracking pixel Windenergie und Bundeswehr oder Der Tragödie Zweiter Teil · MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Windenergie und Bundeswehr oder Der Tragödie Zweiter Teil

« Newsübersicht

Am 21.07.2011 entschwand mit einem mageren Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (Az.: 12 ME 201/10) vorläufig die Chance auf Klarheit in Sachen Windenergie versus verteidigungspolitische Belange.

In dem zu Grunde liegenden Verfahren versuchte die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die sofortige Vollziehung einer zuvor erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb mehrerer Windenergieanlagen im Bereich des Militärflugplatzes Nordholz zu erlangen. Die geplanten Anlagen sollten in einem regionalplanerisch ausgewiesenen Vorrangstandort für die Windenergienutzung errichtet werden. Im Rahmen der Regionalplanung machte die damals beigeladene Bundeswehr deutlich, sie sei mit der Errichtung von Windenergieanlagen in dem konkreten Gebiet durchaus einverstanden, wenn durch signaturtechnische Gutachten nachgewiesen werden könne, dass die Radaranlage in Nordholz durch die konkreten Anlagen nicht gestört werde.

Nachdem die Antragstellerin im Rahmen des Genehmigungsverfahrens diesen Nachweis erbracht hatte, wurde ihr die beantragte Genehmigung selbstverständlich erteilt, da angesichts der Einlassungen der Bundeswehr im Regionalplanverfahren davon auszugehen war, dass ihre Interessen gewahrt wurden.

Mit einiger Überraschung stellte die Antragstellerin, als sie die sofortige Vollziehbarkeit ihrer Genehmigung beantragte, daher fest, dass die Wehrbereichsverwaltung Nord die erteilte Genehmigung anzugreifen begann. Die Feststellungen des Gutachtens seien sämtlichst falsch. Dabei war sie sich nicht zu schade, selbst die grundlegenden flugtechnischen Prämissen, die der Gutachter im Vorfeld eigens mit dem Amt für Flugsicherung der Bundeswehr abgestimmt hatte, für fehlerhaft zu erklären – ein Schelm der Böses dabei denkt. Gleiches gilt für den staatlich anerkannten und langjährig (auch durch die Bundeswehr selbst) erprobten Gutachter, dessen Sachverstand im Rahmen des Verfahrens mehrfach zum Ziel von Angriffen der Bundeswehr wurde, die jedoch den Nachweis schuldig blieb, woraus sie eigentlich ihren behaupteten Sachverstand ableitete, denn wer Auto fährt ist noch lange kein Kfz-Mechaniker...

Doch war dies erst der Anfang, denn plötzlich schossen angeblich beeinträchtigte Belange der Bundeswehr und der Verteidigung wie Pilze aus dem unübersichtlichen Sumpf militärischer Vorstellungskraft. So würden durch die genehmigten Anlagen – innerhalb eines regionalplanerisch mit den Belangen der Bundeswehr abgewogenen Vorranggebietes – eine An- und Abflugstrecke des Flugplatzes Nordholz angeblich beeinträchtigt. Dass diese auch im Regionalplanverfahren bereits existierte, störte die „Argumentation“ ebenso wenig, wie die Tatsache, dass die konkreten Anlagen aufgrund ihrer allenfalls flankierenden Lage kaum ein Hindernis darstellen konnten. Denn wenn es um wackere Soldaten geht, hat sich alles preußisch geordnet danach auszurichten.

Da die Bundeswehr aber offenbar doch selbst Zweifel an der Durchsetzbarkeit ihrer Überzeugungen hegte, beschloss sie den ultimativen Trumpf aus dem Ärmel zu schütteln – eine mysteriöse Hubschraubertiefflugstrecke, die offenbar so geheim war, dass die Bundeswehr sie bislang selbst nicht kannte. Praktischerweise konnte diese Tiefflugstrecke alles an Argumenten hergeben was notwendig war, denn aus Sicht der Bundeswehr waren dort Flüge zu allen Zeiten, in jeder Höhe und mit einer erforderlichen Korridorbreite von mehreren Kilometern notwendig.

Als die Antragstellerin vorsichtig darauf hinwies, dass auch der Luftverkehr – selbst wenn er durch die Bundeswehr ausgeführt wird – gewissen Regeln (man denke an die Luftverkehrsordnung) zu folgen habe und eine Gefährdung des Luftverkehrs nach den Maßstäben der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte, die eine konkrete Gefährdung forderten, gar nicht gegeben, geschweige denn durch die Bundeswehr nachgewiesen sei, wurde sie samt ihres Gutachters kurzerhand für unwissend erklärt und darauf verwiesen, es ginge hier immerhin um die Verteidigung unserer Nation und da habe man der Einschätzung des Militärs gefälligst zu folgen.

