Nutzungsverträge: Gesetzesänderung zur Übertragbarkeit beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten
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Durch die Anpassung von § 1092 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB ist nun die Übertragbarkeit von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten im Zusammenhang mit Erneuerbare-Energien-Anlagen möglich. Was Projektierer und Eigentümer jetzt beachten müssen.
Am 04.07.2024 beschloss der Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung „zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen“ in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (Bundestag Drucksache 20/12146). Dieser wurde am 16.10.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am Tag darauf in Kraft.
Die Gesetzesänderung hat unter anderem die Neufassung des § 1092 Abs. 3 BGB zur Folge, der die Übertragbarkeit von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten regelt, wenn die Dienstbarkeit dazu berechtigt, ein Grundstück zu nutzen für Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, Windenergie, solarer Strahlungsenergie, Geothermie, Umweltwärme oder Energie aus Biomasse.
Relevanz: Nutzungsverträge im Bereich von Windenergie und Photovoltaik
Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten spielen insbesondere im Kontext von Photovoltaik- und Windenergieprojekten eine zentrale Rolle. Neben der schuldrechtlichen Sicherung der Grundstücksnutzung durch den Nutzungsvertrag ist auch die dingliche Sicherung dieses Nutzungsrechts durch die Bewilligung und Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Projektierers (= Nutzer) erforderlich.
Auch im Hinblick auf weitere Akteure spielt das Sicherungsmittel der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit eine große Rolle: Bei einem nicht selten vorkommenden Betreiberwechsel ist es notwendig, dass auch der neue Betreiber Zugriff auf die Rechte aus der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit hat. Das gleiche gilt für die Übernahme des Vorhabens durch einen – im Zeitpunkt des Abschlusses des Nutzungsvertrags – noch unbekannten Dritten und im Fall der Finanzierung durch ein Kreditinstitut. Aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regelung waren hierfür teilweise komplizierte Vertragsgestaltungen unumgänglich.
Bisherige Rechtslage
Im Grundsatz sind beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nach § 1092 Abs. 1 BGB nicht übertragbar. Von dem Grundsatz aus § 1092 Abs. 1 BGB sehen § 1092 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 BGB einige Ausnahmen vor. Grundstücke zur Nutzung von Solar- oder Windenergie waren von dem Ausnahmekatalog bisher jedoch nicht erfasst.
(1) Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist nicht übertragbar. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann einem anderen nur überlassen werden, wenn die Überlassung gestattet ist.
Um auch einem Dritten oder der finanzierenden Bank den Zugriff auf die dingliche Sicherung der im schuldrechtlichen Nutzungsvertrag enthaltenen Rechte (insbesondere bzgl. der Errichtung, Änderung, Auswechslung, Unterhaltung und Betrieb von Windenergieanlagen, Infrastruktur und Zubehör) zu ermöglichen, wurden diese daher bereits im Nutzungsvertrag mit entsprechenden Regelungen bedacht. Regelmäßig wurden dem unbekannten Dritten und der Bank die gleichen Rechte zur Eintragung von Dienstbarkeiten und Vormerkungen eingeräumt wie dem Projektierer.
Neue Rechtslage
Im Rahmen der Gesetzesänderung wurde der Ausnahmetatbestand des § 1092 Abs. 3 BGB erweitert. § 1092 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. lautet nun folgendermaßen:
„Steht einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu, so ist die Dienstbarkeit übertragbar, wenn sie dazu berechtigt, ein Grundstück zu nutzen für
- Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, Windenergie, solarer Strahlungsenergie, Geothermie, Umweltwärme oder Energie aus Biomasse, […]“
Sofern die beschränkt persönliche Dienstbarkeit also dazu berechtigt, ein Grundstück für die aufgezählten Erneuerbare-Energien-Anlagen zu nutzen, ist die Dienstbarkeit seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung übertragbar.
Weiterhin verweist § 1092 Abs. 3 S. 4 BGB auf den § 1059c BGB. § 1059c BGB besagt, dass im Falle des Übergangs oder der Übertragung des Nießbrauchs der Erwerber anstelle des bisherigen Berechtigten in die mit dem Nießbrauch verbundenen Rechte und Verpflichtungen gegenüber dem Eigentümer eintritt. In entsprechender Anwendung soll dies nun auch für den Fall der Übertragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gelten.
