Bundesverwaltungsgericht entscheidet zu Flugsicherungseinrichtungen - (K)Ein Absturz für die Windenergie?
« NewsübersichtAm 07.04.2016 hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits sein Urteil im Revisionsverfahren gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 03.12.2014 (12 LC 30/12) verkündet. Inhaltlich ging es um die Klage eines Windenergiebetreibers, dessen geplanter Windpark durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) abgelehnt worden war, weil - auf der Grundlage eines Gutachtens der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) - angenommen wurde, dass die Windenergieanlagen die Funknavigationsanlage VOR Leine im Sinne des § 18a LuftVG stören könnten. Hierauf hatte die Genehmigungsbehörde, den beantragten Vorbescheid abgelehnt.
Die hiergegen beim Verwaltungsgericht Hannover erhobene Klage hatte (aus planungsrechtlichen Gründen „nur“) zunächst teilweise Erfolg, weil das Verwaltungsgericht im Rahmen der von ihm angenommenen vollständigen Überprüfbarkeit der Entscheidung des BAF zu der Überzeugung gelangte, dass aus den verfügbaren Quellen (insb. denen aus dem sog „ICAO-Abkommen“; siehe hierzu u.a. Newsletter vom 29.07.2015 „Protokoll zum Treffen der AWOG veröffentlicht - Neue Prüfbereiche für Doppler VOR”) sich ein zulässiger Winkelfehler von 3,5° für die VOR Leine entnehmen lasse anstelle der von DFS und BAF geltend gemachten 3,0° und dieser Fehler nicht überschritten werde. Dabei sei auch maßgeblich, dass der abzuziehende Anlageneigenfehler nicht - theoretisch - höchstzulässige 2° betrage sondern vielmehr entsprechend der tatsächlichen vermessenen „performance“ der Flugsicherungseinrichtung abzuziehen sei und folglich ein größeres Restfehlerbudget für äußere Störungen verbliebe, als DFS und BAF annahmen (siehe zum Ganzen: Newsletter vom 28.11.2014 „Störung von Flugsicherungseinrichtung gem. § 18a Abs. 1 LuftVG - Entscheidung durch das OVG Lüneburg”).
Die hiergegen eingelegte Berufung zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg führte zur Aufhebung des klagestattgebenden Teiles des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage insgesamt (siehe Newsletter vom 06.02.2015 „Aller fliegerischer Realität zum Trotz! OVG Lüneburg knickt vor BAF und DFS ein” und vom 28.11.2014 „Störung von Flugsicherungseinrichtung gem. § 18a Abs. 1 LuftVG - Entscheidung durch das OVG Lüneburg”). Das Oberverwaltungsgericht begründete seine Auffassung im Wesentlichen damit, dass die ICAO-Vorgaben nicht eindeutig seien und die Verwaltungsgerichte mangels überlegener technischer Erkenntnisse insoweit der ausführenden Behörde (hier: dem BAF) einen auf gesetzlich vermutete Sachkompetenz gestützten Beurteilungsspielraum einräumen müssten. Vor diesem Hintergrund sei die Störprognose von DFS und BAF samt eingestellter Fehler- und Abzugswerte jedenfalls vertretbar und werde auch von den anders gearteten Meinungen in der Fachwelt nicht durchgreifend erschüttert. Im Übrigen seien die DFS und das BAF in dieser Frage auch selbständig anfechtungsbefugt und in eigenen Rechten betroffen, weil das BAF eine bindende Entscheidung als Behörde im eigenen Aufgabenkreis des Bundes treffe und ihr anderenfalls keine Möglichkeit bliebe ihre Entscheidung im Zweifelsfall durchzusetzen. Die DFS sei in ihren Eigentumsrechten betroffen. Obgleich die DFS hier zugleich als Gutachter, wie als - von Gesetzes wegen - privater Betreiber der betreffenden Flugsicherungseinrichtungen fungiere könnten Zweifel an der Objektivität nicht bestehen. Diese Auffassung vertrat das Oberverwaltungsgericht, obschon ihm aus dem Parallelverfahren des Verwaltungsgerichtes Oldenburg bekannt sein musste, dass sowohl an den Gutachten der DFS als auch an der aufsichtsbehördlichen Überprüfung der Gutachten durch das BAF berechtigte Zweifel angemeldet worden waren (siehe Newsletter vom 06.02.2015 „Aller fliegerischer Realität zum Trotz! OVG Lüneburg knickt vor BAF und DFS ein”, vom 21.07.2014 „Drehfunkfeuer – erneute Verwaltungsgerichtsentscheidung” und vom 05.02.2014 - „Absturz für die DFS Windenergie feiert Sieg“).
