Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme bei Verwendung regenerativer Energien grundsätzlich möglich!
« NewsübersichtTatsächliche Befreiung ist jedoch eine Einzelfallentscheidung
Mittels Satzung kann eine Gemeinde Grundstückseigentümer verpflichten, ihre Grundstücke an das örtliche Fernwärmenetz bzw. kommunale Heizanlagen anzuschließen und ihren Wärmebedarf ausschließlich darüber zu decken. Rechtsgrundlage für die Anordnung eines solchen sog. Anschluss- und Benutzungszwangs, bilden grundsätzlich die Gemeinde- bzw. Kommunalordnungen der einzelnen Bundesländer. Über diese werden die Gemeinden ermächtigt bei Vorliegen öffentlicher Bedürfnisse bzw. aus Gründen des öffentlichen Wohls entsprechende Satzungen zu erlassen. Insofern muss die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des öffentlichen Wohls bzw. durch öffentliche Bedürfnisse gerechtfertigt sein. Diese können u.a. in den dem Gemeindewohl dienenden Gründen der Volksgesundheit, der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage und der Versorgungssicherheit liegen. Gemäß § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (kurz: EEWärmeG) können die Gemeinden von einer landesrechtlichen Ermächtigungsnorm, die zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs für Fernwärme ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen. Dabei ist § 16 EEWärmeG nur von Relevanz, wenn nicht schon nach Landesrecht selbst die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes zulässig ist.
Eine derartige Satzung – so entschied das OVG Thüringens in seinem Urteil vom 24.09.2009 (Az. 4 N 70/03/) – müsste schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseinschränkung, die mit einem solchen Anschluss- und Benutzungszwang einhergeht, Ausnahmen und Befreiungstatbestände vorsehen. Andernfalls verstoße sie gegen höherrangiges Recht. Dabei ist unter anderem § 3 S. 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (kurz: AVBFernwärmeV) zu beachten. Zwar gelten die Regelungen der AVBFernwärmeV unmittelbar nur im Rahmen privatrechtlicher Versorgungsverhältnisse, d.h. zwischen dem Lieferanten und dem Abnehmer, sind aber gemäß § 35 Abs. 1 AVBFernwärmeV auch auf öffentlich-rechtliche Versorgungsverhältnisse entsprechend anzuwenden. Nach § 3 AVBFernwärmeV muss für den Kunden im Rahmen des für das Fernwärmeversorgungsunternehmen wirtschaftlich Zumutbaren, die Möglichkeit bestehen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Soweit er den Wärmebedarf unter Nutzung regenerativer Energiequellen decken will, ist der Kunde berechtigt, eine entsprechende Vertragsanpassung zu verlangen. Denn entsprechend der amtlichen Begründung zu § 35 AVBFernwärmeV soll dem Kunden im Interesse der Energieeinsparung auch im öffentlich-rechtlichen Versorgungsverhältnis die teilweise Nutzung regenerativer Energiequellen möglich sein. Allerdings ist gerichtlich anerkannt, dass die Bestimmungen der AVBFernwärmeV nicht so ausgelegt und angewandt werden dürfen, dass ein an sich nach Kommunalrecht zulässiger Anschluss- und Benutzungszwang und der mit diesem verfolgte Zweck gefährdet bzw. ausgehöhlt werden würde oder diesem zuwider läuft.
Anfang dieses Jahres hatte sich das VG Greifswald mit der Auslegung einer solchen Satzungsvorschrift zu befassen, die im Einzelfall eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang auf Antrag vorsah, wenn die Versorgung des Grundstücks mit Wärme durch regenerative Energiequellen erfolgen soll. In seinem Urteil vom 03.03.2015 (Az. 2 A 96/14) kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass im zu entscheidenden Einzelfall die Voraussetzungen für eine vollständige Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme erfüllt waren. Da die im vorliegenden Fall entscheidungsrelevante Satzungsvorschrift für die Befreiung keine ausschließliche Wärmegewinnung aus Solarenergie voraussetze und schon aus der Natur der Sache neben die Nutzung von Solarenergie eine weitere Energiequelle treten müsse, genügte nach Auffassung des Gerichts auch eine Mischnutzung verschiedener Energieträger den Anforderungen, sofern der Einsatz der Solartechnik im Einzelfall nicht von einer derart untergeordneten Bedeutung sei, dass bei einer wertenden Betrachtung nicht mehr von einer Versorgung des Grundstücks mit Wärme durch regenerative Energiequellen (hier. Solarenergie) gesprochen werden könne. Einen angestrebten Grad der Wärmeversorgung durch Solarthermie von 30 % sah das Gericht als ausreichend an, insbesondere bei einer Ergänzung der Solarenergie um eine wie im konkreten Fall vorgesehene Holzpelletheizung. Ein solches Wärmeversorgungskonzept steht nach Ansicht des Gerichts auch dem im konkreten Fall verfolgten Zweck des Anschluss- und Benutzungszwangs zielstrebig Luftverunreinigungen zu verringern nicht entgegen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Inanspruchnahme einer grundsätzlichen Befreiungsmöglichkeit vom Anschluss- und Benutzungszwang von der konkreten Ausgestaltung der Satzung abhängig ist. Zu prüfen ist, unter welchen Voraussetzungen und insbesondere auch in welchem Umfang die Satzung eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gewährt und ob das im konkreten Einzelfall angestrebte Konzept zur Nutzung regenerativer Energien mit dem Satzungszweck vereinbar ist. Aus Sicht der Gemeinden ist auch beim Erlass entsprechender Satzungen vorab zu prüfen, ob und in wie weit ein Anschluss- und Benutzungszwang den Anforderungen der AVBFernwärmeV entspricht.
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