Relevante Fragen sind noch ungeklärt
Grundsätzlich ist die Gesetzesänderung in § 1092 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. zu begrüßen, trifft sie doch eine eindeutige Aussage zur Übertragbarkeit von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten im Zusammenhang von Nutzungsverträgen zur Errichtung und zum Betrieb von Erneuerbaren-Energie-Anlagen. Die Ermöglichung der Übertragung von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass oftmals das gesamte Vorhaben an einen anderen Betreiber durchgereicht wird und in den Nutzungsverträgen bereits in der Vergangenheit de facto eine Übertragung der Dienstbarkeiten vom bisherigen Nutzer auf den neuen Nutzer geregelt wurde – nur waren hierfür bislang teils komplizierte vertragliche Klauseln erforderlich.
Dennoch scheint es, als habe der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesänderung nicht bedacht, welche Auswirkungen in der Praxis mit der Ermöglichung der Übertragbarkeit von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten im Zusammenhang mit Erneuerbare-Energie-Anlagen verknüpft sind. Unklar sind unter anderem folgende Punkte:
- Reichweite des begriffs „Anlagen zur Nutzung von …“
Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung wird ersichtlich, welche Reichweite dem Anlagenbegriff in § 1092 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. zukommen soll. So ist zum Beispiel unklar, ob die Übertragbarkeit auch Anwendung findet, wenn in der Dienstbarkeit die Errichtung und der Betrieb von Batteriespeichern oder sonstiger Infrastruktur und Zubehör zu der jeweiligen Erneuerbaren-Energie-Anlage gesichert wird. Fraglich ist auch, wie Wege- und Abstandsflächen zu behandeln sind, sofern diese in die Dienstbarkeitsurkunde aufgenommen wurden.
- Voraussetzungen für die Übertragbarkeit
Fraglich ist auch, ob mit § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB bereits die Voraussetzungen der Übertragbarkeit von Dienstbarkeiten geregelt sind oder ob lediglich die Rechtsfolge der Übertragbarkeit von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten normiert wird. Je nach Rechtsansicht ist eine unterschiedliche Gestaltung des Vertrages erforderlich, um eine rechtssichere Übertragung der Dienstbarkeit sowie einen angemessenen Interessenausgleich zu gewährleisten.
- Umfang des Eintritts in den Nutzungsvertrags im Falle der Übertragung der Dienstbarkeit
Wenn nach § 1059c Abs. 1 BGB der Dritte im Falle des Übergangs oder Übertragung der Dienstbarkeit anstelle des bisherigen Berechtigten in die mit der Dienstbarkeit verbundenen Rechte und Verpflichtungen gegenüber dem Eigentümer eintritt, stellt sich die Frage, welche inhaltliche Reichweite dieser Eintritt entfaltet. Tritt der Dritte nur in die Rechte und Verpflichtungen ein, die unmittelbar mit der Dienstbarkeit in Verbindung stehen oder erfolgt ein „Gesamteintritt“, sodass sämtliche Regelungen des Nutzungsvertrags im Verhältnis Grundstückseigentümer – Dritter zur Anwendung kommen?
Auswirkungen in der Praxis
In unserer rechtsberatenden Praxis konnten wir in den letzten Monaten und Wochen seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung feststellen, dass große Teile der Windenergie- und Photovoltaikbranche noch nicht auf die neue Gesetzeslage reagiert haben. Nach wie vor sind Vertragsentwürfe im Umlauf, die die veränderte Rechtslage nicht hinreichend abbilden bzw. unverändert auf die alte Rechtslage Bezug nehmen.
Gerade die oben aufgeführten Unklarheiten erfordern jedoch eine veränderte Vertragsgestaltung, um Rechtsunsicherheiten und Risiken zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für die Klauseln zu den dinglichen Sicherungsrechten und bzgl. der Anforderungen an die Rechtsnachfolge und Übertragung.