Altlasten – Verwaltungsgericht: Projektierer muss Asbest nach Leitungsverlegung beseitigen
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Ein ostdeutsches Verwaltungsgericht verpflichtet einen Erneuerbare-Energien-Projektierer zur Beseitigung von versehentlich bei Bodenarbeiten ausgehobenen Altlasten. Über die Gründe und zu ziehenden Schlussfolgerungen.
Der aktuelle Beschluss des Gerichts, der uns vorliegt, dürfte der erste dieser Art sein und ist damit geeignet, Unsicherheiten in der Branche über das wirtschaftliche Risiko von Altlasten auszulösen. Dieser Beitrag soll die Entscheidung und die maßgeblichen Rechtsfragen einordnen und auf mögliche Konsequenzen im Zusammenhang mit Altlasten aufmerksam machen.
I. Sachverhalt: Gewöhnliche Aushubarbeiten
Ein Projektentwickler plante die Errichtung einer größeren Energieerzeugungsanlage auf Flächen im kommunalen Eigentum. Die Anlage sollte durch unterirdische Leitungen mit einer nahegelegenen Ortschaft verbunden werden. Hierfür war mit der Kommune abgestimmt worden, Baggerarbeiten auf öffentlichen Grundstücken durchzuführen. Nicht bekannt war dem Unternehmen aber, dass sich auf einem der betroffenen Grundstücke einst eine Müllhalde befand. Erst nach erledigter Arbeit wurde daher festgestellt, dass sich asbesthaltige Betonrückstände im Aushub befanden. Im Zuge der Baggerarbeiten zerbrachen diese und verteilten sich über die nähere Umgebung, wodurch die Gefahr für schädliche Umweltauswirkungen wesentlich erhöht wurde.
II. Verpflichtung zur Beseitigung auf eigene Kosten
Nach Ansicht der zuständigen Behörde war der Aushub aufgrund seiner Entfernung aus dem Boden nunmehr als Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) zu qualifizieren, welcher nach § 15 Abs. 1 KrWG ordnungsgemäß zu beseitigen sei. Hierfür sah sie jedoch nicht die Gemeinde – als Eigentümerin der Fläche und des Aushubs – in der Pflicht, sondern den Projektentwickler, welcher den Asbest versehentlich zutage gefördert hatte. Sie ordnete gemäß § 62 KrWG die Beseitigung durch diesen an.
Das Unternehmen prognostizierte hierfür sechsstellige Erfüllungskosten und wandte sich daher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht.
III. Beseitigungspflicht? Die wesentlichen Kriterien
Das Gericht wies den Antrag jedoch ab und erklärte, nach dem Verursacherprinzip sei hier die Bauherrin, nicht die Eigentümerin zur Verantwortung zu ziehen. Für Projektierer von Photovoltaik-, Biogas- oder Windkraftanlagen kommt das überraschend. Welche Rechtsfragen in Konstellation wie der vorliegenden im Einzelnen zu begutachten sind, soll daher analysiert werden. Auch wenn das Gericht hier in sämtlichen Fragen zulasten des Projektierers entschied, hätte, wie gezeigt werden soll, ebenso gegenteilig argumentiert werden können.
1. Begriff des „Abfalls“
Zunächst ist zu prüfen, ob es sich bei dem Aushub tatsächlich um Abfall im Gesetzessinne handelt. Denn möglich wäre, dass der Anwendungsbereich des KrWG für den betreffenden Aushub überhaupt nicht eröffnet ist. Einschlägig sein könnte die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG, wonach der sog. „Boden in situ“, d.h. der Boden an seinem Ursprungsort, kein Abfall ist. Der Abfallbegriff setzt vielmehr eine gewisse Mobilität und künstliche Verwendung von Boden voraus.
