Aus grauer Vorzeit
« NewsübersichtDie Einheitsbewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14, 1 BvR 889/12, 1 BvR 639/11, 1 BvL 1/15, 1 BvL 12/14).
Über drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs (BFH, zuletzt Beschluss vom 17. Dezember 2014 - II R 14/13) und zwei Verfassungsbeschwerden gelangte die Frage nach der Vereinbarkeit der Einheitsbewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren an das Bundesverfassungsgericht. Am 10. April fällte es das Urteil, das nahezu unumgänglich war – die Einheitsbewertung ist mit der Verfassung nicht (mehr) vereinbar. Damit schloss es sich im Wesentlichen den Ausführungen des Bundesfinanzhofs an.
Ausgangssituation
Im Einzelnen betroffen sind die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76 Abs. 1, § 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 BewG. Hiernach werden für die Bemessung der Grundsteuer Einheitswerte festgestellt. Eigentlich sieht das Gesetz in § 21 Abs. 1 BewG hierbei auch eine Neufeststellung in einem Rhythmus von sechs Jahren vor. Nur geschah dies wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwands nicht. Infolgedessen wird eine große Zahl von Immobilien in den alten Bundesländern grundsteuerrechtlich immer noch auf Basis von Werten, die bis ins Jahr 1964 zurückreichen, bewertet. Noch ältere Werte werden in den neuen Bundesländern herangezogen. Hier bemisst sich die Steuer zum Teil nach Einheitswerten, die 1935 festgestellt wurden. Auch wenn das Urteil an sich nur Fälle aus den alten Bundesländern zum Gegenstand hatte, lässt sich zweifellos sagen, dass hier dieselbe Problematik erst recht zum Tragen kommt.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Den Rückgriff auf derart alte Zahlen hatte der Bundesfinanzhof schwer kritisiert. Er führe dazu, dass eine Besteuerung erfolge, die in vielen Fällen auf Grund des Wandels von Städten und Stadtteilen mit dem tatsächlichen Wert des Grundstücks überhaupt nicht mehr in Einklang stünde. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wonach wesentlich Gleiches rechtlich gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend rechtlich ungleich zu behandeln ist. Auch das Bundesverfassungsgericht sah eine relative Wertverzerrung infolge der Zugrundelegung völlig überholter Einheitswerte. Zwar billigte es dem Gesetzgeber einen großen Spielraum bei der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage zu, jedoch müsse diese wenigstens geeignet sein, den Belastungsgrund der Steuer realitätsgerecht abzubilden. Dies sei bei der jahrelang zurückreichenden Einheitsbewertung ersichtlich nicht der Fall. Damit befand es die Einheitsbewertung für jedenfalls seit dem Jahr 2002 nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Gesetzgeber ist nun zu schnellem Handeln veranlasst. Die Verfassungsrichter setzten eine kurze Frist bis Ende 2019, um eine Neuregelung zu erarbeiten. Bis dahin ist die alte Regelung noch durchgängig anwendbar. Ab Verkündung einer Neuregelegung beginnt eine Übergangsfrist von fünf Jahren zu laufen, in der die Kommunen diese umsetzen können. Spätestens aber mit dem Jahr 2024 endet die Anwendbarkeit der alten Einheitsbewertung gänzlich. Wie eine Neugestaltung aussehen soll, ist derzeit noch völlig offen und eine (erneute) rege Diskussion in Politik und Medien hat sich in den letzten Tagen bereits angedeutet.