Mit dem nunmehr ergangenen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision des Windenergiebetreibers zurückgewiesen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg aufrecht erhalten. Es hat in diesem Zusammenhang mehrere Rechtsfragen höchstrichterlich beantwortet - wenn auch die meisten nicht zu Gunsten der Windenergie:
- die Entscheidung des BAF ist kein Verwaltungsakt und folglich nicht gesondert angreifbar
- der Begriff der Störung in § 18a LuftVG ist technisch geprägt, abseits von Verhältnismäßigkeitserwägungen stellt sich allein die Frage, ob eine Beeinträchtigung sich auf die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs auszuwirken vermag
- diese Frage beantwortet sich für Flugsicherungseinrichtungen nach den Maßstäben der ICAO-Vorgaben und - wenn wie hier z.T. keine eindeutigen Erkenntnisse zu gewinnen sind - nach den Maßstäben der entscheidenden Behörde, die insoweit nur einer Vertretbarkeitskontrolle durch das Gericht unterliegen
- dabei ist im konkreten Fall auch der Abzug des 2,0° anlageneigenen Fehlers nicht zu beanstanden; zwar schützt § 18a LuftVG nicht den Betrieb der Flugsicherungseinrichtung im Rahmen des maximal Zulässigen, so dass bei Nachweis einer verlässlichen Unterschreitung des höchstzulässigen Fehler, nicht dieser als maßgeblich gelten kann, ein solcher Nachweis ist aber nicht erbracht worden
- an der Objektivität der DFS besteht trotz deren Doppelstatus (zivilrechtlich/öffentlich-rechtlich) keine Zweifel
- § 18a LuftVG dient nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit weshalb die DFS auch in eigenen Rechten betroffen ist
- das BAF ist hingegen als „eigenständige juristische Person in andren Behörden bindenden Entscheidungsbefugnissen ihres als Bundesverwaltung geführten originären Aufgabenbereichs betroffen“
Diese Entscheidung ist sowohl in ihrer Wirkung als auch ihrem Inhalt nach keineswegs unkritisch zu betrachten. Deshalb wird in Kürze eine umfassende, kritische Beurteilung des Urteiles veröffentlicht. Zudem sind einige Fälle anders gelagert, mit der Folge, dass manche Argumente (Störung bereits gestörter Einrichtungen, flugbetriebliche Besonderheiten wie Wegfall von RNAV; Möglichkeit von Nebenbestimmungen) gar nicht berücksichtigt wurden. Schließlich scheiterten manche Rechtsfragen an der fehlenden Substantiierung.
Es lohnt sich also für manche dennoch zu kämpfen.
Vgl. im Übrigen zur Kritik an einzelnen Auffassungen und auch zum Ganzen u.a.: Falke in Maslaton, Windenergieanlagen - Rechtshandbuch, 1. Auflage 2015, Rn.218ff.; Sittig/Falke, ER 2015, 17ff.; Falke/Sittig, REE 2014, 76ff.
Rückfragen & weitere Informationen:
Dr. Peter Sittig-Behm, sittig@maslaton.de,
Prof. Dr. Martin Maslaton, martin@maslaton.de,
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