Man könnte vertreten, die Bauherrin habe diesen Zustand herbeigeführt, indem sie den Boden vorübergehend verlagerte. Nach dem Sinn und Zweck der Norm könnte dies bereits ausreichend sein, da der Vorhabenträger den Boden im Zuge der Arbeiten zu einer "beweglichen Sache" gemacht habe. Eventuell ließe sich dem § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG zugrundeliegende Art. 2 Abs. 1 lit. b der EU-Richtlinie 2008/98/EG entnehmen, dass es dem Gesetzgeber nicht darum ging, Böden grundsätzlich von den KrWG-Pflichten auszuschließen. Vielmehr habe er lediglich die Anwendung des Gesetzes auf diese für nicht sachgerecht gehalten, solange sie fest mit dem Grund verbunden seien. Mit der geschaffenen Beweglichkeit des Bodens stehe seiner Entsorgung technisch jedoch nichts mehr im Weg, so dass der Bauherr bedenkenlos in Anspruch genommen werden könne.
Andererseits sollte bedacht und könnte argumentiert werden, dass der Aushub nicht nachhaltig aus dem Boden entfernt werden sollte. Der Projektierer nahm keine Veränderungen an der Umwelt vor, die nach allgemeinem Verständnis ein zu entsorgendes bzw. anderweitig zu verwertendes Abfallprodukt hinterlassen. Vielmehr sollte der Boden lediglich vorübergehend verlagert werden, um die Leitungen zur Energieanlage zu legen. Der Projektierer musste sich im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht daher auch keine Gedanken darüber machen, wie er mit dem Aushub nach beendigten Bauarbeiten verfahren würde. Er übernahm demnach keine Verantwortung für die umweltverträgliche Beschaffenheit des Bodens "ex situ", womit ihn eine Verpflichtung nach dem KrWG in der Regel auch weiterhin technisch überfordern dürfte.
2. Verantwortlichkeit des Vorhabenträgers
Die zweite wesentliche Rechtsfrage, die hier der Entscheidung bedurfte, betrifft den Begriff des sog. Störers – also die Frage, wer verantwortlich für den Abfall und damit die Beseitigung ist. Sollte der Abfall in den Verantwortungsbereich des Projektentwicklers fallen, müsste ihm dieser entweder durch Erzeugung, § 3 Abs. 8 KrWG, oder aufgrund von Besitz, § 3 Abs. 9 KrWG, zuzuordnen sein.
Mit der Unterscheidung zwischen ‚Erzeuger‘ und ‚Besitzer‘ von Abfällen in § 15 Abs. 1 KrWG versucht der Gesetzgeber verschiedene Akteure wirtschaftlicher Prozesse zu erfassen: Die Pflichten nach dem KrWG sollen nicht schon deshalb entfallen, weil eine andere Person den Abfall erzeugt hat oder dieser an eine andere Person weitergegeben wurde. Der vorliegende Fall lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres unter eine solche Betriebskette subsumieren, da zwischen dem – nicht mehr zu greifenden – Betreiber der früheren Mülldeponie und der Bauherrin keinerlei Verbindung bestand und für die Bauherrin auch nicht absehbar war, asbesthaltigen Boden in ihren Besitz zu nehmen. Insofern könnte argumentiert werden, der Projektentwickler sei schutzbedürftig und der Aushub in erster Linie der Risiko- und Verantwortungssphäre der Grundstückseigentümerin, mithin der Gemeinde zuzurechnen.
Andererseits sollte der Gesetzesaufbau in semantischer Hinsicht bedacht werden: Im Wortsinne könnte die Bauherrin als Erzeugerin des „Abfalls“ zu verstehen sein, weil dieser erst im Moment seines Aushubs aus dem Boden juristisch als Abfall zu qualifizieren ist. Tatsächlich könnte hierfür sprechen, dass das KrWG seinem Zweck nach denjenigen, der wirtschaftlich tätig ist, verpflichtet, dies mit Rücksichtnahme auf die Umwelt zu tun. Die Bauherrin könnte die Verantwortung für unvorhersehbare nachhaltige Umweltauswirkungen übernommen haben, da sie Veränderungen am Boden vornahm.
