Aller fliegerischer Realität zum Trotz! OVG Lüneburg knickt vor BAF und DFS ein
« NewsübersichtIn einigen der aufsehenerregendsten Prozesse der Windenergiebranche des letzten Jahres hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr seine Entscheidungen samt Gründen vorgelegt und damit ein bedauernswertes Fanal gesetzt.
Im Mittelpunkt stand jeweils die Frage, ob geplante Windenergieanlagen eine Funknavigationseinrichtung stören könnten und somit § 18 a LuftVG, der für diesen Fall ein Bauverbot vorsieht, den jeweiligen Vorhaben entgegenstünde.
Hierzu war zum Einen eine Berufungsklage (Az.: 12 LC 30/12) in der Hauptsache beim Oberverwaltungsgericht anhängig, mit der u.a. der Antragsteller die Erteilung einer Genehmigung für seine Windenergieplanung begehrte. Das Verwaltungsgericht Hannover hatte in erster Instanz dem Kläger teilweise Recht gegeben und hinsichtlich einer der geplanten Anlagen ausgeurteilt, dass dieser § 18 a LuftVG nicht entgegenstünde und insbesondere die gegenläufige Auffassung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) und des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAF) nicht tragfähig begründet seien. Vor allem sei der gewählte Maßstab (also v.a. die anzulegenden Winkelfehlerwerte) für die behauptete Störung nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei dargelegt worden.
Parallel dazu waren zwei Eilverfahren beim Oberverwaltungsgericht (Az.: 12 ME 39/14; 12 ME 132/14) anhängig, in deren Rahmen es um eine bereits erteilte Genehmigung ging. Diese Genehmigung war von BAF und DFS jeweils einzeln angegriffen worden, weil sie der Auffassung waren, dass die genehmigten Anlagen die Funknavigationsanlage in Bremen stören könnten und sich die Genehmigungsbehörde über diese Einschätzung von DFS und BAF nicht habe hinwegsetzen dürfen. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte die Eilanträge voll umfänglich abgelehnt (vgl. MASLATON Newsletter: Absturz fuer die DFS - Windenergiebranche feiert Sieg; Konflikt von Windenergiebetreibern mit DFS und BAF erreicht landespolitische Ebene) und darauf verwiesen, dass BAF und DFS schon überhaupt nicht befugt seien, derartige Anträge zu stellen, weil sie in diesem Zusammenhang keine eigenen Rechte geltend machen könnten. Insbesondere aber sei die Entscheidung des BAF nach § 18 a LuftVG im Genehmigungsverfahren für die Genehmigungsbehörde nicht bindend. Überdies sei die behauptete Störung der Funknavigationsanlage nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen und technischen Ermittlungen von DFS und BAF seien widersprüchlich und in sich nicht schlüssig. Dies v.a. auch deshalb, weil in der Fachwelt erhebliche Zweifel an der technischen Methode zur Störprognose – wie sie die DFS verwendet – verlautbart wurden (vgl. auch MASLATON Newsletter: Drehfunkfeuer - erneute Verwaltungsgerichtsentscheidung).
Das Oberverwaltungsgericht entschied mit Urteil vom 03.12.2014 in der Berufungsklage (Az. 12 LC 30/12) und mit Beschlüssen vom 22.01.2015 (Az.: 12 ME 39/14; 12 ME 132/14) in den anhängigen Eilverfahren vollumfänglich gegen die Windenergie und legte nunmehr auch die jeweiligen Entscheidungsgründe vor.
Erstaunlich ist, dass die ablehnenden Entscheidungen nahezu gleich begründet wurden, obgleich die prozessuale Situation in maßgeblicher Weise völlig unterschiedlich war. Denn im Rahmen der Drittanfechtung wie sie Gegenstand der Eilverfahren war, obliegt es dem Anfechtenden zunächst eine Verletzung in eigenen Rechten geltend zu machen und sodann eine schlüssige Darlegung seiner behaupteten Störung zu erbringen. Beides ist in den Eilverfahren nicht geschehen. Dennoch hat das Oberverwaltungsgericht sogar im Falle des Eilantrags der DFS – deren Mitwirkung nach § 18 a LuftVG unstreitig nicht bindend ist – angenommen, dass sie in ihrer Dispositionsfreiheit als Privatunternehmen beeinträchtigt sei. Dies ohne zu erklären, inwieweit es sich dabei um ein klagefähiges Recht handelt und ohne weiter zu problematisieren, dass mit einer solchen Argumentation der Verdacht einer privat-interessensgeleiteten Aufgabenwahrnehmung durch die DFS naheliegt.
