Windenergie und Infraschall: Wie umgehen mit Drittklagen?
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In Verfahren für Windenergieanlagen wenden sich Anwohner oftmals gegen die vermeintlich unzureichende Schallimmissionsprognose. Mit Aussicht auf Erfolg? Der Beitrag zeigt, wie Projektierer die Einwendung entschärfen können.
Infraschall bezeichnet Schall mit einer Frequenz unterhalb der menschlichen Hörgrenze. Im Rahmen von Drittklagen gegen die Genehmigung von Windenergieanlagen wird – üblicherweise von Anwohnern – gerne vorgebracht, dass die vorgelegte Schallimmissionsprognose die Auswirkungen von Infraschall nicht hinreichend berücksichtige.
Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und wissenschaftliche Daten zeigen jedoch, dass Projektierer wegen solcher Einwendungen regelmäßig nur wenig befürchten müssen:
Beweispflicht bei Infraschall-Einwendung
Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat solche Einwände bislang konsequent zurückgewiesen. Die möglichen Auswirkungen von Infraschall werden von den Gerichten einheitlich und zutreffend als Betreiberpflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG eingeordnet (statt vieler: OVG Münster Urt. v. 27.7.2023 – 22 D 100/22.AK, BeckRS 2023, 19391 m.w.N.). Dabei muss die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung nicht jedes theoretisch denkbare Risiko berücksichtigen, genauso wenig wie der Anlagenbetreiber das Nichtvorliegen rein hypothetischer Risiken nachweisen muss. Vielmehr obliegt es demjenigen, der sich darauf beruft, nachzuweisen, dass Infraschall eine nachteilige Umwelteinwirkung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und damit eine Betreiberpflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 BImSchG darstellt (OVG Münster Urt. v. 27.7.2023 – 22 D 100/22.AK, BeckRS 2023, 19391).
Wissenschaft und Rechtsprechung: Keine Gesundheitsgefahr durch Infraschall
Zahlreiche Messungen von Landesumweltämtern sowie von anerkannten Messinstituten zeigen nach aktuellem Erkenntnisstand, dass Windenergieanlagen zwar Infraschall erzeugen können, dieser jedoch immissionsseitig deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegt (Agatz, Windenergie-Handbuch, 2018, S. 134 f.). Wissenschaftlich gesicherte Hinweise, dass der von Windenergieanlagen ausgehende Infraschall eine Gesundheitsgefahr oder erhebliche Belästigung darstellt, existieren daher nicht (Koch, Holzheu, Hundhausen, Windenergieanlagen und Infraschall - keine Evidenz für gesundheitliche Beeinträchtigungen, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2022/03, S. 112 f.).
Als vermeintlicher Gegenbeweis wird häufig ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein angeführt (OLG Schleswig Urt. v. 13.6.2019 – 7 U 140/18, BeckRS 2019, 15501). Dieses Urteil wird jedoch regelmäßig fehlinterpretiert: Denn das Oberlandesgericht verwies in einem zivilrechtlichen Unterlassungsverfahren die Sache lediglich an die Vorinstanz zurück, um Beweise dafür zu erheben, ob Windenergieanlagen überhaupt Infraschall erzeugen. Dabei stellte das Oberlandesgericht ausdrücklich klar, dass nicht erwiesen sei, dass Infraschall gesundheitsschädliche Auswirkungen hat. Auch die häufig angeführten Entscheidungen des französischen Cour d’appel de Toulouse konnte die Verwaltungsgerichte bislang nicht überzeugen (OVG Bautzen Beschl. v. 20.6.2023 – 1 B 308/22, BeckRS 2023, 14351).
Hintergrundrauschen bei Infraschall ungefährlich
Gleiches gilt für diverse Studien, die von Klägern, Antragstellern oder Beschwerdeführern vorgelegt werden, um angeblich eine Gesundheitsgefährdung durch Infraschall, verursacht durch Windenergieanlagen, zu beweisen. Bei näherer Betrachtung zeigen diese entweder, dass kein wissenschaftlicher Konsens besteht (OVG Münster Urt. v. 24.2.2023 – 7 D 316/21, BeckRS 2023, 3715), oder sie belegen, dass der Infraschall von Windenergieanlagen spätestens nach einigen hundert Metern im sogenannten „Hintergrundrauschen“ verschwindet (OVG Bautzen Beschl. v. 20.6.2023 – 1 B 308/22, BeckRS 2023, 14351 m.w.N.).
In der Praxis: Infraschall als zahnlose Einwendung
Somit konnte der von der Rechtsprechung geforderte Nachweis, dass Infraschall von WEA eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 BImSchG darstellt, bislang nicht erbracht werden. Entsprechende Einwände werden daher regelmäßig verworfen – obwohl sie immer wieder neu vorgebracht werden.