Auch die Besitzereigenschaft im sachenrechtlichen Sinne wird man für gegeben halten können, da diese grundsätzlich unabhängig von den eigentumsrechtlichen Umständen ist; sie zielt vielmehr auf die Inanspruchnahme desjenigen mit der größten Sachnähe ab. Fraglich ist aber, ob hier nicht nach wertender Betrachtung eine Ausnahme anzunehmen ist, wenn bedacht wird, dass die Aushubarbeiten in Abstimmung mit der Gemeinde erfolgten. Der Projektierer war sich nicht bewusst, welches Material er in seinen Besitz nehmen würde. Dies war auch nicht dem Zufall geschuldet, sondern der Gemeinde zuordenbar: Im Zweifelsfall wäre es dieser möglich gewesen, in Erfahrung zu bringen, dass sich am betroffenen Ort einst eine Mülldeponie befand.
3. Beseitigung auf eigene Kosten nicht unverhältnismäßig
Drittens ist zu prüfen, ob der Verfügung der zuständigen Behörde, wenn auch die obigen Tatbestandsmerkmale anzunehmen wären, eine rechtmäßige Ermessensausübung zugrunde lag. Konkret muss beantwortet werden, ob dem Projektentwickler eine Beseitigung des Abfalls unzumutbar bzw. die Verfügung unverhältnismäßig sein könnte. Der Verhältnismäßigkeitsprüfung muss zwingend eine Einzelfallbetrachtung vorangehen. Grundsätzlich sollte die Verhältnismäßigkeit der Verfügung zwar in der Regel gegeben sein, da von Asbest erhebliche Gesundheitsgefahren ausgehen. Anders gelagert könnte der Fall jedoch insbesondere dann sein, wenn der Projektierer nachweist, durch die Verfügung in existenzgefährdender Weise wirtschaftlich eingeschränkt zu werden.
4. Grundsätzlich Beseitigungspflicht der Gemeinde möglich
Zu bedenken ist zudem, dass neben der Bauherrin auch die Gemeinde Besitzerin des Abfalls war. Als Eigentümerin übte sie, wie regelmäßig, den Besitz über das gesamte Grundstück und damit auch über den darauf gelagerten Abfall aus. Eine Inanspruchnahme der Gemeinde nach § 15 Abs. 1 KrWG ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen. Eine korrekte, interessengerechte Ermessensausübung muss sich zwar primär an den Verursacher halten. Zweifelsohne könnte man nach dem Verursacherprinzip allerdings auch auf die Gemeinde schließen, möchte dieses doch den wertungsgemäß Hauptverantwortlichen verpflichten und nicht unbedingt denjenigen, der einen Umstand in rein technischer Hinsicht hervorruft. Anders als vorliegend entschieden, wäre es demnach sehr wohl denkbar, die Beseitigungspflicht bzw. -kosten aufzuteilen oder gar ganz der Gemeinde aufzutragen.
IV. Ausblick
Die Gerichtsentscheidung soll zum Anlass genommen werden, Vorhabenträgern und Projektentwicklern von Biogasanlagen, Solaranlagen oder Windenergieanlagen noch einmal bewusst zu machen, welchen Risikofaktor Altlasten im Rahmen der Projektrealisierung darstellen können, sowohl auf der wirtschaftlichen als auch auf der zeitlichen Ebene. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern ist die Entdeckung von Altlasten keine Seltenheit. Wer daher nicht bereits in der Vergangenheit im Vorfeld von Flächensicherung und Bauarbeiten eine Begutachtung von Böden, nötigenfalls durch Sachverständige, vorgenommen sowie alte Karten und Lagepläne herangezogen hat, sollte dies nun konkret in Erwägung ziehen. Auch die Aufnahme schützender Klauseln in Nutzungsverträge mit den Grundstückseigentümern ist dringend geboten, um diese stärker in die Sachverhaltserforschung einzubinden und ggf. in Regress nehmen zu können.
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