Weiter ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Entscheidung des BAF nach § 18 a LuftVG – entgegen weit verbreiteter Stimmen in der Literatur und des Verwaltungsgerichtes Oldenburg – bindend sei und hat dies im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten (Wortlaut, Systematik, Teleologie) begründet, wie die Gegner dieser Auffassung, nur dass diese Argumente nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes die diametral entgegengesetzte Auffassung stützen sollen. Wesentlich dürfte eher ein anderer Aspekt für das Gericht gewesen sein. Nämlich die bereits viel beschworene – angeblich beim BAF angesiedelte – gebündelte Fachkompetenz. Es ist schon erstaunlich von einer derartig überragenden Fachkompetenz der Bundesoberbehörde auszugehen, wenngleich erhebliche Stimmen in der Fachwelt an eben dieser Kompetenz erhebliche Zweifel äußern – ein Umstand der das Oberverwaltungsgericht hingegen ebenso wenig anficht wie DFS und BAF. Gleichermaßen seltsam mutet es an, wenn das Gericht in der gleichen Entscheidung darauf hinweist, dass erst mit Abschluss des zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens eine tragfähige Begründung für die Annahme einer Störung durch diese Behörde geliefert worden sei. Denn das Oberverwaltungsgericht machte deutlich, dass nach seiner Meinung erst im Laufe dieses Verfahrens (nach unserer begründeten Auffassung nicht einmal bis heute) und damit erst nach einer Vielzahl von konkreten Nachfragen seitens der Prozessbeteiligten eine rechtsstaatliche Begründung – und diese auch nicht vom „fachkompetenten“ BAF, sondern wesentlich von der privaten DFS – zusammengestückelt wurde. Dieses Gebaren spricht insgesamt eher gegen eine überzeugende Fachkompetenz des BAF.
Die sich logisch anschließende Frage, ob ein solcher Vorgang überhaupt noch ausreichend ist, um die behauptete Störung zu begründen, weil es vielleicht nicht darauf ankommt, wie sich die Sachlage heute darstellt, sondern wie sie sich zum Zeitpunkt der Behördenentscheidungen darstellte, berücksichtigte das Oberverwaltungsgericht – in Verkennung der Anfechtungssituation - in den Eilverfahren bedauernswerter Weise ebenfalls nicht.
Auch die Tatsache, dass viele der technischen Behauptungen der DFS und des BAF überhaupt erst dadurch halbwegs valide schienen, wenn man – wie das Oberverwaltungsgericht – voraussetzt, dass etwaige methodische Unsicherheiten, Unklarheiten und sogar Doppelverwertungen von in der Natur nur einmal vorkommender Effekte (!) zum Wohle des BAF und der DFS hinzunehmen sind, hinderten das Gericht offensichtlich nicht daran eine überragende Fachkompetenz des BAF zu unterstellen. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich dem BAF auch einen Beurteilungsspielraum zuzubilligen, um auch die Flanken seiner überragenden Fachkompetenz hinreichend zu schützen…
Ein eigentlich ganz einfacher juristischer Aspekt – die Kausalität – ist bei dem Ganzen offenbar für das Gericht ebenfalls völlig aus den Augen geraten. Denn man fragt sich, wie denn eine Windenergieanlage noch für eine Störung kausal – also ursächlich – sein kann, wenn doch schon zuvor die maßgeblichen Werte unbestreitbar überschritten werden und eine Störung somit bereits vorliegt. Aber das fragt sich offensichtlich nur „man“ – nicht auch der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg.
Schließlich und endlich soll es auch nicht auf die Auswirkungen etwaiger technischer Effekte für den Flugbetrieb ankommen. Fakt ist: Selbst wenn eine Funknavigationsanlage ausgeschaltet wird, fällt kein Flugzeug vom Himmel! Was aber wirklich zu erwarten wäre? – Diese Frage ist für das Oberverwaltungsgericht irrelevant. So verkommt das Bauverbot nach § 18 a LuftVG zum reinen Selbstzweck und dient tatsächlich ausschließlich der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit der DFS!
Welchen Stellenwert die Energiewende für das Oberverwaltungsgericht Lüneburg noch hat, wird in den Beschlüssen vom 22.01.2015 ebenfalls deutlich – die Bedeutung der Windenergie für die Klimaschutzziele wird mit keinem Wort erwähnt. Nach Auffassung des Gerichtes geht es allein um wirtschaftliche Interessen der Windenergieanlagenbetreiber, weshalb in der „umfassenden“ Interessensabwägung zwar gegen die Windenergie streitenden Interessen durchaus benannt werden, die Energiewende und der Klimaschutz hingegen nicht einmal Erwähnung finden.
Ein trauriges Kapitel in der Windenergie, dass so schnell wie möglich umgeschlagen gehört. Zum Glück endet der Rechtsweg nicht in jedem Fall vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Die Hauptsache ist zur Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen und auch in der restlichen Bundesrepublik sind an Oberverwaltungs- und Verwaltungsgerichte mehrere Verfahren zu diesem Thema anhängig, so dass die jüngsten Entscheidungen aus Lüneburg wohl nicht das letzte Wort bleiben werden.
P.S.: (D)Vor sind im Flugbetrieb irrelevant (Interview Jürgen Tiedtke, Flottenchef der Germanwings, Germanwings Wissen, Seite 144)
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