Auch mit dem Einwand, die von der Bundeswehr hinsichtlich der Radarerfassung eigens aufgestellten Kriterien seien doch berücksichtigt worden, drang die Antragstellerin nicht durch. Die zuständige Behörde lehnte den Antrag auf sofortige Vollziehung ab und wies darauf hin, man sei dazu gezwungen, schließlich sei nicht abzusehen, ob die Bundeswehr möglicherweise Recht habe.

Das danach angerufene Verwaltungsgericht konnte sich schon nicht darüber klar werden, wer eigentlich im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes der richtige Beigeladene sei (die Wehrbereichsverwaltung, die die Genehmigung angriff oder die Bundesrepublik Deutschland, für die die WBV tätig zu werden meinte). Dem Hinweis der Antragstellerin, dass jedenfalls die Wehrbereichsverwaltung die Genehmigung angefochten hatte, dieser aber gar keine Anfechtungsbefugnisse zustünden, begegnet das Verwaltungsgericht mit dem lapidaren Hinweis, trotz des anderslautenden Beiladungsbeschluss sei der Bund beigeladen und dieser sei immer anfechtungsbefugt, wenn es um Militärbelange ginge.

Inhaltlich war das Verwaltungsgericht nicht bereit ähnlich wegweisend wie etwa das Verwaltungsgericht Aachen, der Bundeswehr die Grenzen ihrer Kompetenzen zu verdeutlichen, sondern zog sich darauf zurück, es sei alles offen und man könne in „der Kürze der Zeit“ nichts entscheiden.

Dieser traurigen und aus rechtlicher Sicht uninspirierten Auffassung schloss sich nunmehr das Oberverwaltungsgericht Lüneburg an. Trotz aller Widersprüche, trotz offensichtlicher Willkür der Argumente und nicht zuletzt trotz offensichtlicher militärischer Arroganz, wagte es das Oberverwaltungsgericht nicht, der Bundeswehr deutlich zu machen, dass sie als Parlamentsheer ebenso dem Recht unterworfen ist wie jeder Einzelne in der Bundesrepublik.

Es wurden inhaltlich nicht geprüft, ob tatsächlich irgendetwas für die Behauptungen der Bundeswehr spricht, dass das signaturtechnische Gutachten der Antragstellerin die Radarverträglichkeit ihrer Anlagen nachwies blieb ebenso unberücksichtigt, wie der Umstand, dass die Bundeswehr ausschließlich in Blaue hinein Vermutungen hinsichtlich einer Gefahr für den Luftverkehr anstellte. So etwa, dass wegen der Windenergieanlagen ein Luftfahrzeug auf die Autobahn stürzen könnte und dabei nicht nur durch den Absturz selbst, sondern auch die damit verbundenen Auffahrunfälle Hunderte Menschenleben kosten könne. (Am Rande sei bemerkt, dass die Bundeswehr für Luftverkehrskatastrophen keine Windenergieanlagen benötigt und das bislang keine Nachweise für auch nur einen Unfall von Luftfahrzeugen im Zusammenhang mit Windenergieanlagen in Deutschland vorliegen).

Schließlich nahm das Oberverwaltungsgericht auch den abenteuerlichen Vortrag hinsichtlich der phantastischen Hubschraubertiefflugstrecke gleichmütig hin und entschied nach einem Jahr Verfahren und ohne der Antragstellerin die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung zu geben (obgleich diese mehrfach beantragt worden war):

Können wir nicht entscheiden, beehren Sie uns wieder in der Hauptsache!

Die Wahrheit braucht einen Mutigen der sie ausspricht. Im erkennenden Senat des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg sind solche Leute jedenfalls nicht zu finden. Quod erat demonstrandum.

Wirklich skandalös ist aber, dass hier zur Lösung einer dem Grunde nach politischen Kompetenzfrage – was geht vor: Verteidigung oder Energie- und Klimapolitik – die Betreiber auf den juristischen Weg verwiesen werden. Fukushima hat an diesem exekutiven Unwillen auf höchster Ebene nichts geändert!

 

Rückfragen & weitere Informationen:

Prof.Dr. Martin Maslaton, Tel.: 0341/149500
e-mail: martin@maslaton.de, Internet: www.maslaton.de